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n Yogakursen für Schwangere gibt es Lebenshilfe gratis.

© AFP

Patricia Thielemann macht sich locker: Glacéhandschuh-Yoga hilft keiner Frau bei der Geburt

Kann man als Schwangere in den Yogakurs gehen? Aber natürlich. Erst danach steht man als Frau richtig im Leben.

Einmal sehe ich eine Frau mit ihrem Kapuzenpulli umherwischen, während die anderen in einer entspannten Übung auf den Matten liegen. Ich denke, puh, warum legt die sich nicht hin? Weil mal wieder eine Plastikflasche umgekippt ist? Bei näherer Betrachtung dann der Schreck: Es ist Fruchtwasser! Ich begleite die Frau aus der Klasse, wir rufen ihren Partner an, zwei Stunden später ist das Kind da.

So dramatisch ist es nicht immer. Das Schöne an den Schwangerenkursen, die ich leite, ist: Oft sehe ich hinterher, was die Frauen ausgebrütet haben. Und es ist unterhaltsam, dass sie plötzlich über BH-Größe 85F reden, oder darüber, wie es ist, sich beim Niesen in den Schritt fassen zu müssen.

Aus der Not heraus solidarisieren sich die Frauen oft miteinander. Es ist wirklich hilfreich, andere untrutschige Frauen als Gleichgesinnte zu haben. Wenn du ein Kind hast, hat nämlich der Bullshit ein Ende. Dann schaust du nicht mehr, wer dir stilmäßig sympathisch ist, sondern wessen Kind in dieselbe Kita gehen wird.

Orangensaft erodiert

Bei mir war es so, dass ich auf einmal mehr lebenspraktische Freundinnen hatte. Freundinnen, die wussten, dass Orangensaft in der metallenen Bob-der-Baumeister-Flasche erodiert.

Manchmal werden aus ganz verklärten, staksigen, supersensiblen „Ich erwarte ein Baby“-Frauen mit der Geburt regelrechte Kampfschwestern – eine heilsame und gute Verwandlung, wie ich finde.

Die Transformation, die diese ätherischen Wesen in so kurzer Zeit durchlaufen, ist gewaltig. Dann wirkt es plötzlich so, als sei die Frau nun mit beiden Beinen im Leben angekommen.

Als Kreatur auf dem Boden

Das herkömmliche Schwangerenyoga ist mir zu weichgespült. Dieses Glacéhandschuh-Yoga hilft keiner Frau bei der Geburt. Bei mir lernt man, einmal nicht von außen auf seinen Körper zu schauen.

Frauen wird schon früh vermittelt: Lass dich nicht gehen! Sitz nicht so breitbeinig! Es erfordert ein Umdenken, als Kreatur auf dem Boden zu hocken und „Uaaaah!“ zu schreien. Man muss die innere Instanz ausschalten, die vorgibt, man hätte alles im Griff.

Man sollte denken, ich hätte mit Körperlichem gar kein Problem, doch das ist nicht immer so gewesen. Kurz nach der Geburt meines ersten Sohnes hatte ich einen Termin bei einem Anwalt. Während ich in der schicken Lobby wartete, machte mein Sohn so richtig in die Hose. Leider traute ich mich nicht, die stinkende Windel in einen dieser Philipp-Starck-Drahtpapierkörbe zu werfen – und steckte sie ausgerechnet in meine Lammfelltasche …

Übungen als Wehensimulator

Von mir lernen die Frauen, cool zu bleiben, wenn’s richtig hart wird. Schwangerenyoga kann wider Erwarten verdammt anstrengend sein. Bestimmte Übungen werden als Wehensimulator benutzt, um herauszufinden: Wie reagiere ich unter Stress? Bin ich passives Opfer oder handelnde Person? Werfe ich das Handtuch, oder werde ich zur Kämpferin?

Am besten wäre ein ruhig bleibendes, tief atmendes Durchsteuern.

Viele Erstgebärende fragen mich: „Patricia, welche Geburtsposition würdest du mir empfehlen?“ – Da kann ich leider auch nicht helfen. Ich sage dann: „Alles, an was du dich erinnern wirst, ist zu atmen.“ Meist gucken sie enttäuscht.

Schwangerenyoga ist kein Mindfuck, wo nur herumphilosophiert wird, und auch kein Strickverein, sondern ein echtes, lebensnahes Yoga. Das ist mein Thrill dabei.

Patricia Thielemann ist Chefin von spirityoga.de und vertritt Katja Demirci.

Patricia Thielemann

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