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Menschen flüchten in ihren Autos in Florida vor dem extrem gefährliche Hurrikan "Irma"

© dpa

Hurrikan "Irma" bedroht Florida: Wer bleibt, riskiert sein Leben

Nach der Karibik bedroht der Rekordhurrikan Irma die Küsten Floridas. Der Großraum Miami zählt zu den besonders gefährdeten Gebieten.

Mit zwei Kindern, einem Hund und ein paar Kleidern im Auto Richtung Norden: Mari und Neil Michaud und ihre Familie gehören zu den hunderttausenden Menschen im US-Bundesstaat Florida, die sich vor dem nahenden Wirbelsturm „Irma“ in Sicherheit bringen. Die Michauds sind auf dem Weg zu Freunden in die Hauptstadt Washington, doch auf den verstopften Autobahnen Richtung Norden kommen sie nur langsam voran. Mit ihren Handy-Apps fahnden sie ständig nach weniger befahrenen Routen und offenen Tankstellen, wie sie dem Fernsehsender ABC am Freitag sagten: „Es gibt kein Benzin, und der Verkehr steht.“

Der amerikanische Bundesstaat des Sonnenscheins, wie sich Florida offiziell nennt, erlebt vor der erwarteten Ankunft von „Irma“ einen Massenexodus. Wer bleibt, riskiert sein Leben, sagen die Behörden. Alle Einwohner des Bundesstaates sollten sich für eine Evakuierung wappnen. Der Rekordsturm, der sich am Freitag durch die Karibik fräste und auf mehreren Inseln eine Spur der Verwüstung hinterließ, wird spätestens in der Nacht zum Sonntag an der Südspitze von Florida erwartet – mit Windstärken von bis zu 240 Stundenkilometern und Sturmfluten von mehreren Metern Höhe. Der Großraum Miami gehört zu den besonders gefährdeten Gebieten: „Irma“ zielt genau auf das dicht besiedelte Wirtschafts- und Tourismuszentrum an der Südostspitze Floridas.

"Irma" bedroht die Ost- und Westküste Floridas

Wie schlimm das Wochenende genau werden wird, weiß niemand, aber Floridas Gouverneur Rick Scott ruft die Bürger seines Staates auf, kein Risiko einzugehen: „Irma“ sei breiter als die gesamte Florida-Halbinsel, bedrohe also sowohl die Ost- als auch die Westküste des Staates. Der einzige Fluchtweg ist der nach Norden, weshalb sich auf den beiden großen Autobahnen zeitweise lange Staus bildeten, in denen auch die Michauds stecken blieben.

Selbst wenn die Sturm-Flüchtlinge die Nordgrenze von Florida erreichen, sind sie noch nicht unbedingt in Sicherheit. Meteorologen sagen voraus, dass „Irma“ von Florida aus Anfang kommender Woche nach Georgia und nach South- sowie North Carolina wandern wird. Die Michauds haben Glück, weil sie Bekannte in Washington haben. Andere sind noch auf der Suche nach einer Bleibe. „Hotelzimmer gibt es jedenfalls keine mehr“, sagte Noel Marsden, der sich mit Freundin und Sohn auf die Flucht begeben hat, im Interview mit ABC.

Auch in Miami Beach verriegeln die Ladenbesitzer ihre Geschäfte.
Auch in Miami Beach verriegeln die Ladenbesitzer ihre Geschäfte.

© AFP

Dass „Irma“ mittlerweile von einem Sturm der Höchstkategorie Fünf zu einem Vierer-Sturm heruntergestuft wurde, ist nur ein schwacher Trost. Im Himmel über der Karibik braut sich eine Katastrophe für Florida zusammen, die den Zug der Verwüstung durch Wirbelsturm „Andrew“ im Jahr 1992 übertreffen könnte. Damals starben 65 Menschen, mehr als 60.000 Häuser wurden zerstört; von einigen Gebäuden blieben nur noch die Fundamente. „Irma“ ist noch stärker als „Andrew“, zudem hat die Bebauung in Süd-Florida in den letzten 25 Jahren zugenommen.

Jeremy DeHart, Reserve-Offizier der US-Luftwaffe, flog vor zwei Wochen durch das Auge des Sturms „Harvey“, der die texanische Metropole Houston unter Wasser setzte, und begutachtete jetzt das Zentrum von „Irma“ aus nächster Nähe in 3000 Metern Höhe. „Spektakulär“ seien die Windstärken, die der Hurrikan mit sich bringe, sagte DeHart. Das Wort „katastrophal“ wäre wohl zutreffender. Präsident Donald Trump nennt „Irma“ einen Sturm von „epischen Ausmaßen“.

Schon jetzt scheint sicher, dass „Irma“ für Florida einen Einschnitt markieren wird. Rund eine halbe Million Menschen sind auf der Flucht, und die US-Katastrophenschutzbehörde rechnet schon jetzt damit, dass rund 100.000 Menschen in Notunterkünften versorgt werden müssen. In verlassenen Wohngegenden könnte es Plünderungen geben.

 Der Wetterdienst warnt, dass viele Gebäude vom Sturm weggerissen werden

Manche Gegenden werden möglicherweise auf Monate hinaus unbewohnbar sein. Das gilt insbesondere für den Fall, dass „Irma“ zerstörerische Sturmfluten an die Küsten peitscht. Der amtliche US-Wetterdienst sagt voraus, dass viele Gebäude vom Sturm und der Flut weggerissen werden. Hurrikan-Experte Brian McNoldy von der Universität Miami sagte dem Sender NBC, „Irma“ könne zum „teuersten Sturm in der Geschichte der USA werden“. Niemand in Florida habe jemals das erlebt, was dem Staat jetzt bevorstehe, sagt der Chef des US-Katastrophenschutzes, Brock Long.

Die Einwohner von Homestead, einer 70.000-Einwohner-Stadt südwestlich von Miami, wissen vielleicht besser als andere, was es heißt, einem Supersturm ausgesetzt zu sein. Vor 25 Jahren fegte „Andrew“ mit solcher Wucht über Homestead hinweg, dass die Stadt beinahe völlig zerstört wurde. Jetzt bereitet sich Homestead auf „Irma“ vor. Trotz Schutzräumen und verbesserter Infrastruktur werden die nächsten Tage schwer, ist die Restaurantbesitzerin und „Andrew“-Veteranin Estéfana Hernandez sicher. „Wir haben große Angst“, sagte sie NBC. Aber sie ist entschlossen, auch nach „Irma“ alles wieder neu aufzubauen. „Ich komme zurück.“

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