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Vier-Sterne-Herberge: Das Myer’s Hotel in der Metzer Straße bietet 50 stilvolle Zimmer.

© Myer's Hotel Berlin/Facebook

Hotelkolumne: In fremden Federn: Gipfelfeeling in Prenzlauer Berg

Von außen sieht das Myer’s Hotel wie ein normaler Berliner Altbau aus. Aber wer hat zu Hause schon ein Arbolyrikum.

Wie grün der Prenzlauer Berg hier ist! Eine Promenade, mitten auf der kopfsteingepflasterten Metzer Straße. Wie englisch das Zimmer wirkt! Als hätte man sich ins Zeitalter Queen Victorias verirrt, die es gern dunkel hatte. Schwer die Vorhänge und das Mobiliar, die Tapeten voller Blüten. Die Wärmflasche kommt auf Bestellung. Selbst das Apostroph ist britisch: Myer’s Hotel.

Seit 2000 gibt es das, für Berliner Verhältnisse eine halbe Ewigkeit. Mit der Stadt verändern sich die Gäste, werden immer internationaler, Chinesen, Inder, Australier. Im Frühstücksraum zahllose Bilder an der Wand, Petersburger Hängung, dicht an dicht. Wechselnde Ausstellungen, Vernissagen, Finissagen, Lesungen, Konzerte, man will mehr als Bettenanbieter sein, Ort der Begegnung und Kultur. Zu Filmfestivals werden Zimmer gesponsert.

Im bayerischen Gasthaus nebenan stürzt sich eine japanische Familie auf knusprigen Leberkäs’, pikanten Obazda und das Spreewälder Bier. „We need to get Spätzle“, sagt eine Amerikanerin zu ihrem Freund. „And you have the Knödel.“

Abends kann man sich in die Baumliteratur vertiefen

Wer den Dschungel des Wasserturmgeländes hochsteigt, landet auf einem romantischen Plateau. Auf Augenhöhe mit den oberen Stockwerken der umliegenden Altbauten sind alle Bänke belegt. Gipfelfeeling. Man spricht auch bayerisch. Im englischen Buchladen liegt ein Wörterbuch aus: „German for Artists“. In der Fahrschule kann man den russischen Führerschein machen. So geht es immer weiter, Tibet meets New York. Nur das Restaurant „Seeblick“ verspricht, was es nicht halten kann. Ein Vater trägt sein Kind in den Schlaf.

HOTEL. Gelb leuchten die Buchstaben dem Gast entgegen, damit er den Weg zurück ins Bett findet. Von außen sieht das Myer’s wie ein normaler Berliner Altbau aus, mehr Zuhause als Vier-Sterne-Herberge. Aber wer hat zu Hause schon ein Arbolyrikum, eine Galerie der dichtenden Bäume, ein Kunstwerk, in das man sich, im roten Ohrensessel sitzend, lesend vertiefen kann.

Am nächsten Morgen, beim Frühstück im Garten, landet man wieder in Preußen. Vom Brötchen fällt der Blick auf den „nicht zuständigen Beamten“, dürre Beine, dicker nackter Paragraphenbauch, Dreispitz auf dem Kopf. Eine Skulptur unter Bäumen. Der Brunnen plätschert. Noch grüner ist der Leise-Park, ein paar Schritte weiter, Friedhof, Spielplatz und Grünanlage zugleich. Dort liegen auch jene, die nie spielen konnten. „Unser einziger Sohn und Enkel, innig geliebt, schmerzlich vermisst“, 1951 geboren, 1952 gestorben.

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