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Jörg Kachelmann präsentiert die Vorhersagen, wie man es von ihm kennt.

© dpa/Oliver Berg

Jörg Kachelmann: Der Wetter-Entertainer ist zurück

Ein Meteorologe wie die anderen war Jörg Kachelmann noch nie. Er stritt sich gern mit seinen Vorhersage-Kollegen - und kehrt nun langsam in seine alte Rolle zurück.

„Die Feuchtigkeit setzt sich faul und bräsig hin. Und im November sind die Nächte so lang, dass sie Zeit hat, das zu tun.“ Die rote Fahne mit dem weißen Kreuz hängt schlaff auf das Balkongeländer eines Mehrfamilienhauses herunter und unterstreicht so die Sätze von Jörg Kachelmann, der passend zum ruhigen Novemberwetter gemütlich vor der Webcam spricht.

Die etwas andere Wettervorhersage ist wieder da. Im Zuge seines Prozesses, bei dem er wegen des Verdachts der Vergewaltigung angeklagt worden war und freigesprochen wurde, hatte sich der Wetter-Entertainer im November 2010 weitgehend zurückgezogen. Mit vielen Medien redete er anschließend nicht mehr, mit dem Tagesspiegel bis heute nicht. Im Internet kommt der 59-Jährige langsam wieder zurück. So in den täglichen Video-Wetternachrichten von „Spiegel Daily“ und auf seiner Plattform „Kachelmannwetter.com“.

Die Wetterberichte früher waren staubtrocken

„Das bedeutet für die nächsten Tage das, was Sie schon kennen und vielleicht nicht so mögen: dieses November-Grau“, fährt er im Ton eines Nachrichtensprechers aber mit typischen Kachelmann-Sätzen fort: die Wissenschaft vom Wetter verpackt in der Sprache des Alltags. Nur die Show-Einlagen fehlen, bei denen sich Jörg Kachelmann vor 2010 auch schon mal vor laufender Kamera in den Schnee warf. Wobei der Balkon natürlich auch zu eng für solche Shows ist. Zurück ist also der Wetter-Entertainer – in einem eher schlichten Ambiente.

Das wiederum tut dem Kachelmannwetter gut. Schließlich kritisierten andere Meteorologen, dass die Show-Elemente zwar gut gemacht waren, manchmal aber eben auch die eigentliche Nachricht überdeckten: Wie wird morgen das Wetter? So manche Eltern waren dann durchaus beeindruckt, rätselten hinterher nach einer Fülle von Informationen aber, welche Klamotten sie ihren Kindern anziehen sollten.

Den Verantwortlichen des Fernsehens aber war das weniger wichtig als die Einschaltquoten, die Jörg Kachelmann mit seinen Wettershows in die Höhe trieb. Allzu schwer war das allerdings nicht. Schließlich waren die Wetterberichte der 1980er Jahre noch recht trocken, und bisweilen glaubten jüngere Zuschauer, im Hintergrund noch den Amtsschimmel wiehern zu hören. Diese längst überholte Behördensprache verschwand in den 1990er Jahren langsam und machte einer flotteren Darstellung Platz. Kachelmann war keineswegs der Erste und schon gar nicht der Einzige. Aber er ging weiter als seine Kollegen, wählte eine drastischere Sprache – und kam damit bei den Zuschauern am besten an. Kachelmann wurde zum Wetter-Entertainer.

Er stritt häufiger mit dem Deutschen Wetterdienst

Einer, der mit seinen Vorhersage-Kollegen immer wieder stritt. Wobei diese Händel häufig von ihm ausgingen, wenn er zum Beispiel den behördlichen Meteorologen vom Deutschen Wetterdienst Vorwürfe machte. Dabei weiß Kachelmann nur zu gut, dass die Wetterküche zwar festen Regeln folgt, aber auch eine sehr wichtige Komponente enthält, der Physiker und Meteorologen gern den Begriff „chaotisch“ voranstellen. Das Chaos aber lässt sich eben schwer berechnen und eine Wettervorhersage kann daher nie zu 100 Prozent zutreffen.

Um dieses Chaos zumindest ein wenig in den Griff zu bekommen, errechnen die Meteorologen heutzutage sogenannte „Ensembles“: Dabei ermitteln die Computer nicht nur aus den tatsächlich gemessenen Werten wie Luftdruck, Temperatur und Feuchte eine Wettervorhersage, sondern variieren einzelne Messwerte ein wenig und schauen sich dann an, wie die Vorhersage sich ändert. Manchmal liegen die so ermittelten Kurven zehn und mehr Tage eng beieinander. Dann ist die Prognose für diesen Zeitraum recht zuverlässig. Häufiger aber driften die Vorhersagen schon nach wenigen Tagen stark auseinander und sind daher auch nur für diese kurze Zeit relativ zuverlässig.

Solche Ensembles ermitteln die Superrechner der staatlichen Wetterdienste in Deutschland, der Schweiz, Frankreich, Großbritannien oder den USA mehrere Male am Tag und stellen diese Ergebnisse allen Interessierten und damit auch den privaten Wetterbüros kostenlos zur Verfügung.

Jörg Kachelmann bleibt sich treu

Genau wie in den Wetterbehörden brüten auch die privaten Meteorologen über diesen Daten, die noch interpretiert werden müssen: Wird es aus dichten Wolken wirklich regnen und wenn ja, wann? Bricht am Vormittag die Sonne durch den Nebel oder hält sich im Spätherbst die feuchte und kalte Suppe den ganzen Tag? Je besser die Experten die Zusammenhänge beim Wetter verstehen, und je größer ihre Erfahrung ist, umso geringer wird die Fehlerquote bei diesen Einschätzungen werden. Kachelmann gilt in Kollegenkreisen weithin als sehr guter Meteorologe – auch wenn er für dieses Fach gar keinen Universitätsabschluss vorlegt.

Je länger die Ensembles in die Zukunft rechnen, umso größer wird normalerweise die Unsicherheit. Wer also heute schon das Weihnachtswetter wissen will, entdeckt dann eben Temperaturen, die je nach Modell zwischen zwölf Plus- und vielleicht ebenso vielen Minusgraden liegen. Eine vernünftige Vorhersage kann man daraus sicher nicht ableiten.

Das sagt Kachelmann in seinen Video-Wetternachrichten dann auch deutlich: „Beim Winter weiß derzeit einfach kein Schwein, wie das Wetter sich entwickeln wird.“ Dasselbe sagen auch die Experten im Deutschen Wetterdienst und bei guten privaten Wetterbüros. Nur klingen deren Sätze halt ein wenig zurückhaltender. Jörg Kachelmann bleibt sich eben selbst treu.

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