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Dada Madhuvidyananda von der Partei "Menschliche Welt" verspricht Glück für alle.

© Felix Kästle/dpa

Yogakolumne: Patricia Thielemann macht sich locker: Wie man einen funktionierenden Flughafen herbeimeditiert

Die Partei "Menschliche Welt" will mit Yoga Politik machen. Vielleicht sollte ich einfach das nächste Mal kandidieren.

In meine Studios kommen die unterschiedlichsten Menschen. Frage ich die Kursteilnehmer nach ihren Beweggründen, erhalte ich ebenso unterschiedliche Antworten.

Dem Manager geht es um Selbstführung, die Abgeordnete mit drei Kindern möchte endlich wieder eine Nacht durchschlafen, der etwas außer Form geratene Vater mit Bandscheibenvorfall will fit werden, die Galeristin sucht eine kreative Auszeit, der libanesische Austauschstudent will der Yoga-Philosophie auf den Grund gehen, der Seniorin mit dem künstlichen Hüftgelenk geht es um Beweglichkeit, eine 17-Jährige mit Bulimie kommt auf Anraten ihrer Mutter, das sudanesische Model sagt, sie kenne Yoga aus Bali, eine toughe Fernsehreporterin behauptet, Yoga sei für sie Sport, woraufhin eine frisch geschiedene Wissenschaftlerin konstatiert: Yoga ist doch so viel mehr!

Mich stellt das vor eine große Herausforderung. Schließlich ist meine Aufgabe, den Unterricht so zu gestalten, dass sich all diese Menschen mit ihren Bedürfnissen, Befindlichkeiten, Hoffnungen und Wünschen in meinen Kursen gut aufgehoben fühlen.

Sicher werde ich es niemals allen recht machen können – das wäre sogar fatal, denn das Ergebnis wäre ein überfrachtetes Potpourri, das sämtlichen Beteiligten nur Kopfschmerzen bereiten würde.

Sollte ich bei der nächsten Bundestagswahl kandidieren?

Sollte ich die Komplexität, die den zeitgenössischen Yoga auszeichnet, verdrängen und mir stattdessen einen Joint drehen und die Chakren völlig intuitiv zum schwingen bringen? Oder wäre es besser, die althergebrachte Yogalehre zu verteidigen und dabei die kulturellen wie auch zeitgeistigen Veränderungen außer acht zu lassen?

Weder noch. Was bin ich froh, dass ich heute, im Jahr 2017, Yoga unterrichten darf! Ich glaube nicht, dass es die Aufgabe von Yoga ist, die Welt zu retten. Mit dem Sonnengruß bekämpft man nicht die Arbeitslosigkeit, der Krieger wirkt auch nicht gegen den Klimawandel.

Trotzdem gibt es eine Art Yoga-Partei, die sich letzten Sonntag zur Wahl gestellt hat, die „Menschliche Welt“. Glück allen Lebewesen auf Erden, verspricht der Parteivorsitzende mit verklärtem Blick. Vielleicht sollte ich Dada Madhuvidyananda wenigstens eine Chance geben und mich mit ihm auf die leere Startbahn des BER setzen und für eine baldige Eröffnung des Flughafens meditieren? Oder sollte ich deren Laden erstmal aufmischen und mich bei der nächsten Bundestagswahl als Spitzenkandidatin aufstellen lassen? Dann bliebe es sicher nicht bei ein paar Stimmen, die am Ende im Balken „Sonstige“ verschwinden.

Warum Yoga jedem Menschen gut tut

Okay, wenn mit Yoga schon keine Politik zu machen ist, was dann?

Ich bin nämlich sehr wohl der festen Überzeugung … so beginnen doch Politiker-Sätze, oder? … also, ich bin davon überzeugt, dass es möglich ist, mit einem aufgeklärten, strukturierten und zugewandten Yoga die Menschen dort zu treffen, wo sie sind – und ihnen Mittel und Wege aufzuzeigen, ihr Leben selbst bestmöglich zu gestalten.

Der gute Gemeinschaftsgeist, der bei Spirit Yoga auch ohne Zwang zur Weltverbesserung herrscht, beherrscht meiner Erfahrung nach mit der Zeit auch das Leben der Praktizierenden. Am Ende sehe ich es nicht als meine Aufgabe, Karriere in der Politik zu machen, sondern dem Wesentlichen auf die Spur zu kommen.

Die Kolumnistin Patricia Thielemann ist Chefin von spirityoga.de und vertritt hier Katja Demirci. Ihr Buch „Spirit Yoga – Aufrecht, stark und klar im Leben“ ist im Gütersloher Verlagshaus erschienen.

Patricia Thielemann

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