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Eine Figur des heiligen Hieronymus steht am 19.10.2016 auf einer Stele im Innenhof der Geburtskirche in Bethlehem.

© picture alliance / dpa

Stadt im Westjordanland: In fünf Schritten durch Bethlehem

Irrten Josef und Maria heute müde und hungrig durch die Judäische Wüste, so würde man ihnen den Weg zu diesen wundersamen Orten weisen.

1. ANKUNFT

Der Muezzin ruft gerade zum Mittagsgebet. Was irritierend ist, aber bloß folgerichtig. Bethlehem liegt in den palästinensischen Autonomiegebieten, gleich neben Jerusalem, und hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einem mehrheitlich muslimischen Ort gewandelt. Die Bürgermeisterin Vera Baboun allerdings ist palästinensische Christin. Und dann sind da natürlich noch – neben den Touristen, die nur mal schauen und Selfies machen wollen – all die christlichen Pilger. Aus Europa, Amerika, Afrika, Asien. Bethlehems Zentrum ist voll, lärmend, ein großer Basar. In den Gassen und Straßen der Stadt, die sich auf sandfarbenen Hügeln erstreckt und zu großen Teilen aus modernen, rasch hochgezogenen Häusern besteht, herrscht ein babylonisches Sprachgewirr. Hier leben zwar nur knapp 30 000 Menschen, aber jedes Jahr kommen Hunderttausende Besucher, viele davon am Heiligen Abend, zur großen Mitternachtsmesse. Denn Gott, großer Gott, hier wurde schließlich das Kindlein schlechthin, hier wurde Jesus Christus geboren! uem

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2. GROTTE

Die Bibel erzählt, dass Josef und Maria, aus Nazareth kommend, in Bethlehem Unterschlupf fanden. In Ermangelung einer adäquaten Herberge zogen sie sich in eine Höhle zurück, aus der dann in der Überlieferung aus unersichtlichen Gründen ein Stall wurde. Ob die Höhle in Bethlehems Geburtskirche tatsächlich der Ort von Mutter Marias Niederkunft war, sei dahingestellt. Gesichert ist, dass Menschen schon seit dem zweiten Jahrhundert deshalb hierherpilgern.

Zurzeit wird das Mittelschiff der Kirche wieder restauriert. Es wird eigentlich immer etwas restauriert. Was verständlich ist, weil dieses Haus Gottes und seines Erstgeborenen schon in den Jahren um 330 von Kaiser Konstantin errichtet wurde, mit prachtvollen Mosaikböden und ebenso prächtigen Mosaikreliefs an den Wänden. Deren Hege und Pflege und Erhaltung und Erneuerung kann nur nachts vollzogen werden, weil tagsüber die Massen durch die Kirche strömen. „Silence, please“, rufen die Ordnungshüter, „it’s a holy place.“ Doch gegen die vielsprachige Geräuschkulisse kommen sie nicht an.

Aller Besucher Ziel ist ein kleiner Raum unterhalb der Geburtskirche. Genau hier, in dieser kleinen Felsengrotte unterhalb eines Altars, kam er angeblich zur Welt, der Erlöser dieser Welt von allem Bösen. Die meisten Leute sind eher aufgeregt als in sich gekehrt. Ein paar Ausnahmen gibt es zu beobachten. Da ist die Frau, die am Rande des Gewölbes kniet, den Oberkörper aufgerichtet, die Hände offen, wie gebend, nach vorne gehalten. Sie hat die Augen geschlossen, betet wahrscheinlich still in irgendeiner Sprache dieser Welt. Sie spürt ebenso wahrscheinlich nicht, dass sie immer wieder angeschubst und angerempelt wird von den nachdrängenden Christen, die denen, die schon vor dem Altar standen und nun aus dem kleinen Raum geleitet werden, folgen. Vielleicht stört es sie auch nicht in ihrer Andacht.

Die Gläubigen wollen mit reichlich Rigorosität an die Glasscheibe kommen, die unter dem Altar in die Erde eingelassen wurde. Darunter ist der Geburtsort, und darauf einmal die Hand aufzulegen oder einen Kuss aufs Glas zu setzen, und dabei von den Angehörigen fotografiert zu werden, ist das nicht aller Christlichkeit bis hin zur wüsten Schlägerei wert? Die Masse drängt, und wer zu lange an all den Milliarden Bazillen und Viren der Vorküsser auf der Scheibe über Jesus Christus verharrt, wird weggezerrt, als sei er einer der Pharisäer, die der hier Neugeborene der Legende nach später aus dem Tempel jagte. uem

Schnitzwerk aus Olivenholz: Eine Tradition aus der Antike

Essen im Café Fawda.
Essen im Café Fawda.

© Promo

3. HÄNDLER

Es ist ein Kreuz mit den Mitbringseln, und zwar eines aus Olivenholz. Die handgeschnitzten Devotionalien aus der „Olive Wood Factory“ sind sehr beliebt unter Pilgern und Heiligensammlern. Da gibt es Krippensets, die Heilige Familie, die Jungfrau Maria, Weihnachtsengel, kniende Kamele, schreitende Kamele (für den Karawanennachbau zu Hause), Schafe (auch für Freunde von grob gefertigten Tierfiguren ein Genuss) und natürlich Kreuze in allen Größen – von drei bis 30 Zentimeter.

Achtung, letzteres Maß ist nicht für die Warteschlange vor der Geburtskirche geeignet. Der Shop liegt schräg gegenüber der Milchgrotte, in der Jesus und Maria gewohnt haben sollen. Während vorne im Laden der Besitzer seine Kunden über die Technik aufklärt und sein Neffe Wasserbecher an Durstige verteilt, fallen im Hinterzimmer Späne. Dort arbeiten die Handwerker an ihren Kreationen.

Die Tradition, aus Olivenholz zu schnitzen, stammt noch aus der Antike. Besonders die Region um Bethlehem ist berühmt dafür. Um mit dem Holz zu arbeiten, muss der Baum wenigstens 150 Jahre alt sein. Erst dann sind die Zweige für die Umwandlung in Heiligenmotive geeignet.

4. PROVIANT

Fadi Kattan ist gebürtiger Bethlehemer, aber Studium und Wanderjahre verbrachte er in Frankreich und London. Im Jahr 2000 kehrte er in die Heimat zurück und betreibt nun das wahrscheinlich interessanteste Restaurant der Stadt. In seinem „Café Fawda“ serviert er Speisen mit besten Zutaten der Region und einer deutlichen französischen Note. Feine Küche à la palestinienne. In den Topf und auf den Tisch kommen: lange gereiftes Lamm, Lachs, Leber, Walnüsse, Granatapfel, Zatar (eine arabische Gewürzmischung), Wassermelonen ... Bei Kattan stecken in gefüllten Weinblättern eher Feigen und Käse statt wie üblich Reiskörner.

2006, da betrieb er sein „Café Fawda“ noch nicht, organisierte Fadi Kattan den ersten palästinensischen Kochwettbewerb. Damals ärgerte ihn, dass die Teilnehmer der Endrunde sich nur an europäischen Gerichten versuchten.

Sein Lokal befindet sich im Zentrum der Stadt, in einem Gebäude aus dem Jahr 1739, ebenso wie Kattans Gasthaus „Hosh Al-Syrian“. Serviert wird ein Vier-Gänge-Menü. „Bei mir können Sie nicht wählen!“, sagt der Koch und lacht. Auf Allergien darf und sollte man natürlich hinweisen, eine Reservierung ist mindestens einen Tag vorher notwendig. Für den Weihnachtsabend ist das Restaurant allerdings schon ausgebucht.

Das Hotel wirbt stolz mit der "hässlichsten Aussicht der Welt"

Vor dem Eingang des „Walled Off Hotel“ grüßt ein Affe in Uniform.
Vor dem Eingang des „Walled Off Hotel“ grüßt ein Affe in Uniform.

© imago/ZUMA Press

5. HERBERGE

Das ist die vielleicht schrägste Hotelwerbung der vergangenen Jahre: Wir haben die hässlichste Aussicht der Welt, verkündet das Management. Wer sich auf einen der Balkone des „Walled Off Hotel“ stellt, schaut nämlich auf Stacheldraht, Wachtürme und eine meterhohe Betonschlange. Das ist der umstrittene Grenzwall zwischen Israel und den palästinensischen Gebieten. Erdacht wurde die Unterkunft vom britischen Künstler Banksy, der mit Street-Art berühmt wurde und seine Identität geheim hält. Er hat sich bereits mit drei Kunstwerken an Wänden in Bethlehem verewigt. Mit dem Hotel unterstützt er einheimische Künstler, die im Haus ausstellen können.

Kunst um der Kunst willen, aber keine ordentliche Matratze? Nicht im „Walled Off“, das etwas Luxus bietet wie der gleich klingende große Bruder im Gewerbe: das Waldorf Astoria. Die Zimmer sind geschmackvoll eingerichtet mit gekachelten Böden und manchem eigens entworfenen Kunstwerk. Da ist zum Beispiel die an die Wand gemalte Kissenschlacht zwischen einem israelischen Polizisten und einem arabischen Demonstranten. Echte Federn sind um das Bild herumgeklebt. Ein Bonbon für Kunstliebhaber ist der Souvenirshop. Darin sind Gimmicks wie das Schlüsselbund mit einem Mauerstück erhältlich. Schlechte Nachricht für alle Banksy-Fans: Das Kruzifix in Form eines Steigeisens, um die Mauer zu überwinden, ist leider ausverkauft.

REISETIPPS FÜR BETHLEHEM

Hinkommen

Die israelische Fluggesellschaft El Al fliegt von Schönefeld nonstop nach Tel Aviv, im Januar hin und zurück ab rund 180 Euro. Etwas günstiger ist Easyjet. Vom Flughafen nimmt man am besten einen Überlandbus („Egged“) nach Jerusalem und dort ein Taxi. Mit einem israelischen Mietwagen darf man nicht in die Palästinensergebiete.

Rumkommen

Zum Bezahlen US-Dollar mitnehmen, mit Euro kommt man auch oft weiter. Für die Vorbereitung eignen sich zum Beispiel Baedeker oder Lonely Planet, beide bieten einen kombinierten Reiseführer Israel-Palästina.

In Bethlehem selbst helfen die Büros des palästinensischen Tourismusministeriums.

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