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An den deutschen Küsten sollen wieder Riffs der heimischen europäischen Auster angesiedelt werden.

© Angelika Warmuth/dpa

Meeresbiologie: Austern kehren in die Nordsee zurück

Einst bevölkerte sie große Teile der europäischen Meere, dann brachte die Fischerei das Aus für die Auster. Die Muschel ist nicht nur etwas für Feinschmecker, sie tut auch dem Meer gut.

Meeresbiologen wollen die in der deutschen Nordsee ausgestorbene Europäische Auster wieder ansiedeln. In einem gemeinsamen Projekt suchen das Bundesamt für Naturschutz (BfN) und das Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) nach geeigneten Standorten für den testweisen Besatz mit den Muscheln. In Frage kämen die drei „Natura 2000“-Schutzgebiete Borkum-Riffgrund, Sylter Außenriff und Doggerbank, sagte die Vize-Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts, Karen Wiltshire.

Dort dürfe keine Bodenschleppnetz-Fischerei und kein Abbau von Sand oder Kies stattfinden. Geeignet sein könnten die Sperrzonen am Rande von Windparks. Man sei mit drei Windparkbetreibern im Gespräch, sagte die Leiterin des Wiederansiedlungsprojekts, Bernadette Pogoda. Hintergrund des 854.000 Euro teuren Forschungsvorhabens ist die Bedeutung der Austernart (Ostrea edulis) für das Ökosystem. Die häufig vorkommende Pazifische Auster (Crassostrea pacifica) sei eine invasive Art, die aus naturschutzrechtlicher Sicht nicht gutgeheißen werden könne, erklärte der Meeresbiologe Henning von Nordheim.

Invasive Arten haben machen es der heimischen Auster zusätzlich schwer

Die Europäische Auster war bis 1930 in der deutschen Nordsee verbreitet, wie die Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz (BfN), Beate Jessel, erklärte. Belegt sei ihr Vorkommen im nordfriesischen Wattenmeer seit 1241. Durch Überfischung seien die Austernbänke im 19.Jahrhundert verschwunden. Eiswinter und Stürme, Krankheiten und Parasiten hätten eine Erholung der Bestände verhindert.

„Es ist ein Beispiel dafür, wie schnell die Übernutzung eines Bestandes eintreten kann.“ Die Europäische Auster wachse langsam, am liebsten auf dem Schalensubstrat der eigenen Art. Dadurch entstünden Riffe, die vielen anderen Tieren Nahrung, Schutz und Kinderstube böten. Eine Auster filtere 240 Liter Meerwasser pro Tag. Eine Population könne toxische Algenblüten verhindern.

Überall ausgestorben ist die Europäische Auster nicht: Es gibt Restbestände in Norddänemark, England, Schottland, Irland und Frankreich. Teilweise wird die Art auch gezüchtet. In Frankreich werden allerdings vor allem Pazifische Austern kultiviert, die am Atlantik in drei Jahren und am Mittelmeer in nur sechs Monaten die notwendige Größe erreichen. Auch um Sylt ist die asiatische Art seit einigen Jahrzehnten verbreitet.

Sie braucht Riffe im Meer

Im Unterschied zur Europäischen Auster bilde die Pazifische keine Riffe im Meer. Ihre betonharten Ablagerungen seien direkt an der Küste zu sehen, Jungtiere bevölkerten auch die Spundwände von Hafenanlagen, sagte ein Biologe von Nordheim. Während die Europäische Auster selbst nicht unter Naturschutz steht, fordert die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH) der EU die Bewahrung und Wiederherstellung der Riffe.

Ob sich ein neu angesiedelter Bestand von Europäischen Austern gegen die pazifische Konkurrenz behaupten könnte, ist unklar. Projektleiterin Pogoda geht davon aus, dass die vor allem im Flachwasser lebende Pazifische Auster nicht in das 25 bis 30 Meter tiefe Wasser wandern wird, das die Europäische Auster bevorzugt. (dpa)

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