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Nena.

© Alexander-Huseby / AD

Interview mit Nena: „Ich lief mit Affenmaske durch die Rezeption“

Ihre heimliche Affäre mit Udo Lindenberg? Die Menopause? Und warum heiratet sie eigentlich nicht? Kein Problem: Nena mag intime Fragen.

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Nena, 56, hat im Laufe ihrer langen Karriere 25 Millionen Tonträger verkauft, damit ist sie eine der erfolgreichsten deutschen Künstlerinnen. Gabriele Susanne Kerner, so heißt Nena mit bürgerlichem Namen, stammt aus Hagen, hat vier Kinder und lebt mit ihrer Familie in Hamburg-Rahlstedt. Zuletzt war sie in der Fernsehshow „Sing meinen Song“ zu sehen, ihre aktuelle Platte heißt „Nena – Live at SO 36“. Im September geht sie auf Clubtour durch die USA. Wir treffen uns in einem Restaurant am Hamburger Flughafen, Nena und ihre Entourage sind in heiterer Stimmung. Zur Begrüßung sagt sie glücklich: „Oh, zwei Frauen!“ Dann schlägt sie ein Bein unter – und aus den verabredeten 90 Minuten werden zwei Stunden.

Nena, woher haben Sie eigentlich Ihr Timing?

Na, ich bin halt auch Schlagzeugerin. Ich mach’ einfach einen straighten Beat, und den kann ich auch sehr gut halten. Warum?

Auf Ihrer Tour rappen Sie gerade Samy Deluxes „Fantasie“. Sehr anspruchsvoll.

Fünf Monate habe ich geübt, mit Unterbrechungen. Beim Spülen, Aufräumen, Staubsaugen. Bei so einem langen Text …

… 675 rasend schnelle Wörter, „99 Luftballons“ hat 185 …

… muss man die Geschichte erfassen. Was labert der da eigentlich? Zuerst wollte ich die zweite Strophe weglassen – eine Männer-Strophe, in der es ums Koksen geht. Ich lernte die erste und dritte Strophe, und dann dachte ich: Komm, die zweite geht auch noch. Die eigentliche Arbeit an dem Song war die Phrasierung und der Flow, das Timing eben. Ihr könnt mich nachts wecken und mir ein Keywort hinschmeißen, ich ratter’ euch das sofort runter: „Wär’ der Beat meine Ehefrau, dann wäre ich Ike Turner / Ich reim’ Wörter, leb’ in einer Welt voller Einhörner …“

Wie läuft es sonst mit der Zeiteinteilung in Ihrem Leben?

Ich bin auf Zack, habe einen klassischen Papier-Kalender, beantworte brav meine E-Mails. Meine Arbeitswelt ist ja nicht getrennt von meinem restlichen Leben. Ich war kürzlich eine Woche auf El Hierro, einer kleinen Vulkaninsel mit schwarzem Glitzerstrand. Da war ich raus aus der Internetwelt. Ich fühle mich dort komplett rein und echt. Eine Woche nicht duschen, nicht schminken. So ähnlich geht es mir, wenn ich an der Nordsee bin.

Weil es auf den Kanaren so stürmisch ist?

Es ist mehr das Gefühl, auf einem anderen Planeten zu sein. Du fährst auf den Krater hoch – und da ist schwarze Erde, Nebel, Wind. Mit acht Leuten haben wir den Abstieg vom Kraterrand gewagt, auf Lava-Sand, da konntest du runtersurfen. Und wenn du unten bist, bist du plötzlich im tiefsten Dschungel und musst dich durch Brennnesselfelder, Lianen, Sträucher graben. Ich liebe es.

Ihr Vater ist Sportlehrer gewesen. Haben Sie seine Fitness geerbt?

Ich laufe jeden Tag eine Stunde mit einer Freundin durchs Naturschutzgebiet. So langsam, dass wir von Fußgängern überholt werden, kein Scheiß. Wir sind eigentlich Hausfrauen, die tratschend mit den Hunden eine Stunde durch den Wald gehen, manchmal auch rückwärts. Wir reden über alles, die kaputte Spülmaschine, den Job. Ein Freund meinte neulich: „Ihr tippelt ja nur!“ Genau, so auf dem Vorderfuß, ganz langsam und beschwingt.

Sie haben keine Lust auf Wettkampf.

Ich hab’ keinen Bock auf Leistung. Sobald das Gefühl aufkommt von „Ah, das macht keinen Spaß mehr“, bin ich raus.

Haben Sie die Hunde eigentlich nur, weil die so schön haaren? Damit Sie öfter staubsaugen können?

Ich sauge wirklich sehr gerne Staub, woher wisst ihr das?

Nena muss immer Socken suchen

Was ist denn das Gute daran?

Dass man sofort ein Ergebnis sieht. Das ist genial!

Nur, wenn es schön schmutzig ist.

Es gab auch Zeiten, in denen ich es so geliebt hab’, dass ich immer extra ein paar Krümel hingeschmissen habe. Kennt ihr den Effekt? Es ist derselbe, wie morgens ins Auto zu steigen und die verregnete Windschutzscheibe einmal mit dem Scheibenwischer frei zu machen. Ein gutes Gefühl.

Sind Sie ein ordentlicher Mensch?

Ja. Wenn ein Familienmitglied etwas sucht, werde immer ich gefragt. „Wo sind meine Socken?“ – „Wo ist der Koffer?“ – „Hast du mein Dings gesehen?“ Zwischendurch regt mich das auch mal auf.

Sachen suchen macht niemandem Spaß.

Doch, meinem Mann. Der findet alles, das ist ganz romantisch. Hier: Dieser Schlüssel mit dem roten Band, der war weg. Und plötzlich schickt mir Philipp ein Foto. Er ist wieder da!

Was darf man bei Ihnen zu Hause nicht?

Unser Zusammenleben läuft sehr respektvoll, da muss ich erst mal überlegen … Seit zwei, drei Jahren habe ich meine Söhne und deren Freunde zum Glück so weit, dass sie ihre Betten selber abziehen und das Bettzeug vor die Waschmaschine legen. Die sind auch alle cool, machen Musik und chillen.

Ihre jüngeren Söhne leben daheim. Ziehen die bald aus?

Einer war schon ausgezogen, das hat’s schon mal gegeben. Meine Tochter ist auch mit 17 nach St. Georg gegangen, weil sie Rahlstedt, wo wir seit 22 Jahren wohnen, einfach schlimm fand. Dann wurde sie schwanger, und Rahlstedt wurde wieder ganz sexy. Sie hat mit 19 ihr erstes Kind bekommen, da war es schön, nach Hause zu kommen. Larissa hat ihre beiden Kinder in unserem Familienhaus geboren. Wir durften alle dabei sein. Es war ziemlich abgefahren, das muss ich schon sagen.

Nena liebte als junge Frau Mittwoche - warum?

Auftritt: WWF-Club. Nena auf einer undatierten Aufnahme aus den 80er-Jahren.
Auftritt: WWF-Club. Nena auf einer undatierten Aufnahme aus den 80er-Jahren.

© dpa

Können Sie streng sein?

Sehr gut. Ich mag Strenge im Sinne von Klarheit. Stopp-Schild hoch, wenn meine Grenze erreicht ist.

Haben sich Ihre Zwillinge als Teenager gegen Sie verbündet?

Nee. Ich bin froh, dass ich nicht alles mitbekommen habe, was die als Teenager gemacht haben.

Es war nie notwendig, eine Front zu bilden?

Nie. Die Pubertät ist eine spezielle Zeit, doch man kann das auch leben ohne dieses „Die grenzen sich dann komplett ab“. Deswegen mag ich auch keine Erziehungsratgeber. Hey, Kinder sind Menschen, sie sind alle verschieden. Es gab auch Phasen, in denen ich über meine Kinder dachte: Die sind jetzt ganz woanders. Wir haben nie unsere Verbundenheit verloren, haben einfach Bock aufeinander.

Sie selbst haben als Teenager in Hagen vor der Musiktruhe gelegen und sich weggeträumt.

Mache ich heute noch! Meine Eltern hatten mir ein eigenes Zimmer unter dem Dach angemietet, es war günstig, ohne Klo und so. Ich war da oben für mich. Als ich das erste Mal „Angie“ hörte, war ich zwölf. Dann kam Black Sabbath, „Paranoid“, Neil Young. Die Musik trug mich irgendwohin, wo es ganz andere Sachen gab als Hagen und mein Zimmer. Und der beste Tag war Mittwoch.

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Wieso das?

Da war Disco im Jugendheim Hagen-Haspe. Auf der Tanzfläche konnte ich nie genug kriegen. Ein paar Jahre später bin ich genau so entdeckt worden: Der Rainer Kitzmann tippte mir im „Madison“ von hinten auf die Schulter – was ich nicht mag, das Gefühl ist eklig. Beim ihm war’s okay. Er fragte: „Willst du mit mir ’ne Band gründen?“

Sie haben gar nicht gesungen, sondern getanzt.

Ja, eben! Zwei Tage später war ich im Proberaum und habe Ramones-Stücke in ein altes Shure-Mikrofon gesungen.

Ein Ausverkauf der Werte, wenn es heute bei H&M Ramones- und Stones-Pullis für Kleinkinder gibt?

Es kommt darauf an, mit welchem Gefühl man so ein Shirt kauft und trägt.

Sie haben die 80er erlebt, dann das 80er-Revival. Sie haben die 90er erlebt, nun das 90er-Revival. Was ist schlimmer, Mom-Jeans oder brauner Lippenstift?

Ich mag Revivals. Das bedeutet, dass diese Energie lebt und Menschen sich gern an Sachen erinnern, die ihnen was bedeutet haben.

Achselhaare sind auch wieder da. „Free your pits“ heißt die Bewegung, angeführt von Madonna und Miley Cyrus.

Ich hab’ da ja durchaus einen Trend gesetzt. Im September spiele ich eine Clubtour in den USA, und heute unter der Dusche dachte ich daran, ob die mich darauf ansprechen werden. Soll ich lügen oder die Wahrheit erzählen?

Wahrheit.

Ha! Ich hatte keine Ahnung! Meine beste Freundin rasiert sich bis heute nicht. Da kann ich kaum hingucken, und ich war selbst mal so drauf. Wir kennen uns, seit wir zwölf sind. Es gibt viele lange Verbindungen in meinem Leben. Mein Mann: 22 Jahre. Hättet ihr mir das früher gesagt!

Hätten Sie sich dann darauf eingelassen?

Ja, mit dem Typen auf jeden Fall. Der fordert mich. Und wir geben uns gegenseitig Raum.

Geheiratet haben Sie nie?

Nä.

Warum nicht?

Ich finde es nicht total abwegig, zu heiraten. Vielleicht machen wir das auch irgendwann mal. Bisher war das einfach nicht dran.

Hier redet Nena über die Menopause ...

Nena und Udo Lindenberg 1997.
Nena und Udo Lindenberg 1997.

© picture alliance / dpa

Nena, Sie haben ein Schleich-Tier in der Hand: einen Gorilla mit Baby auf dem Rücken …

… der steht bei mir auf der Kommode. Ich lieb’ den einfach so und dachte, wäre gut, wenn er heute in meiner Tasche ist.

Sie haben fünf Kinder bekommen, jetzt sind Sie 56. Wie erleben Sie die Hormonschwankungen Ihrer Menopause?

Das ist ein Prozess, der über Jahre geht. Mir kommt zugute, dass ich ein super emotionaler Mensch bin. Männer können das nicht verstehen, doch ich kann mit diesen Flashs gut umgehen. Weil ich schon so viele Kämpfe mit mir selber hatte, so viel Schmerz und Wut. Dieses Von-null-auf-100 ist Teil meines Lebens, das ist wie eine Blutzuckerspitze. Wechseljahre, Years of Change … das erinnert mich an Klaus Meine. Ihr wollt wirklich wissen, wie meine Wechseljahre sind?

Ja.

Also, das mit dem Kinderkriegen hätte von mir aus nie aufhören müssen. Doch das ewige Loslassen-Lernen, das man mit Kindern erlebt, bereitet einen gut darauf vor. Man kann nichts festhalten, das ist der Dauerschmerz für mich. Irgendwann war es tatsächlich so, dass ich dachte: Es ist cool, Enkelkinder zu haben, es ist auch cool, sie immer wieder in die Hände ihrer Eltern zu geben. Das ist eine andere Lebensphase, jetzt ist alles im grünen Bereich.

Und wenn das Haus leer wäre?

Ich hatte eine Phase, da hab’ ich mir meinen Mann Philipp am vollbesetzten Küchentisch angeschaut. Könnte ich jetzt eigentlich mit dem allein sein, was würden wir uns erzählen? Diese Sorge ist komplett weg. Nach und nach gehen welche, dann kommen sie zurück und bringen Neue mit.

Wie küsst Udo Lindenberg?

Sie haben mal gesagt, Sie hätten vor zwei Sachen Angst: der Höhe und dem Alleinsein.

Höhenangst, ja. An der Kante stehen und zehn Meter weiter unten tobt das Meer – kann ich nicht. Alleinsein dagegen gut, doch. Seit Februar meditiere ich, wann immer es geht, morgens um fünf Uhr für eine Stunde. Da komme ich in eine Schwingung, die mir richtig gut tut. Das beruhigt mein gesamtes System … hey, was erzähle ich für intime Geschichten?!

Über Ihre Affäre mit Udo Lindenberg haben Sie beide nur einmal kurz gesprochen …

… ha! Ich liebe intime Fragen! Was haben wir denn da gesagt?

Dass Sie Geheimagenten waren und sich verstecken mussten. Und dass Lindenberg gut küsst.

Kennt ihr das Projekt „Band für Afrika“?

Das war 1985, Wolfgang Niedecken hat den Titelsong „Nackt im Wind“ geschrieben.

Ich steh’ da so am Check-in in Tegel, will nach München und den Song aufnehmen, da seh’ ich aus den Augenwinkeln Udo in einem langen grünen Vopo-Ledermantel. Ich war ihm nie begegnet, deutsche Stars haben ja damals geätzt über uns.

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Aus Neid?

Wer kam denn aus jedem Land der Welt mit einer goldenen Schallplatte nach Hause? Wir! Jedenfalls sage ich zu meiner Freundin: „Oh! Mein! Gott! Da kommt Udo Lindenberg. Der Sack!“ Doch dann kam er schon angeschlurft, es war von der ersten Sekunde an süß, charmant und witzig. Wir haben das alles heimlich durchgezogen.

Das ging bei so Prominenten?

Ich bin im Interconti mit einer Affenmaske durch die Rezeption. Auf Sylt bin ich nachts in die Hotels geschmuggelt worden, mit einer Decke über dem Kopf, oder war es Timmendorf? Wie plötzlich der Zimmerkellner reinkam, und ich musste mich unter einem Tischchen verstecken, die Tischdecke ging bis auf den Boden …

Warum hat Lindenberg sich nicht versteckt?

Mir hat’s Spaß gemacht. Ich war damals der größere Popstar und konnte komplett anonym bleiben. Erwischt worden wären wir einmal beinahe vom damaligen „Bravo“-Chefredakteur, der in London in der Hotellobby stand, als wir nachts Rollschuh fahren wollten. Ich sprang hinter den Samtvorhang … Das war schön aufregend –  ein Jahr lang. Dann wurde es langweilig.

Werden Sie heute von Paparazzi verfolgt?

Kaum noch. Das ganze Thema ist total albern! In den 80ern saßen die Fotografen wirklich klischeemäßig hinter der Mülltonne. Total beknackt.

Und der lustigste Yellow-Press-Titel mit Ihnen?

Ich lief hochschwanger über den Ku’damm und sah so eine Frauenzeitschrift am Kiosk liegen mit zwei Babyfotos drauf: „Nenas Zwillinge sind geboren!“

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