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Israel Kristal soll als junger Mann noch den österreichischen Kaiser Franz Joseph mit eigenen Augen gesehen haben.

© Abir Sultan/EPA/dpa

Holocaust-Überlebender: Ältester Mann der Welt stirbt - mit 113 Jahren

Der 113-jährige Israel Kristal galt als ältester Mann der Welt. Im Holocaust verlor er seine Familie. Im jüdischen Staat baute er sich ein neues Leben auf.

Im Herbst 2016 feierte Israel Kristal seine Bar Mizwa nach - mit 100 Jahren Verspätung. Seine Familie hatte ihm das Fest zum 113. Geburtstag geschenkt. Als er ein Junge war, tobte der Erste Weltkrieg. Damals war keine Zeit, für ihn das jüdische Fest der Religionsmündigkeit zu feiern. „Wir haben mit ihm getanzt, wir haben alle gesungen, wir haben ihn glücklich gemacht“, sagte seine Tochter Schulamit Kristal Kuperstoch kurz nach der Feier.

Am Freitag ist Israel Kristal, Holocaust-Überlebender und ältester Mann der Welt, im Alter von 113 Jahren gestorben. Dies bestätigte seine Tochter der Deutschen Presse-Agentur. Das Guinness-Buch der Rekorde („Guinness World Records“) hatte ihm im März 2016 den Titel verliehen - als erstem Israeli überhaupt. Kurz zuvor war der damalige Titelträger, Yasutaro Koide, mit 112 Jahren in Japan gestorben.

Kristal wurde am 15. September 1903 in dem Örtchen Zarnow in Polen geboren. Er soll den österreichischen Kaiser Franz Joseph noch mit eigenen Augen gesehen haben, als 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach. Als Jugendlicher zog er nach Lodz, um im familieneigenen Süßwarengeschäft zu arbeiten. „Das war harte körperliche Arbeit“, sagte er der Zeitung „Haaretz“. „Ich habe 25-Kilo-Säcke mit Zucker geschleppt."

Nach Auschwitz deportiert

1944 wurde er nach Auschwitz deportiert. Über die traumatische Zeit sprach er nicht gern. „Über jeden Tag dort könnte man zwei Bücher schreiben“, sagte er nur. Kristal verlor während des Holocaust seine erste Frau und zwei Kinder. 1950 wanderte er nach Israel aus und zog mit seiner zweiten Frau und dem Sohn nach Haifa. Dort stellte er wieder Süßigkeiten her.

Ein Rezept für ein langes Leben hatte Kristal nicht parat. „Jeder hat sein eigenes Schicksal. Es ist ein Geschenk des Himmels. Da sind keine Geheimnisse“, sagte er der „Haaretz“ vor fünf Jahren. Auf die Frage, ob er sein hohes Alter vielleicht aufgrund einer besonderen Diät erreicht habe, sagte Kristal: „In den Lagern gab es nicht immer etwas zu essen. Was sie mir gegeben haben, habe ich gegessen.“ Er esse, um zu leben - er lebe nicht, um zu essen. Kristal betonte, er brauche nicht viel. Alles, was zu viel sei, sei nicht gut.

Küsse für die Thorarolle

Der hochbetagte Mann war der Ansicht, dass die Welt heute nicht mehr so gut sei wie früher. „Ich mag diese Freizügigkeit hier nicht. Heute ist alles erlaubt“, sagte er. Früher seien junge Menschen nicht so forsch gewesen. Sie hätten über eine Arbeit nachdenken müssen, um ihr Leben zu finanzieren, sie seien Tischler und Schneider gewesen.

Mit seiner späten Bar Mizwa ging für Israel Kristal ein großer Wunsch in Erfüllung. Das Fest ist vergleichbar mit der evangelischen Konfirmation oder der katholischen Firmung. Zu der Feier kamen rund 60 Familienmitglieder und gingen mit ihm in die Synagoge. Auf einem Bild ist zu sehen, wie Kristal liebevoll eine Thorarolle küsst. Ihr Vater sei schwach, aber er beschwere sich nicht, sagte seine Tochter damals. „Man kann sich nicht wie 13 fühlen, wenn man 113 ist.“ dpa

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