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Ist hier noch Platz? Im Titanic-Hotel am Gendarmenmarkt waren nur noch Deluxe-Zimmer zu haben.

© imago/STPP

Kolumne: Maris Hubschmid traut sich was: Maris von Nazareth

Wie ich mit schneeverwehtem Haar und dickem Kugelbauch in Berliner Fünf-Sterne-Hotels ein freies Zimmer suchte.

Von Maris Hubschmid

Mit schneeverwehtem Haar, rotem Kleid, dunkelblauem Mantel und dickem Kugelbauch stapfe ich in die marmorne Hotelhalle. Ein Bediensteter hält mir die Tür auf. Die Dame an der Rezeption begrüßt mich freundlich. Hier sehe es behaglich aus, sage ich, ob für die Nacht wohl noch ein bezahlbares Zimmer frei sei? Im Online-Buchungsportal ist dieser Tag im Kalender dunkelgrau eingefärbt, mit einem schwarzen Strich durchzogen – alle Betten belegt. Ich weiß das schon. Lediglich Deluxe-Zimmer seien noch frei, informiert mich nun auch die Angestellte des Fünf-Sterne-Titanic-Hotels am Gendarmenmarkt. „Achje“, seufze ich.

„Ich bin so erschöpft, wissen Sie. Ich lebe eigentlich nicht in Berlin, hatte heute aber einen Termin beim Einwohnermeldeamt. Jetzt ist es mir zu anstrengend, weiterzureisen. Bloß, Deluxe-Zimmer, das ist sicher zu teuer für uns. Mein Mann ist Zimmermann“, erläutere ich. „Freiberuflich. Ich kann zurzeit nichts zum Einkommen beitragen, und bald sind wir zu dritt.“

Die Frau mit dem dunklen Pferdeschwanz hört freundlich nickend zu. Flüstert mit einer Kollegin. „Nur eine Person?“, fragt sie nach. „Anderthalb“, korrigiere ich, und streichele über das Kissen unter meinem Kleid. „Natürlich.“ – „War gar nicht geplant“, erzähle ich im Plauderton, „aber schwupps, war ich schwanger.“ Sie lächelt verständnisvoll. Oder schlicht professionell?

Ausnahmsweise dürfe sie mir das Deluxe-Zimmer schon für 150 Euro inklusive Frühstück anbieten – weniger, als das Standardzimmer ohne kostet. Mehr könne sie mir leider nicht entgegenkommen, bedauert sie. Ich zucke zusammen, sie sieht mich fragend an. „Nur so ein Ziehen“, erkläre ich, wieder die Hand am Bauch. Selbstverständlich dürfe ich mich hier in jedem Fall etwas ausruhen, sagt sie, vielleicht ein Glas Wasser trinken? Ich lehne dankend ab, sage, ich werde es mir überlegen und mich noch mal nach anderen Möglichkeiten in der Gegend umsehen. Sie bittet mich, meinen Namen aufzuschreiben, damit die Kollegen Bescheid wissen. Auf das Papier mit Briefkopf, das sie mir hinschiebt, schreibe ich „Maria von Nazareth“. Hat sie es gelesen? Begriffen? Sie lässt sich nichts anmerken, verabschiedet mich ebenso höflich, wie sie mich empfangen hat.

"Soll ich einen Arzt rufen?"

„Sind Sie Mitglied bei uns?“, werde ich im stylischen Soho House in der Torstraße gefragt. „Außer der Kirche gehöre ich keinem Verein an“, verneine ich. „Es können auch gerne Tiere mit im Zimmer sein, ich habe keine Allergie.“ Der sympathische junge Mann hinter dem Tresen guckt irritiert, kommt dann offenbar zu dem Schluss, mich missverstanden zu haben. „Tut mir leid, Hunde und sonstige Haustiere sind bei uns nicht gestattet“, sagt er. 180 Euro. „Gibt es wirklich keinen anderen Raum in der Herberge?“, hake ich nach. Jetzt meine ich einen leichten Akzent aus der Antwort herauszuhören – vielleicht ist der Mann kein Muttersprachler. Er könne mir gern eine Jugendherberge heraussuchen, sagt er. „Aber ich mag nicht mehr laufen“, entgegne ich.

Der Concierge beugt sich vor und deutet auf die andere Straßenseite. Dort gebe es die Hotels H2 und H4. „Die sind etwas mehr Business, aber total in Ordnung. Und günstiger“, weiß er. Draußen hat wieder Schneeregen eingesetzt. Es ist windig und ungemütlich. Müde blicke ich auf meinen unechten Bauch. Im nächsten Moment bietet der nette Empfangsmitarbeiter an, mich hinüberzubegleiten. „Oder soll ich einen Arzt rufen?“, erkundigt er sich plötzlich, offenbar ernsthaft besorgt. Sein Blick gleitet skeptisch an mir hinunter. Ich springe rasch in die Straßenbahn.

Dieser Text erschien zuerst am 24. Dezember 2017 im Rahmen der Kolumne „Maris Hubschmid traut sich was“ in der gedruckten Sonntagsbeilage.

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