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Zwergotter Mörmel im Zoo Aue

© dpa

Berliner Schnauzen (73): Der Zwergotter

Jahrelang rannten sie auf der Anlage herum, als hätten sie Speed genommen. Jetzt sind die kleinen Räuber ruhiger geworden.

Von Julia Prosinger

Es muss schlimm sein, das Altern. Ganz besonders dann, wenn man mal ein echter Partylöwe war. Ein Partyotter.

Nun aber liegen die beiden zwölfjährigen Zwergotter reglos ineinander gerollt. Ihre Schauzen sind grau, ihr einst wasserundurchlässiges Fell ist schütter. Auch ihre Sinne lassen langsam nach, sagt Reviertierpfleger Norbert Zahmel.

„Weißt du noch...?“, könnte die Alte den Alten gerade fragen. Damals? Das waren noch Zeiten! Als die ganze Familie, bevor sie auf die anderen deutschen Tierparks verteilt wurde, wie auf Speed im angesagtesten Gehege des Zoos feierte. Ottermutter, Ottervater, Otterkinder. Otterorgie. Von Weitem zu hören. Die Raver vom Zoo. Einer schüttelte sich wie beim epileptischen Anfall, der nächste schattenboxte im Zeitraffer, zwei düsten durch den flachen Bachlauf um die Wette und kreischten wie Groupies beim Konzert.

Sind Otter schwere ADHS-Fälle?

Ab und an gehörte auch das Ausbüchsen zu einer richtig guten Fete. Occupy Zoo! Bis die Pfleger die grauen Mauern schließlich unerreichbar hoch bauten und selbst die kraftvollsten Klimmzüge und gekonntesten Hochsprünge der Tiere ihnen nichts mehr nützten.

Sind Otter hyperaktive Zappelphilippe oder gar schwere ADHS-Fälle? „Die wollen nur Spaß“, sagt Zahmel. Sind eben so verspielt. Man hat schon Otter Tischtennis spielen sehen.

In der Natur, in den Tropen Südostasiens, feiern die Zwerge ihre ausschweifenden Gelage oft in Mangrovenwäldern und überfluteten Reisfeldern. Wenn sie genug haben, tauchen sie ab. Die Ohren können sie, wie Nashörner, wasserdicht verschließen.

Die meiste Zeit verbringt diese kleinste Otterart aber an Land. Sie wird etwa 60 Zentimeter lang, ein Drittel Otter ist Schwanz.

Die Exemplare im Zoo sind verwöhnte Großstadtkids. Ihr Leben verlief vergleichsweise harmlos. Weder mussten sie sich jemals – wie ihre Verwandten die Seeotter – nachts im offenen Meer auf dem Rücken liegend an den Händen halten, auf dass keine Strömung sie auseinandertreibe. Ihre Mütter mussten sie zu diesem Zwecke auch nicht in Algen einwickeln.

Außerdem haben die Zwergotter im Zoo in ihrer Jugend niemals kleine Robbenbabies zu Tode vergewaltigt – wie man es von den Seeottern hören muss (Es heißt gar, sie vergingen sich an Leichen!). Noch wurden sie von Killerwalen gejagt oder vom eigenen Vater als Geisel genommen, bis die Mutter sie mit Futter als Lösegeld befreite. Kommt im echten Leben vor.

Nicht einmal im Dreck aufgewachsen sind sie: Wilde Zwergotter hingegen sind Schlammgeborene. Die Eltern legen im Matsch einen kleinen Bau für die ersten Tage an.

Und anders als ihr Großcousin der Riesenotter haben die aufgekratzten Zwergotter im Zoo niemals eine Putzfrau ins Koma gebissen (so geschehen im Tierpark Hagenbeck). Auch die Berliner beißen jedoch gern mit starken Kiefern, Otter sind Raubtiere.

Die alten Otter im Zoo, absolut monogam und genetisch von jeglichem Inzest abgeturnt, sterben derzeit aus. Vielleicht Absicht? Zwergotter sind nämlich schweineteuer. Oller Fisch reicht ihnen nicht. Sie ernähren sich bevorzugt von Taschenkrebsen, Riesengarnelen und Miesmuscheln.

Lebenserwartung:  15 Jahre

Fütterungszeiten:  täglich gegen 12 Uhr
Interessanter Nachbar:  Seelöwe

Reifer Raver: der Zwergotter.
Reifer Raver: der Zwergotter.

© Illustration: Andree Volkmann

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