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Viele Opfer starben auf der Flucht vor dem Brand in ihren Autos, als das Feuer ihnen den Weg abschnitt.

© Rafael Marchante/rtr

Mehr als 60 Tote in Portugal: Blitzschlag löst verheerenden Waldbrand aus

Der schlimmste Waldbrand seit Jahrzehnten fegt über Portugal hinweg. Erst langsam wird das ganze Ausmaß der Katastrophe klar.

Erst im Laufe des Sonntags wird das ganze Ausmaß der Katastrophe klar. Die Feuerwehrmänner, die sich am Morgen zu den von Flammen eingeschlossenen portugiesischen Ortschaften im Landesinneren durchkämpfen, stoßen auf ein Bild des Grauens. Auf den Zufahrtsstraßen finden sie ausgebrannte Autowracks mit verkohlten Leichen. Offenbar wollten die Menschen fliehen. Aber ihr Ansinnen wurde durch Flammenwalzen gestoppt, die sich durch das Waldgelände fressen.

Weinende und verletzte Menschen schleppen sich den Helfern entgegen. Eine Frau mittleren Alters sitzt auf einer in Rauch gehüllten Landstraße, den Kopf in die Hände gestützt. Sie ruft nach ihrer Familie, die im hinter ihr liegenden Dorf zurückgeblieben ist. Sie weiß nicht, was aus ihrem Haus und ihren Angehörigen geworden ist. „Die Gewalt des Feuers war sehr groß“, berichtet Valdemar Alves, Bürgermeister des 2000-Seelen-Ortes Pedrógão Grande. „Für viele Menschen gab es keine Zeit zu entkommen.“

Heftiger Wind treibt die Flammen

Der Wind sei sehr heftig gewesen, habe immer wieder gewechselt und die Flammenwände gleichzeitig in mehrere Richtungen getrieben. Einige Ortsteile seien „von den Flammen völlig eingekesselt“ worden, erklärt Alves. Der Zusammenbruch des Telefonnetzes habe es erschwert, die Menschen zu warnen. Fernando Lopes, Bürgermeister des Nachbarortes Castanheira de Pera, in dem 3000 Menschen leben, sagte: „Die Situation ist chaotisch. Viele Häuser sind verbrannt.“

Bis zum Sonntagnachmittag fanden die Helfer 62 Tote. Etliche Personen wurden noch vermisst. Die Zahl der Todesopfer könnte also noch steigen. Unter den Opfern befinden sich offenbar auch mehrere Feuerwehrleute. Mehr als 50 Personen sollen verletzt worden sein, mehrere befinden sich mit lebensgefährlichen Verletzungen im Krankenhaus. Viele Bewohner, die ihre Häuser schützen wollten, erlitten Rauchvergiftungen. Tausende wurden evakuiert, mehrere Menschen mussten per Hubschrauber aus dem Flammenmeer gerettet werden.

Am schlimmsten wütete das Feuer zwischen den drei Dörfern Castanheira de Pêra, Figueiró dos Vinhos und Pedrógão Grande, rund 200 Kilometer nördlich der Hauptstadt Lissabon. Nach ersten Ermittlungen entstand der Brand am Samstagmittag in der Nähe von Pedrógão Grande durch einen Blitzeinschlag in einen Baum. Dadurch sei vermutlich der umgebende Wald in Flammen gesetzt worden, sagte Portugals Kripo-Chef, Almeida Rodrigues.

Spanien und Frankreich schicken Löschflugzeuge

Es ist die größte Waldbrand-Katastrophe, an die sich die Portugiesen erinnern können – und vermutlich eines der schlimmsten Buschfeuer Europa überhaupt. „Ein Horror-Szenario“, sagt Jorge Gomes, Portugals Innenstaatssekretär, der vor Ort die Rettungsarbeiten koordiniert. Regierungschef António Costa kündigte mehrtägige Staatstrauer an.

Mehr als 1000 Löschhelfer und Soldaten aus dem ganzen Land kämpften am Sonntag gegen das Flammeninferno, das am Nachmittag noch immer nicht unter Kontrolle war. Vier Feuerfronten fraßen sich durch die grüne Hügellandschaft.

Portugal bat die Europäische Union um Hilfe. „Wir tun alles, um Portugal in dieser Zeit der Not zu helfen“, sagte ein EU-Sprecher. Spanien und Frankreich schickten bereits am Morgen Löschflugzeuge. Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa sagte, die Feuerwehr unternehme alles Menschenmögliche. Die ungewöhnliche Hitzewelle in diesen Tagen mit Temperaturen bis 40 Grad und heftigen Winden habe die Ausbreitung des Feuers begünstigt. Er nahm die Behörden gegen aufkommende Kritik in Schutz, dass Einsparungen, Personalmangel und fehlende Brandvorsorge zur Katastrophe beigetragen haben sollen. „Es ist unmöglich gewesen, das Feuer zu kontrollieren“, meinte Innenstaatssekretär Gomes.

Kritik an der Politik

Auch im vergangenen Jahr tobten zahlreiche schwere Waldbrände im Land der Korkeichen und Eukalyptuswälder, wo in 2016 mehr als 1000 Quadratkilometer Landschaft abbrannten. Eines der schlimmsten Feuer hielt die Bevölkerung auf der portugiesischen Urlaubsinsel Madeira in Atem. Dort zerstörten die Flammen 200 Häuser, auch ein Hotel brannte aus, vier Menschen waren damals in den Flammen umgekommen.

Auch im vergangenen Jahr waren Vorwürfe erhoben worden, politisches Versagen und Schlamperei hätten das Drama auf der Insel verschlimmert. Dort gab es keine Löschflugzeuge, erst mit großer Verspätung war vom Festland Verstärkung gerufen worden.

Mangelnde Waldpflege und fehlender Brandschutz wird in Portugal schon lange kritisiert. Der Forst wird vielerorts nicht gesäubert, Löschteiche werden nicht gefüllt, Brandschneisen lässt man zuwachsen. Nachlässigkeiten, die im Ernstfall zum Brandbeschleuniger werden können – und die das Risiko erhöhen, dass aus einem zunächst kleinen Feuer ein verheerendes Inferno wird.

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