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Noch ist er süß: Baby eines Sibirischen Tigers.

© Illustration: Andree Volkmann

Berliner Schnauzen (50): Der Sibirische Tiger

Er ist die größte Unterart des Tiger und lebt gar nicht mehr in Sibirien. Dort haben ihn nämlich Menschen, Pipelines und Straßen vertrieben.

Alisha, der Name klingt nach einer R&B-Sängerin, die Liebeslieder gurrt. Diese Schönheit, die sich auf den Holzhäckseln rekelt, faucht aber. Noch nicht laut, dafür ist sie mit zehn Wochen zu jung, zu verspielt, zu unbefangen. Aber wenn aus Alisha ein ausgewachsener Sibirischer Tiger wird, 130 Kilogramm Gewicht (bei Männchen bis zu 200), zwei Meter lang, bis zu 1,10 Meter Schulterhöhe, mit scharfen Reißzähnen und weniger Puschelohren, dann kann sie schon mal furchterregend fauchen.

Im Moment stürzt sich Alisha auf einen braun-weißen Plüschhund. Den hat Kurator Christian Kern extra für sie in einem Geschäft gekauft, nachdem entschieden wurde, dass das Mädchen weiter mit der Flasche aufgezogen werden muss. Die Mutter produzierte zu wenig Milch, nach zwei Wochen verlor ihr Nachwuchs ständig an Gewicht. „Es bestand die akute Gefahr, dass sie verhungert“, sagt Christian Kern.

Also gab man Alisha seitdem die Flasche, vor allem Stammpflegerin Angelika Berkling tat das, Christian Kern kaufte ihr den Hund, an den sie sich die ersten Wochen im Schlaf kuschelte und den sie nun spielerisch zwischen ihren Pfoten hin und her wirft, ihn unsanft mit dem Maul packt und durch das gekachelte Gehege zerrt. „Jetzt sieht sie ihn schon als Beute und versucht, ihn wegzuziehen.“

Alisha ist erschöpft. Gierig trinkt sie Milch, anschließend frisst sie etwas Rindfleich, das sie seit der sechsten Woche bekommt. Drei Sibirische Tiger leben im Alfred-Brehm-Haus des Tierparks, 250 in europäischen Zoos und 450 in freier Wildbahn. „Eigentlich ist der Name falsch“, sagt Kern über die größte Unterart des Tigers. Die Großkatzen kommen nur noch in einem Gebiet an der russisch-chinesischen Grenze vor, nahe den Flüssen Amur und Ussuri. Die IUCN, die auch die Rote Liste bedrohter Tierarten erstellt, listet ihn als stark gefährdet.

Christian Kern ist froh, dass der Bestand in den vergangenen zehn Jahren wenigstens stabil geblieben ist. Vor einem halben Jahrhundert streiften nur 50 Tiere durch die Wälder. Sie sind Einzelgänger, ein Revier ist mehrere Hektar groß. „Da reicht die Fläche des Tierparks nicht aus“, sagt der Biologe. Tiger reißen Wildschweine, Hirsche – und stehen damit in Konkurrenz zu den Menschen. Diese ziehen außerdem Pipelines durch die Taiga, bauen Städte und Straßen, alles Einschnitte in das Biotop der Katzen.

„Die Tiger sind hochspezialisiert“, sagt Kern. Ihr Gebiss hat sich im Zuge der Evolution an das reine Fleischfressen angepasst. Im Gegensatz zu Bären haben sie weniger Backenzähne, auf denen Beeren oder Zweige gekaut werden, dafür scharfe Eckzähne, mit denen sie Beute reißen und zerteilen. Noch ist Tierpflegerin Angelika Berkling belustigt, wenn sich Alisha an ihren Hosen festkrallt und ihr mal in die Wade beißt. Ab der zwölften Woche etwa, erklärt Christian Kern, sei das nicht mehr möglich.

So lange bleibt Alisha gar nicht im Alfred-Brehm-Haus. Am Dienstag zieht sie in den Zoo Eberswalde um, wo sie mit einem zwei Monate älteren Tiger spielerisch lernen soll, was es heißt, eine gefährliche Katze zu sein. Aber alle Alisha-Fans können aufatmen: Ende Mai kommt das Duo dann für den Sommer in den Tierpark.

SIBIRISCHER TIGER IM TIERPARK

Lebenserwartung: bis 20 Jahre

Fütterungszeiten:  tägl. 12-13 Uhr

Interessanter Nachbar: Waldhund, Binturong, Jaguar

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