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Perfekte Savanne. Soweit das Auge reicht und über den Horizont hinaus bietet das Selous wilden Tieren Bewegungsraum.

© Kai Müller

Artenschutz in Afrika: Hilferuf der Wildnis

Es ist eines der größten Naturreservate der Welt: das Selous in Tansania. Jetzt drohen Wilderei, Uranminen und ein Staudamm, die Region für immer zu zerstören. Wie können die Tiere und der Busch überleben?

Der Hang ist steil, und der Jeep heult auf, bläst blaue Abgasschwaden in den Busch. Sie legen sich wie Morgennebel über die Landschaft. Meter um Meter rollt der Wagen über Steine, jeden einzelnen überwindend und weiter empor. Hebelt die Insassen aus ihren Sitzen. Lässt sie sich festkrallen. Der Ausblick oben bei Sonnenaufgang soll es wert sein.

Dann ist die Anhöhe erreicht. Und richtig. In der Ebene schlängelt sich der Rufiji-Fluss durch sein breites Bett und glüht im Widerschein des Morgenhimmels wie ein Lavastrom. Als würde er direkt aus der Sonne fließen.

Johannes Kirchgatter deutet auf das, was unter ihm liegt und sagt etwas sehr Dramatisches: „Hier hat es angefangen mit der Menschheit.“

Unter ihm liegt eine Wildnis, die sich weiter als der Horizont und über viele tausend Quadratkilometer ausbreitet. Von diesen ostafrikanischen Savannen aus begann der Homo Sapiens seine Wanderung und was er auch immer andernorts fand, von hier hat sich vor sehr langer Zeit zurückgezogen. Oder er wurde vertrieben. Als die ersten Europäer das Gebiet 1858 durchquerten, wunderten sie sich jedenfalls über die dünne Besiedelung.

Radioaktive Abwässer könnten die Region verseuchen

Da es kaum noch vorkommt, dass Menschen, obwohl sie es könnten, nicht vorkommen, ist diese Weite schon an sich eine Sensation. Von allem anderen scheint es im Übermaß zu geben. Palmenhaine an sumpfigen Tümpeln und von Schirmakazien überdachte Weiten. Laubwälder, die kahl und rostrot auf die Rückkehr des Regens warten, während Elefanten mit ihren Füßen im Sand trockengefallener Wasserläufe nach Feuchtigkeit scharren. Stattliche Büffelherden wirbeln Wände aus Staub in den Himmel. Die Weiten sind so reich an Zebras, Löwen, Warzenschweinen, Giraffen, dass Kirchgatter hier eines der edelsten Schöpfungsprinzipien erfüllt sieht: die „Produktivität“ einer sich selbst überlassenen Natur. Er kann nicht glauben, dass man eine so vollkommene Landschaft zerstören wolle, in der alles mit allem über Nahrungsketten und Ko-Evolution miteinander verknüpft ist.

Auch Kirchgatters Gehirn hinter der hohen, blassen Stirn ist mit dieser Natur wie verschmolzen. Als Afrika-Experte des WWF hat der 44-Jährige viel Zeit in dieser Gegend verbracht. Man merkt es an der Emsigkeit, mit der der Biologe und Geograf ihre Details studiert und ständig fremdartige Vögel mit dem Fernglas aufspürt. Manche schillern in Metallic-Farben wie lackiert.

Seit des Aufbruchs des Homo Sapiens vor mindestens 60 000 Jahren, sagt Kirchgatter, wolle der Mensch in diese, seine Ursprungsgefilde zurück. „Wir suchen und bauen diese für uns ideale Landschaft bis heute in unseren Parks und Gärten nach; mit offenen Grasflächen, Büschen und alleinstehenden Bäumen, mit Aussichtspunkten und Wasserflächen.“

Kirchgatter sagt das auf eine Weise, dass es wie ein Echo auf ein sehr altes Gefühl klingt. Ernest Hemingway hatte 1934 bei seinem Tansania-Trip dieselbe Sehnsucht gespürt: „Alles, was ich jetzt wollte, war nach Afrika zurückkehren“, dachte er, während er es noch gar nicht verlassen hatte. Er lag immer noch in seinem Safari-Zelt, wälzte sich auf seiner Pritsche, lauschte den Geräuschen des Landes „bereits voller Heimweh danach“.

Was kann diese zivilisationsmüde Sehnsucht nach dem Ursprünglichen ausrichten gegen das Verlangen nach Fortschritt? Ist sie nicht bloß ein sentimentales Gefühl?

"In den nächsten drei Jahren wird sich die Zukunft des Selous entscheiden“, sagt Johannes Kirchgatter.

Als Verkehrsmittel dienen Buschflieger, die von simplen Pisten starten und den Selous mit Daressalam verbinden. Flugzeit: 70 Minuten.
Als Verkehrsmittel dienen Buschflieger, die von simplen Pisten starten und den Selous mit Daressalam verbinden. Flugzeit: 70 Minuten.

© Kai Müller

Noch so ein dramatischer Satz. Erst Jahrtausende der Menschwerdung, dann drei Jahre bis zum Ruin?

Den befürchten Naturschützer, sollte die Regierung Tansanias alte Pläne wieder aufgreifen und stromaufwärts einen gigantischen Staudamm hochziehen, wie sie das in Konzeptpapieren immer wieder ankündigt. Ein enger Canyon des Rufiji würde sich anbieten für das Betonbollwerk und der Fluss über 1000 Quadratkilometer aufgestaut werden. Wie ernsthaft das Projekt verfolgt wird, ist unklar. Die Regierung betont, ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit durch Wasserkraft ausbauen zu wollen. Der Damm am Rufiji würde mit einer erwarteten Leistung von 2.100 Megawatt das Doppelte des jetzigen Stromaufkommens liefern. Stromtrassen würden die Landschaft überspannen, es würden breite Schneisen durch die Galeriewälder geschlagen, Straßen gebaut, Arbeiter und technisches Personal angesiedelt, der Wasserstand des Flusses würde technisch gesteuert, Nebenarme austrocknen. Und das wäre nur der Anfang.

Denn auch im Erdreich des Selous lagern große Schätze. Die Regierung hat Schürfrechte an zahlreiche Firmen vergeben, die sich die Erdgas- und Ölvorkommen sichern wollen. Zurzeit existieren diese Konzessionen nur auf dem Papier. Doch eine Uranmine im südlichen Abschnitt des Reservats hat bereits mit Probebohrungen begonnen. Sie ist in Besitz der russischen Atomwirtschaft, und die lässt sich Zeit mit der Förderung. Das könnte mit dem derzeit unsicheren Bedarf an diesem Rohstoff zusammenhängen. Die Risiken sind hoch: ausgerechnet an einem Oberlauf des Rufiji soll das radioaktive Material aus dem Gestein gespült werden – ähnlich wie beim Fracking. Nicht auszudenken, welche Folgen Unfälle und unvermeidliche Abwässer für das Flusssystem hätten.

Johannes Kirchgatter, Afrika-Experte des WWF, ist ein Kenner der Wildnis und glaubt an die "Produktivität" einer sich selbst überlassenen Natur.
Johannes Kirchgatter, Afrika-Experte des WWF, ist ein Kenner der Wildnis und glaubt an die "Produktivität" einer sich selbst überlassenen Natur.

© Kai Müller

Schon würden die in der Uranmine beschäftigten einheimischen Hilfskräfte heimlich Bruchstücke des „Yellow Cake“ aus dem Bohr-Camp schmuggeln und bei sich zu Hause unter dem Bett horten, erzählt ein Gewerkschaftsaktivist in Songea. Die Leute erwarteten, fährt er fort, das in dem brüchigen Gestein gebundene Uran selbst am Markt verkaufen zu können, sobald die Förderung einsetze. Über den Unsinn eines solchen Vorhabens und die Gefahren radioaktiver Strahlung habe die Minenarbeiter niemand aufgeklärt, sagt der Aktivist. Er wird einige Wochen später in Malawi verhaftet und verbringt vier Monate in Haft, nachdem er wegen unerlaubten Zutritts zu einer Uranmine verurteilt wird.

Wie passt das zusammen mit einem Naturreservat?

„Jede Wildnis ist sicher, solange nicht eine Menge Geld aus ihr herauszuholen ist“, befand Peter Matthiessen Anfang der 80er Jahre in seinem Reisebericht „Sand Rivers“. Der renommierte US-Autor durchquerte das Selous, als eine erste Wildererwelle nach dem Elfenbein griff, und Matthiessen sah das Paradies bereits damals dem Untergang geweiht, das die deutsche Kolonialverwaltung 1905 zum Wildschutzgebiet erklärt hatte und das von den Einheimischen fortan „Land der Ehefrau“ genannt wurde, weil es ein Geschenk des Kaisers an seine Frau gewesen war.

Großwildjäger Frederick Selous starb in einem Hinterhalt

Im Ersten Weltkrieg war die Region Schauplatz einiger Scharmützel zwischen britischen und deutschen Truppen, die zu nichts weiter führten, als dass im Januar 1917 der seinerzeit berühmte englische Großwildjäger Frederick Selous mit einem von ihm angeführten Haufen geradewegs in den Hinterhalt des Gegners lief und von einem deutschen Scharfschützen getötet wurde. Als die Briten Ostafrika nach dem Krieg übernahmen, wurde das Schutzgebiet nach ihm benannt, der mehrere Bücher über seine „sportlichen“ Jagd-Expeditionen ins Landesinnere geschrieben hatte. Vor allem sein Bericht "A Hunters Wanderings in Africa" soll die Romanfigur Allan Quatermain angeregt haben.

Selous‘ Grab befindet sich auf einem Hügel, von dem aus man das prächtige Land überblicken kann. Doch verdankt das Reservat vor allem C.J.P. Ionides seine beträchtliche Ausdehnung. Der frühere britische Armeeoffizier weigerte sich in den 30er Jahren, die Einheimischen gegen die Tiere zu verteidigen, die ihre Hütten beschädigten, das Vieh attackierten. Er sagte, dass sie sich besser woanders hin begeben sollten und bediente sich 1936 geschickt einer ausbrechenden Epidemie der Schlafkrankheit unter der Landbevölkerung, um die Grenzen des Schutzgebiets immer weiter auszudehnen. Heute findet sich in ganz Afrika keine Fläche, die größer und reicher an Tieren, Pflanzen, Landschaften wäre – und ärmer an Menschen. Fünf Prozent des tansanischen Staatsgebiets bedeckt sie, was den Ausmaßen Bosnien-Herzegowinas entspricht, 51 000 Quadratkilometer Steppe, Savanne und bis heute nahezu unbekannter Busch.

Denn trotz seiner Nähe zur Millionenmetropole Daressalam ist das Selous Game Reserve (SGR) weitgehend unerschlossen geblieben. Obwohl es dreimal so groß ist wie die Touristenattraktionen im Norden, Serengeti und Ngorongoro-Krater, ist sein Reiz vielen nicht bekannt. Im vergangenen Jahr kamen 25 000 Besucher, was nur ein Viertel des touristischen Aufkommens der berühmten Nationalparks ausmacht. Und die allermeisten waren Einheimische, die um diese Attraktion wissen. Der Zugang zu dem Reservat ist auch stark reglementiert. Nur einige Lodges bieten Unterkünfte an, Buschflieger landen auf notdürftig befestigten Pisten.

Nun also Minen, Bohrlöcher und ihre giftigen Abraumhalden, Beton, Turbinen, Stromleitungen, asphaltierte Highways.

Der Rufiji bahnt sich den Weg zur "Moskitoküste" Tansanias. Der Teil links vom Ufer ist Safari-Touristen vorbehalten, rechts liegen die Blöcke für Großwildjäger.
Der Rufiji bahnt sich den Weg zur "Moskitoküste" Tansanias. Der Teil links vom Ufer ist Safari-Touristen vorbehalten, rechts liegen die Blöcke für Großwildjäger.

© Kai Müller

Die Unesco hat das Weltnaturerbe Selous als „gefährdet“ eingestuft. Sie hat hingenommen, dass Tansania das Uranfördergebiet aus dem Reservat herausgestanzt hat, als gäbe es dafür eine eigene Schablone. Die deutsche Regierung überweist 18 Millionen Euro dafür, dass Flora und Tierwelt besser geschützt werden. Die Industrialisierung des Selous und der Verlust des Welterbe-Status’ hätte ein Ende dieser Förderung zur Folge. Für Kirchgatter ist dieses deutsche Steuergeld ein wichtiges politisches Argument in seinem Kampf.

Droht hier eine weitere afrikanische Tragödie, in der ein Land im Streben nach industriellen Ressourcen das Wertvollste zerstört, was es hat, und nach ein paar Boom-Jahren ausgeplündert dasteht? Oder ist das die Sicht europäischer Romantiker, die den Zukunftsplänen der einheimischen Eliten misstrauen? Wie misst man den Wert einer Wildnis?

Der Doktor glaubt an den wirtschaftlichen Fortschritt

„Abgeschnitten.“ Dieses Wort fällt Matomora Matomora ein, wenn vom Selous die Rede ist. Er stammt aus der Region südlich des Reservats, die zu den ärmsten Tansanias zählt. Die Naturschützer seien daran nicht ganz unschuldig, meint der große, gewichtige Mann, den sie hier Doktor nennen. Matomora sitzt an einer mit bunten Tüchern bedeckten Tafel der freikirchlichen Einrichtung in Milonde, die er leitet, seine dröhnende Stimme füllt den Raum. Der 72-Jährige ist ein riesenhafter Kerl mit prächtigem Bauch und mächtigem Schädel, geboren nicht weit von Milonde „in einer Ecke des Buschs, in der eine Hütte stand“, sagt er. Mit pfälzischem Dialekt.

In den späten 60er Jahren gelangte er auf Vermittlung der Kirche nach Heidelberg, wo er Medizin studierte und promovierte. Schließlich kehrte er in seine Heimat zurück, die von jeher eine „ungemütliche Gegend“ gewesen sei, wie er erzählt. Ort des blutigen Maji-Maji-Aufstands gegen die deutschen Kolonialherren, vernachlässigt von den Briten und sämtlichen nationalen Regierungen seit der Unabhängigkeit 1961. Der Weg in die nächste größere Ortschaft nahm mehrere Tage in Anspruch. Medizinische Hilfe, technisches Gerät, alles sei schwer zu bekommen gewesen.

Ein Brummen wie von Hornissen kündigt an, dass sich daran gerade etwas ändert. Es ist das Brummen von Tanklastwagen, die über die ausgebaute Fernstraße am Kiuma-Gelände vorbeidonnern, um Wasser für den Straßenbau herbeizuschaffen. Durch diese Querachse vom Niassa-See im Westen zur „Moskitoküste“ am Indischen Ozean werden die Distriktstädte des Südens erreicht. Johannes Kirchgatter sieht den Nutzen der Straße, findet aber, dass durch ihren Bau ziemlich viel Erdmasse bewegt werde. Und leider führe sie direkt durch den „Korridor“, der den Selous mit den Reservaten im angrenzenden Mosambik verbinde.

Das Selous-Wildtierreservat hat die größten Elefantenherden Afrikas. Doch sie sind von Wilderei bedroht. Hier durchstreifen sie das Barackengelände der Reservatsverwaltung.
Das Selous-Wildtierreservat hat die größten Elefantenherden Afrikas. Doch sie sind von Wilderei bedroht. Hier durchstreifen sie das Barackengelände der Reservatsverwaltung.

© Kai Müller

Die Einheimischen, sagt der Doktor, seien vor den Schutzzonen da gewesen. „Im Korridor bewegen sich nur die Tiere, die sich verlaufen haben.“

Für Johannes Kirchgatter ist der Korridor dagegen eine Lebensader der Wildnis. Über sie, sagt er, finde der genetische Austausch der Selous-Populationen mit anderen Territorien statt. Wenn der Genpool und der zusammenhängende Lebensraum zu klein werden, können Krankheiten und der Klimawandel nicht mehr abgefangen werden. Eine Tierart nach der anderen werde verschwinden, so seine Befürchtung.

„Der junge Mann will mir weismachen“, sagt Matomora streitlustig, „dass wir in dieser Gegend einen Korridor dringender bräuchten als Straßen.“

Wilderer werden zu Wildhütern umgeschult

Den Arzt amüsiert der deutsche WWF-Mann mit seiner hohen Stirn und seinen hohen Idealen. In Kirchgatters Richtung sagt er: In all den Jahren, die er als Schüler im Busch unterwegs gewesen sei, habe er nie Großwild getroffen. „Es gibt so viele Löwen in den hiesigen Wäldern, aber den ersten habe ich 1966 im Hamburger Zoo gesehen.“

Was folgt, ist der Schlagabtausch zweier Entwicklungskonzepte. Kirchgatter glaubt an das ökonomische Potenzial der Natur. Der WWF bemüht sich in den südlichen Pufferzonen zum Selous, die einheimische Bevölkerung in das Schutzkonzept einzubinden. In „Wildlife Management Areas“ (WMA) genannten Bewirtschaftungszonen kümmern sich die Dorfbewohner um die sie umgebende Wildnis, pflegen und erhalten die Tierbestände auch als wirtschaftliche Ressource. Als Anreiz werden sie an den Einnahmen des angrenzenden Reservats und durch Jagdlizenzen beteiligt. Das klappt mancherorts gut. Doch nicht in allen Gebieten profitieren die Dörfer von den Ausschüttungen. Die Einnahmen schrumpfen seit Beginn der Finanzkrise deutlich, besonders am abgelegenen Südrand des Reservats, wo die Ausschüttungen seit 2008 von bis zu 22000 Dollar im Jahr auf 3000 zusammengeschmolzen sind.

Die haben sich bloß verlaufen

Der arme Süden. Am Rand des Reservats fühlen sich die Menschen von der Entwicklung Tansanias abgeschnitten. Das Schutzgebiet beginnt jenseits der Senke.
Der arme Süden. Am Rand des Reservats fühlen sich die Menschen von der Entwicklung Tansanias abgeschnitten. Das Schutzgebiet beginnt jenseits der Senke.

© Kai Müller

Matomora hingegen sieht das Potenzial in den Menschen, denen er in seiner Einrichtung eine berufliche Perspektive gibt. „Der Selous hat uns isoliert“, sagt er. „Eine weitere Straße in den Norden würde vieles billiger machen.“

„Sie wird Siedlungen anziehen, Wilderer, Viehzüchter. So läuft es doch.“

„Der Selous ist so groß.“

„Man reißt sich das Schutzgebiet unter den Nagel, weil es der einfachste Weg ist. So weit ab von allem, regt das niemanden auf. Da können sie es machen! Aber bedenken Sie, wie das Land in 200 Jahren aussehen wird.“

„Das Problem ist, dass die Tiere unsere Ernten auffressen.“

Es ist eine tragische Konstellation. Kirchgatter, der nimmermüde Optimist, der um den Selous als intakte Zeitkapsel kämpft, dringt nicht durch zu dem Mann, der ihn doch am besten verstehen sollte. Ihn und seine Vorstellung von einer ökologischen Selbstverwaltung, die die Einheimischen von der Wildnis profitieren lässt.

Aber es ist auch so, dass heute fast ein Drittel Tansanias auf irgendeine Weise unter Schutz steht. All das Land ist für Touristen und Jäger reserviert, obwohl die nur mit zehn Prozent zum jährlichen Bruttoinlandsprodukt beitragen. Und es ist Menschen entzogen, die auf den kargen Böden ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen. Die auf der Suche nach fruchtbarem Land immer weiter in den Busch vordringen, ihre Felder in entlegenen Senken bestellen und dann vor Elefanten weglaufen, die sich über ihre Bananenstauden und Zuckerrohrstangen hermachen.

Elefanten kommen in der Nacht

Ein solcher Bauer ist Muhammad Ali aus Kilimasera, einem kleinen Dorf unweit des Gen-Korridors gelegen. Er trägt eine verblichene Wollmütze mit „Real Madrid“-Emblem. Ein überwucherter Pfad führt zu der schäbigen Hütte, die er als Unterschlupf und Lager nutzt. Hirsekörner trocknen davor in der Sonne. Sein Dorf ist mehrere Wegstunden entfernt. In der Vornacht waren Elefanten da.

Der Bauer Muhammad Ali erklärt, wie die Elefanten seine Ernte zerstören. Die Hütte im Hintergrund dient ihm als Vorratslager.
Der Bauer Muhammad Ali erklärt, wie die Elefanten seine Ernte zerstören. Die Hütte im Hintergrund dient ihm als Vorratslager.

© Kai Müller

Die Elefanten sind Alis Schicksal. Drei Viertel der Ernte würden durch sie zerstört, sagt der Bauer. Einmal pro Woche bekomme er Besuch von ihnen. In der vergangenen Nacht, erzählt er, hätten sie sich an einer Bananenstaude zu schaffen gemacht. Der zerrupfte Strunk an einem Hang zeugt davon. Seine beiden Frauen hätten sich in der Hütte befunden, die Tür verrammelt und gewartet. Auf die Frage, ob er die Elefanten als seine Feinde betrachte, sagt er: Nein. Es klingt ein bisschen pflichtschuldig, als müsse er das jetzt sagen, weil es doch dieses Abkommen der Kommune mit der Regierung gibt. Aber hat Ali eine Wahl? Mögen die Elefanten auch Trampel sein, die über die Frucht seiner Arbeit hinwegstapfen, erschießen könnte er sie nicht. Ihm fehlt das Gewehr. Die Scouts im Dorf hätten eins, aber das ist einen halben Tagesmarsch entfernt.

Das Töten übernehmen derweil ganz andere. Der Elefantenbestand im Selous ist auf 15000 Exemplare geschrumpft. Vierzig Jahre zuvor waren noch 109 000 gezählt worden. Allein seit 2009 gingen über drei Viertel der Population an Wilderer verloren (78 Prozent). Nashörner sind praktisch ausgerottet, bis auf 35 Tiere, die unter Sonderbewachung durch Ranger stehen.

Da könnte man meinen, dass Leonard Mayeta als oberster Wildhüter genau der richtige Mann ist, um mit ihm die Gegenmaßnahmen der Regierung zu erörtern. In einem flachen Nebengebäude des Ministeriums für natürliche Ressourcen und Tourismus schließt er seinen Computer an einen Beamer an. Er trägt schwarz und sein Lächeln ist dunkel. Bei Fragen schließt er die Augen wie zu einer Meditation.

Auf seinen Schaubildern geht es um die im vergangenen Jahr aktiv gewordene Wildlife-Behörde Tawa, die sämtliche Reservate verwaltet und deren Direktor nun unmittelbar an den Minister berichtet. Das war vorher nicht der Fall gewesen, weswegen die Reservate gegenüber den – von der Tanapa gemanagten – Nationalparks vernachlässigt waren.

Dienst an der Gemeinschaft. Diese Männer wurden von der Kommune ausgewählt, um als Wildtier-Scouts im Busch Streife zu gehen. Ihre Patrouillen dauern zehn Tage.
Dienst an der Gemeinschaft. Diese Männer wurden von der Kommune ausgewählt, um als Wildtier-Scouts im Busch Streife zu gehen. Ihre Patrouillen dauern zehn Tage.

© Kai Müller

Deshalb glaubt Mayeta, geeignete Maßnahmen zur Eindämmung der anhaltenden Wildereikrise eingeleitet zu haben. In jüngster Zeit wurde die Zahl der Wildhüter auf 700 aufgestockt. Benötigt würden zur Abdeckung des Gebiets doppelt so viele Ranger, sagt Mayeta. Ein erster wichtiger Schritt zur Effizienz sei mit dem Umbau der Organisation in eine paramilitärischen Einsatztruppe vollzogen. "Wenn wir jetzt sagen: Go! Dann meint das auch: Go!", sagt Mayeta.

Die Ranger betrachten sich als "Soldaten der Wildnis" in ihren grünen Uniformen, dem roten Barett, auf dem eine goldene Büffelkopf-Brosche prangt. Einer von ihnen, ein Massai namens Loramatu Meikoki, wird es später im Hauptquartier der Selous-Verwaltung so ausdrücken, dass er stolz auf seine Aufgabe sei, aber gegen die Wilderer seien sie bislang weitgehend machtlos geblieben. Die Elfenbeinräuber waren in der Überzahl oder kannten die Wege durch das Labyrinth der Trampelpfade besser, da es sich bei den Fährtensuchern um Einheimische handelte. Auch verfügten die Wilderer-Banden über halbautomatische Waffen. Mit ihren antiquierten Jagdgewehren könnten die Ranger dagegen nichts ausrichten und zögen sich meist zurück.

Die Truppe wird auch mit Mitteln der Frankfurter Zoologischen Gesellschaft (FZG) aufgerüstet. In einem Raum der Reservatsverwaltung warten nagelneue mobile Funkgeräte auf den Einsatz, ein Netz aus Sendemasten soll aufgebaut werden. Nun gibt es Autobatterien und Solarpanels für die Außenposten, an denen die Patrouillen zuvor von der Welt abgeschnitten waren. Und vor dem Verwaltungssitz stehen zwei Dutzend nagelneue Toyota Land Cruiser.

Man könne Gesetze nicht durchsetzen ohne Mobilität, sagt die FZG-Mitarbeiterin vor Ort. „Die Größe des Gebiets ist Vorteil und Fluch zugleich“, fährt die Zoologin fort, „es bietet Elefanten Rückzugsräume vor Wilderern, gleichzeitig kaum Schutz vor ihnen, da wir es nicht kontrollieren können.“

Die "Ivory Queen" steht vor Gericht

An ihrer Seite nickt ein untersetzter schwarzer Mann mit funkelnden Augen. Captain Shayo, wie er sich nennen lässt, jagt Wilderer schon seit langem. Jeden Morgen um 6.30 Uhr steigt er mit einem in Zebra-Scheckung lackierten Flugzeug in den Himmel auf und sucht den Horizont nach Rauchsäulen ab, die von einer Kochstelle zeugen. Entdeckt er ein Wilderer-Lager, gibt er die GPS-Koordinaten ans Hauptquartier durch. Es ist dann an den Rangern, sich zu dem Ort zu begeben und die Elfenbeindiebe zu fangen. "Als die Zahl der Ranger in den 90er Jahren zurückging, litt das Reservat sehr", sagt Captain Shayo und stellt damit einen direkten Zusammenhang zwischen der aktuellen Wildereikrise und der personellen Ausstattung der Reservatsverwaltung her.

Luftaufklärung. Captain Shayo war jahrelang als Wildhüter im Selous angestellt, nun überfliegt er das Reservat täglich im Auftrag der Frankfurter Zoologischen Gesellschaft.
Luftaufklärung. Captain Shayo war jahrelang als Wildhüter im Selous angestellt, nun überfliegt er das Reservat täglich im Auftrag der Frankfurter Zoologischen Gesellschaft.

© Kai Müller

Vor geraumer Zeit berichtete der „Guardian“ von einer Liste des tansanischen Geheimdienstes mit Namen hochrangiger Geschäftsleute und Politiker, die in die Wilderei verwickelt sein sollen. „Aber die Liste verschwand stillschweigend“, hieß es. Stattdessen musste der Wildlife-Minister 2013 seinen Posten räumen, nachdem er „reiche Leute und Politiker“ beschuldigt hatte, ein „sehr ausgeklügeltes Netzwerk“ aufgebaut zu haben. Als die von ihm initiierte Militäraktion gegen den Trophäenhandel aus dem Ruder lief, machte ihn das für den damaligen Regierungschef unhaltbar.

Seit Herbst steht nun eine chinesisch-stämmige Restaurantbesitzerin als mutmaßlicher Kopf eines Schmugglerrings in Daressalam vor Gericht. Yang Fenglan soll 1,9 Tonnen Elfenbein außer Landes geschafft haben, was einem Marktwert von 2,3 Millionen Euro entspricht. Auf die Spur der so genannte „Ivory Queen“ brachten die Ermittler 706 Stoßzähne, die 2013 im Nachbarhaus des Restaurants entdeckt wurden.

Der „China Daily“ hatte die Geschäftsfrau und Großmutter 2014 gesagt, „ich baue nicht des Geldes wegen auf mein Restaurant, sondern betrachte es als einen Ort, an dem Menschen aus China und Tansania miteinander ins Gespräch kommen können, Freundschaft schließen und Informationen austauschen.“ Als ihr Mittelsmann kurz darauf verhaftet wurde, tauchte Fenglan ab und wurde im Mai letzten Jahres nach einer wilden Verfolgungsjagd gefasst. Vor Gericht hat sie bislang ihre Unschuld beteuert.

Das Ausbildungszentrum der WMA-Scouts leidet an Geldmangel. In das ehemalige Lager für malawische Flüchtlinge schicken die Kommunen nun ihre Buschmänner, um sie in Wildtierkunde unterweisen zu lassen.
Das Ausbildungszentrum der WMA-Scouts leidet an Geldmangel. In das ehemalige Lager für malawische Flüchtlinge schicken die Kommunen nun ihre Buschmänner, um sie in Wildtierkunde unterweisen zu lassen.

© Kai Müller

Wilderei ist ein System. Es hat Mitwisser und Begünstigte, die es decken. Weshalb der zuständige Distriktbeamte in Songea meint, man müsse den Dorfbewohnern begreiflich machen, dass die wilden Tiere im Busch nicht dem weißen Mann oder der Regierung im fernen Daressalam gehören, wie sie oftmals glaubten, sondern ihnen selbst. „Jeder Wilderer soll wissen, dass er seine eigene Gemeinschaft bestiehlt.“

Eine andere Sache ist der volkswirtschaftliche Schaden. Allerdings besitzt die Wildnis nur einen geringen materiellen Wert. Im Jahr 2014 nahm das Selous-Reservat lediglich 6,4 Millionen Dollar ein, die vertragsgemäß zur Hälfte in seine Infrastruktur zurückflossen. Es ist eben immer noch nicht viel Geld aus der Wildnis herauszuholen. Aber es macht sie nicht sicherer. Nicht mehr.

Zumindest die 19 im Selous operierenden Jagd-Unternehmen haben ein starkes Interesse an der Eindämmung der illegalen Tierschlächterei. Schon aus Eigennutz werden 200 Ranger direkt von einigen der Tour-Veranstalter finanziert. Ihre Kundschaft ist bereit, sechsstellige Summen für eine dreiwöchige Safari auszugeben, den zusätzlichen Aufwand für Prämien, Transporte und Präparatoren nicht mitgerechnet. Vor allem Löwen sind die Könige der Preislisten. 8000 Dollar müssen als Abschussprämie für ihre Majestät im Selous entrichtet werden.

Es sind solche Beträge, die den Fortbestand des Löwen höchstens als Luxustrophäe sichern. Davon ist Craig Packer überzeugt. Der amerikanische Forscher und Buchautor („Lions in the Balance“) zählt zu den profiliertesten Kennern der Spezies. Auch zu den umstrittensten. Er sagt, ohne den Anreiz, eine gesunde Löwen-Population für die Jagd aufzuziehen, werde der König der Wildnis bald aus ihr vertrieben sein.

Hunderte Tansanier kommen jährlich durch Löwen ums Leben, meistens sind es Kinder, die mit nicht viel mehr als einem Stock die Kuh der Familie hüten. Das Raubtier überlebe nur, wenn man Mensch und Tier voneinander trenne, sagt Packer und plädiert für eingezäunte Parks wie es sie unter anderem in Südafrika gibt. Nur in solchen, sagt er, würden sich die Bestände stabil entwickeln. Mit seinen Vorschlägen ist er zum Schrecken von „Laptop-Naturschützern“ geworden, wie er jene Aktivisten nennt, die Petitionen verfassen und lieber am Ideal einer "unberührten Wildnis" festhalten, als den deprimierenden Zahlen Rechnung zu tragen. Im "Thrown"-Magazin ist die Position eines Hardliners abgedruckt, der "die Serengeti lieber vollkommen verschwinden als mit einem Zaun umgeben sehen würde".

Ein Büffelschädel im Selous. Die Tiere ziehen in riesigen Herden durch das Reservat.
Ein Büffelschädel im Selous. Die Tiere ziehen in riesigen Herden durch das Reservat.

© Kai Müller

Doch um den Ruf der Großwildjagd ist es nicht gut bestellt, wie der Fall Cecil 2015 demonstrierte. Als der Löwe in Simbabwe von einem Zahnarzt aus Minnesota erlegt wurde, mit Pfeil und Bogen, war die Empörung groß über diesen abscheulichen Akt weißer Machokultur.

Dabei wären die Folgen für die Löwen insgesamt viel schlimmer, wenn es den Zeitvertreib der Großwildjagd nicht gebe. Denn einen alten Löwen aus der Sippe herauszuschießen, beschädigt nicht die Art. Tot ist nicht gleich tot. 75 Prozent der Einnahmen im Selous werden von Jagd-Veranstaltern erwirtschaftet. Sie tragen die finanzielle Hauptlast dessen, was den Schutz des Ganzen garantiert. Die Wildlife Authority in Tansania muss sich im Wesentlichen selbst finanzieren, ist also auf Einnahmen aus dem kommerziellen Jagdwesen angewiesen.

„Die Leute“, sagt Mayeta, „die hier erlaubterweise Trophäen jagen, haben durch das Importverbot in Europa Probleme, sie legal in ihre Heimatländer zu bringen.“ Und seine Hand knallt auf die Tischplatte, als wollte er einen Stempel hinter den Satz setzen. Hier glaubt man, dass eine liberalere Handhabung der Einfuhrbestimmungen mehr Jäger ins Selous bringen und den negativen Trend des Tierschwunds umkehren würde. Mehr Jäger bedeuten mehr Geld. Mehr Geld, argumentiert der Tawa-Beamte Mayeta, heißt mehr Schutz und weniger Wilderer.

Auch Löwen-Forscher Craig Packers hatte einst gehofft, Artenschutz werde am besten durch den freien Markt gewährleistet. Der Eigennutz der Jäger müsste dem Raubbau doch vorbeugen, meinte er.

In Likuyu haben sie von dem Pakt mit der Jagd-Industrie in Form "guter, stabiler Häuser" profitiert, wie der Dorfvorsitzende Issa R. Sahani lobt, ein scharfäugiger Mann mit spitzem Gesicht und einer weißen Kofia auf dem Kopf. Die Häuser würden beim ersten Regen nicht gleich weggespült, sagt er. Es gibt eine Krankenstation, ein Geburtshaus dahinter, wenn auch noch nicht eingerichtet, Behälter, mit denen Regenwasser aufgefangen wird. Man war in der Lage, den benötigten Lehrern Unterkünfte zu errichten.

Für die Gläubigen. Ein Jagdunternehmer schenkte Likuyu am Südrand des Selous eine Moschee. Ein Brunnen hat das Dorf noch immer nicht.
Für die Gläubigen. Ein Jagdunternehmer schenkte Likuyu am Südrand des Selous eine Moschee. Ein Brunnen hat das Dorf noch immer nicht.

© Kai Müller

Doch der Geldfluss versiegte. Die Auswirkungen der Finanzkrise erreichten auch die 8000 Einwohner von Likuyu im Grenzgebiet des Selous. Im Jahr 2015 wurden 3650 Dollar an die Kommune ausgeschüttet, nachdem es sieben Jahre zuvor noch das Zehnfache dieser Summe gewesen war. "Die Leute beginnen zu glauben, dass sie keinerlei Vorteil mehr von der Regelung haben“, sagt Sahani.

Das prächtigste Gebäude verdankt der Ort dem Segen des Mannes, der als Jagdunternehmer in der Gegend tätig ist. Mister Chen, so nennen sie hier den Chef von Game Frontiers. Über ihn ist nicht viel mehr bekannt, als dass er Tansanier und Muslim ist. Als er sah, unter welchen Umständen seine Glaubensbrüder in Likuyu beten mussten, schenkte er ihnen eine Moschee.

Das Gebäude ist weiß getüncht und hat geschwungene Torbögen, und macht etwas her. Trotzdem ist Dorfvorsteher Sahani ratlos. Verzagt ringt er die Hände. Denn misslich sei, meint er, dass sein Dorf leider nach wie vor kein Wasser habe. Die Frauen müssten vor Tagesanbruch zum Brunnen gehen, da man mittags schon kein trinkbares Wasser mehr bekomme.

Dafür können sie jetzt beten.

Ist der Löwe mehr wert als das Foto eines Löwen

Den Nichtjägern ist im Selous ein Streifen nördlich des Rufiji vorbehalten. Es gibt Überlegungen der Regierung, das für „sanfte“ Foto-Safaris zugängliche Gebiet zu vergrößern. Doch mangels Verkehrsverbindungen und durch die begrenzte Anzahl an Lodges ist das schwierig. Während Nationalparks von Touristenmassen profitieren, dient ein Reservat dem entgegengesetzten Zweck. Menschen haben hier eigentlich wenig verloren. Entsprechend exklusiv sind die Preise. Man hofft in der Hauptstadt, , die Attraktivität des Naturerlebnisses zu erhalten, indem es nur Wenigen zugute kommt. „Low Volume, high Value“ lautet die Losung. Wie groß ist der Magnetismus des Sehenwollens?

Warten auf den Hunger. Eine Löwensippe im Schatten einer Schirmakazie. Beobachtet von Safari-Touristen.
Warten auf den Hunger. Eine Löwensippe im Schatten einer Schirmakazie. Beobachtet von Safari-Touristen.

© Kai Müller

An einem heißen Tag der Trockenzeit, das Gras ist niedrig und Laub knirscht unter den Schritten wie Plastik, steuern mehrere Safari-Jeeps denselben Baum an, der einen Schattenkreis in die Savanne wirft. Darunter eine Löwen-Sippe. Die Sonne ist das Einzige, was Löwen respektieren. Selbst die bläulichen Dünste des altersschwachen Motors dringen nicht ins Innere ihrer Trägheit vor. Die Mutter liegt da, fixiert vorbeitrabende Zebras. Mit jeder Stunde, die ihre Magensäfte arbeiten, braut sich in ihr der Hunger zusammen. Irgendwann wird sie zur Jagd aufbrechen.

Was macht eine Löwenfamilie in der Savanne zu etwas Besonderem, wenn es das Foto von einer Löwenfamilie in der Savanne tausendfach gibt?

Hemingway glaubte immerhin, dass er auf ein Tier selbst anlegen müsse, damit es durch eine Geschichte mit ihm verbunden und etwas Besonderes für ihn werden könne. Die Natur hatte ihren Wert als Beute zu erbringen.

Das echte Tier ist heute kaum mehr wert als sein millionenfach verbreitetes Abbild. Sind das gute Neuigkeiten für die Wildnis? Es ist derzeit wohl noch so, dass ein Mensch, der nicht töten und dafür bezahlen will, der Wildnis wenig hilft.

- Die Recherchereise wurde vom WWF finanziert.

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