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Im Straßencafé am Kollwitzplatz. Der Spatz gilt als der häufigste Vogel in unseren Breiten, doch er wird immer seltener.

© Robert Schlesinger/dpa

Berliner Schnauzen: Wir sollten einen Deal mit den Spatzen eingehen

Spatzen bedroht! Der natürlichste Feind des Spatzes: der leere, blank geputzte Teller. Blöde, gierige, nichtsnutzige Menschen! Dabei könnten wir so ein tolles Team sein!

Der natürlichste Feind des Spatzes ist der leere, blank geputzte Teller. Es gibt schon auch noch Habichte, Sperber, Falken, die es auf ihn abgesehen haben. Aber in der Regel ist der Spatz mit seinem Spatzenhirn viel zu clever, um gegen die Bösen zu unterliegen. Ein leerer Teller jedoch, kein Kuchenrest, kein Pizzarand, das treibt ihn schier in den Wahnsinn, dann pickt er und pickt er, oder pickt die Spätzin, und findet nichts. Und wofür hat er sich dann ins Gartenrestaurant bemüht? Blöde, gierige, nichtsnutzige, egoistische Menschen.

Um den Spatz zu besuchen, muss man sich nicht in den Zoo oder den Tierpark bewegen, da ist er zwar auch, aber nicht zum Bestaunen hinter Volieren, sondern allgegenwärtig. Spatzen sind gesellige Wesen, menschenfreundlich, sofern der Mensch Essen vor sich hat. Kuschelig ist der Vogel nicht, wenn man ihn streicheln will, während er gerade die Brotkrumen vom Teller aufpickt, wird er, auch die Spätzin, zickig und flattert zum nächsten Teller.

Der Bestand ist stark rückläufig

Der Spatz aber, man merkt das kaum in Berlins Gartenrestaurants, auch nicht an allen Imbissständen in Zoo und Tierpark, der Spatz – wir verzichten jetzt mal auf das politisch korrekte Spatz/Spätzin – wird seltener. Der Bestand sei stark rückläufig, sagt Martin Kaiser, Vogelkurator im Tierpark.

Es gab mal vor Jahren im Fernsehen eine Kinderserie, die hieß „Der Spatz vom Walraffplatz“. Der Held war ein kleiner, immer frecher, immer munterer, immer witziger und immer trickreicher Mitbewohner der Stadt Köln am Rhein. Wenn so einer Titelheld einer Fernsehserie wird, muss er schon allgegenwärtig sein, was seinem grundsätzlich kosmopolitischen Wesen entspricht, der Spatz als solcher kennt keine Grenzen, er treibt sich überall auf der Welt herum.

Doch wenn man in diesen Tagen zum Beispiel auf die Kölner Domplatte tritt oder gar auf den Walraffplatz, muss man schon ein wenig blind sein, um die Verringerung des Bestandes zu übersehen. Es stimmt, sagt der Vogelkundler Kaiser, der Spatz, dieses hüpfende, flatternde, mutige Kerlchen könnte bald eine bedrohte Art sein. Warum? Das, sagt Kaiser, während so eine Hundertschaft von Spatzen sich im Tierpark am Brot zur Bratwurst des Besuchers zu schaffen macht, hat in den Ballungsgebieten viel mit der Architektur zu tun. Sie biete keine Nestmöglichkeiten mehr, somit keine Brutplätze. Mit den Falken, den Sperbern, den Habichten, werde der Kleine schon fertig, nur was, wenn es ihn gar nicht mehr gibt?

Ihr Spatzen dieser Welt, vereinigt euch

Aber draußen, auf den Feldern und Äckern, da kann er brüten und aufziehen, oder? Tja, da werden Pestizide versprüht. Die töten die Insekten, und auch wenn wir das in diesem Jahr mit seiner Mückenplage nicht gespürt haben, die Insekten werden dadurch weniger. Die Insekten aber sind neben den Brotkrumen die wichtigste Grundlage für den Speiseplan der Spatzen.

Könnten wir Menschen – gerade nach diesem zerstochenen Sommer – nicht einen Deal mit den Spatzen eingehen? Also, ihr Spatzen dieser Welt, vereinigt euch, und haltet uns diese vermaledeiten Stechmücken vom Hals. Im Gegenzug bieten wir euch Brotkrumen, Kuchenreste, Pizzaränder auf Lebenszeit. Herrje, ihr habt doch auch nichts davon, sondern nur leere Teller, wenn wir Menschen die Gartenrestaurants aus Angst vor dem Großangriff der Mücken meiden wie die Pest.

Lebenserwartung:  Zwei bis drei Jahre

Natürliche Feinde:  Der Mensch, der leere Teller

Interessante Nachbarn: Gartenrestaurants, Biergärten

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