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Fass Dich kurz.

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In aller Kürze: Die SMS wird 20 Jahre alt

Vor 20 Jahren wurde die erste SMS verschickt – vom Aufstieg und Niedergang einer Kommunikationsform.

Das ist die ganz hohe Schule. Das Handy steckt tief verborgen in der Jackettasche, und trotzdem drücken die Finger der rechten Hand so lange auf die Tasten, bis die SMS geschrieben ist und losgeschickt wird. Von Angela Merkel heißt es, sie besitze diese staunenswerte Fertigkeit. Wahr oder nur Kolportage, egal, die Bundeskanzlerin ist eine bekennende Anhängerin der SMS, des „Short Message Service“. 2007 sagte Merkel in einem NDR-Interview, die SMS sei „eine sehr interessante Form der Kommunikation, die in der Tat auch zum großen Teil zeitsparend ist“. Und weil im Kanzlerinnenleben die Zeit immer knapp ist, wird Merkel mehr „simsen“ als der Bundesbürger. Nach Angaben des IT-Branchenverbandes Bitkom kommt jeder Deutsche im Durchschnitt auf zwei Textnachrichten täglich, das sind im Jahr rund 700, auf ganz Deutschland hochgerechnet rund 58 Milliarden SMS, eine Zahl, die sich seit 2008 verdoppelt hat.

Wer am heutigen Montag simst, der sollte mal kurz an Neil Papworth denken. Der Brite hat am 3. Dezember 1992 die allererste SMS verschickt. Der Software-Entwickler schrieb an das Handy eines Managers des Telekom-Riesen Vodafone sehr verfrühte Weihnachtsgrüße: „Merry Christmas“. Den Text musste Papworth am Computer tippen, die damaligen Handys waren dafür noch nicht bereit. Aber Papworth tat genau das Richtige. Er schickte seine Kurzmitteilung an seinen Kollegen, der sich gerade auf einer Weihnachtsfeier befand. Da stört man nicht gerne mit einem lauten Anruf, eine Kurzmitteilung ist bestimmt diskreter – und Sender wie Empfänger müssen sich nicht in eine Konversation begeben, die keiner von beiden gewollt hat. Und eine geschriebene Nachricht kann so sehr persönlich sein wie eine gesprochene.

Solche unbestreitbaren Vorteile der SMS wurden nicht gleich erkannt. Anfangs nutzten die Netzbetreiber die SMS nur, um ihre Kunden über Störungen zu informieren. Diese erkannten sogleich, wie praktisch die Botschaften der maximal 160 Zeichen für private Zwecke sein können. Schnell geschrieben, günstiger als ein Telefonat, schnell gelesen, schnell beantwortet. Und die Telefonanbieter erkannten ein Milliardengeschäft.

Die SMS wurde Teil und Motor der Rucki-zucki-Kommunikation. Dates werden vereinbart, Beziehungen schnöde beendet, Hotelzimmer bestätigt, Ankunftszeiten von Flügen mitgeteilt, Bahnfahrkarten gekauft, Bankgeschäfte getätigt, über Geburten gejubelt, über Todesfälle getrauert. In dieses moderne Telegramm passt nahezu jede private wie sachdienliche Information.

Nun zwingen die 160 Zeilen zu Kürze und Klarheit. Das fällt nicht jedem leicht. Es ist Einfallsreichtum gefragt, wenn komplexere Botschaften mobil übermittelt, insbesondere aber Emotionen transportiert werden sollen. Die SMS-Gemeinde hat sich ein Sortiment an Codes ausgedacht. „bb“ heißt „bis bald“, „lg“ steht für „liebe Grüße“, mit (oft bereits vorgespeicherten) Smileys und Emoticons verschicken entweder Schreibfaule oder Menschen, die ihrer eigenen Sprache nicht trauen, Stimmungen und Gefühle. Aber Irrtümer sind auf beiden Seiten nicht ausgeschlossen. Der britische Premier David Cameron hatte mit der früheren „Sun“-Chefredakteurin und späteren Murdoch-Managerin Rebekah Brooks – so rothaarig wie attraktiv – persönliche SMS ausgetauscht. Cameron deutete das Kürzel „LOL“ zunächst geschmeichelt als „Lots of Love“, bis ihn Brooks darüber aufklärte, dass damit „Laughing out Loud“ („Lautes Lachen“) gemeint sei. Die volle Veröffentlichung des SMS-Accounts konnte das Büro des Premierministers bisher verhindern.

Die klassische SMS wie auch ihre MMSSchwester (Bilder und Filme) sind nicht ohne Nachahmer geblieben und müssen sich damit neuer Konkurrenz stellen. In dem Maße, wie aus den Handys Smartphones mit Internet-Verbindung geworden sind, sind sogenannte Messenger-Dienste en vogue – Texte, Bilder, Filme, Telefonie, alles zum Preis einer Internet-Flatrate. Beispiele sind die WhatsApp, Yulip oder kik. Auch etablierte Angebote wie ICQ, Live Messenger, Google Talk oder Skype (die auch auf dem Computer funktionieren), bieten Programme für Multi-Handys. Auch Facebook mit mehr als einer Milliarde Mitglieder bietet einen Messenger.

Es ist unübersehbar, dass die SMS an ihrem 20. Geburtstag die Hoheit über die mobile Textnachricht verlieren wird (oder schon verloren hat). Aber jede Aufregung um Sicherheitslücken bei Facebook oder WhatsApp, jede News um künftige Nutzungsgebühren der eigentlich kostenlosen Dienste lässt ehemalige SMS-Nutzer wieder grübeln: Macht Simsen doch glücklicher?

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