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Schön sieht anders aus: der Emu.

© Illustration: Andree Volkmann

Berliner Schnauzen (57): Der Emu

Der Hahn hat keine leichte Aufgabe: 60 Tage sitzt der Laufvogel auf den Eiern und darf weder rennen noch essen. Kein Wunder, dass er abnimmt.

Ausgedünnter Kamm auf dem Kopf, langer dürrer Hals, drahtiger Rumpf – so sieht ein erfolgreicher Emu-Hahn aus. Allerdings auch ein gestresster. Das Männchen hat im vergangenen Jahr fünf Kilogramm verloren, ganz normaler Brutstress, es wiegt nur noch 50. Dafür sind aus den beiden Küken inzwischen halbstarke Racker geworden, die ihren Vater fast überragen.

Reviertierpfleger Christian Möller sagt: „Es geht immer um die Eier.“ Denn anders als bei ihren Verwandten, den Afrikanischen Straußen, brütet der Hahn die 15 Eier allein aus. Er hockt bis zu 60 Tage auf dem Gelege, frisst während dieser Zeit nicht und steht nur nachts kurz auf, um etwas zu trinken. Eine Fastenkur für den Arterhalt.

Damit der Hahn nicht weit laufen muss, legt die Henne ihre Eier nahe einem Gewässer im Schilf ab. Und zwar dunkelgrüne zwölf Zentimeter große, die so perfekt getarnt sind. Das ist allerdings der einzige nennenswerte Beitrag des Weibchens zur Aufzucht. Danach verlässt sie Hahn und Gelege und geht munter ihres Weges zurück in die australische Graslandschaft.

Nur in besonders seltenen Fällen begeht sie nach getaner Arbeit einen Familienmord à la griechische Tragödie. Auf Kangaroo Island wurde ein Emu-Paar auf einer Farm zusammen gehalten. Als der Hahn auf dem Gelege saß, attackierte die stärkere Henne (kein Brutstress) ihn mit den scharfen Krallen an ihren Zehen, verletzte ihn tödlich und zertrampelte anschließend ihre eigenen Eier.

Im Zoo hat Christian Möller so ein Verhalten noch nicht erlebt. Der Hahn, erzählt er, sei sogar dermaßen zutraulich, dass er im Beisein der Pfleger sein Gelege verlasse, so dass diese die Eier zählen können. In freier Wildbahn würden die Laufvögel einen Eindringling angreifen, auf den Gegner zulaufen und mit ihren kräftigen geschuppten Beinen nach vorne austreten. „Die suchen den Frontalangriff“, sagt Christian Möller. Zumal die Vögel gut sehen und hören können. Die großen Augen und sichtbaren Ohrmuscheln (mit herauswachsenden Haaren) belegen das. Viele Tiere machen deshalb einen Bogen um brütende Emus, höchstens ein unerfahrener Dingo oder ein neugieriges Känguru fordert die urtümlich aussehenden Vögel heraus. Wenn es um ihre Eier geht, kennen Emus keinen Spaß.

Und sie können launisch sein, sagt der Reviertierpfleger. Die kleinen Parma- kängurus, die mit den Emus das Zoogehege nahe der Spanischen Botschaft teilen, flüchten manchmal vor den flugunfähigen Vögeln, weil diese sie aus Spaß jagen. Die Emus üben vermutlich für den großen Tag, wenn der Nachwuchs zu erwachsen wird. Nach zwei Jahren beginnen die jungen Hennen selbst Eier zu legen, unbefruchtete selbstverständlich. Das ist der Zeitpunkt, an dem das Elternpaar sie aus ihrem Revier vertreiben würde – mit Krallen und Zehen.

In freier Wildbahn könnten junge Emus durch einen Fluss flüchten. Sie sind erstaunlich gute Schwimmer – trotz ihres grotesk unförmigen Körpers. Die Natur hat sie als einzige Straußenvögel mit einem Federkiel ausgestattet, aus dem zwei Federn wachsen – wie bei einem Farn, bei dem sich die Sprossachse teilt. Dadurch wird ihr Gefieder dichter, es weist Wasser und Kälte besser ab.

EMU IM ZOO

Lebenserwartung:  20 Jahre

Fütterungszeiten:  täglich abends

Interessanter Nachbar: Parmakänguru, Japanischer Serau, Wasserschwein

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