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Noch ohne Minister steht der Kabinettstisch.

© Wolfgang Kumm/dpa/pa

Kolumne: Moritz Rinke erinnert sich: Mein utopisches Kabinett

Ich werde Kanzler und mache Dieter Kosslick zum Außenminister. Als Erstes könnten wir Twitter verbieten. Das ist eine wirkliche Utopie, nicht Jamaika!

Vor ein paar Tagen war ich auf Schloss Neuhardenberg im Landkreis Märkisch-Oderland. Ich war dort zum Jubiläum der Stiftung Schloss Neuhardenberg, die seit 15 Jahren Kulturveranstaltungen organisiert. Überall in den Fluren sah ich Bilder mit Menschen, die hier übernachtet hatten. Auch Carl-Hans Graf von Hardenberg, der im Schloss die berühmte „Operation Walküre“ gegen Hitler mitgeplant hatte.

Ich fragte an der Rezeption, wer schon in meinem Bett gelegen habe.

„Moment“, sagte die Hausdame. „Der Letzte war Thomas Berthold, der Fußballweltmeister, davor Dieter Kosslick von der Berlinale, davor Udo Lindenberg, der Rockstar.“ Tolle Namen.

Später stellte sich heraus, dass auch der frühere Bundeskanzler Schröder in diesem Bett übernachtet hatte. Angeblich soll er sich hier sogar entschieden haben, nicht in den Irakkrieg zu ziehen.

Ich ließ mir Kaffee bringen und las die Tagespresse über die schwierigen Sondierungsgespräche in Berlin hinsichtlich einer Jamaika-Koalition. Ach, dachte ich, das Land wird nach rechts rücken, wenn Jamaika wirklich kommt, bald wird es Obergrenzen geben und die Willkommenskultur wird abgeschafft werden, von den Entwicklungen nach der Wahl in Österreich ganz zu schweigen.

Aber man sitzt nicht auf einem Bett, in dem schon Udo Lindenberg geschlafen hat, und bekommt eine Jamaika-Depression! Der preußische Staatskanzler hat hier reformiert, der sozialdemokratische auch, ich werde es genauso machen, ich werde der Kanzler des Kabinetts der Künstler, das ist eine wirkliche Utopie, nicht Jamaika!

Wir brauchen einen Minister für Stille und Tempoverlangsamung!

Beim Frühstück sah ich den Schauspieler Klaus Maria Brandauer. Als ich noch Kind war, spielte er in „Sag niemals nie“ den Schurken, der eine Bombe in Washington direkt unter dem Amtssitz des Präsidenten installiert, die James Bond gerade noch entschärfen kann.

„Brandauer, ich mache Sie zu meinem Friedensminister“, begann ich meine Utopie zu spielen, „wenn Sie das in Washington noch mal machen. Operation Trumpküre, der ist jetzt schon fast ein Jahr Präsident, wie lange denn noch?“

Mir schien, Brandauer lächelte.

Ermutigt nahm ich eine von Udo Lindenberg vergessene Lederjacke und ging spazieren. Auf einer Bank saß der Schauspieler Hanns Zischler, ein studierter Ethnologe. „Zischler“, sagte ich, „welches Ministeramt wollen Sie? Machen Sie sich um Kubicki & Konsorten keine Sorgen.“

Zischler hob einen Stein auf und betrachtete ihn, sonst nichts. Plötzlich bekam ich eine großartige Idee: Wir brauchen einen Minister für Stille und Tempoverlangsamung! Als Erstes könnten wir zum Beispiel Twitter verbieten. Keiner darf mehr irgendwas twittern oder ungefragt aufpoppen lassen!

Mir schien, Zischler lächelte.

Dieter Kosslick wird mein Außenminister

Wir brauchen ferner auch ein Ministerium für kreative Fernsehunterhaltung. Ein Ministerium für Bücher. Und eines für Humor in Deutschland. Und ein Ministerium für Kinder! Und eines für Freundlichkeit! Und natürlich extra eines für das Klima! Und für das Bewusstsein kommender Klimaflüchtlinge!!

Mein Außenminister wird der Berlinale-Direktor Dieter Kosslick, die Personalie kann ich schon jetzt bekannt geben. Ich habe einmal erlebt, wie Kosslick Catherine Deneuve und Tilda Swinton gleichzeitig küsste und danach den früheren Bundestagspräsidenten Lammert umarmte. Danach hatte Lammert den Lippenstift von Tilda Swinton auf der Wange. Wer so schnell Dinge miteinander verbindet, der kann auch den Rest der Welt miteinander verbinden.

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