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Illegale Einwanderung als Schreckgespenst. Die Lega Nord – hier eine von ihr organisierte Demonstration im Oktober in Mailand – schürt im Land die Angst vor Migranten und Flüchtlingen.

© picture alliance / ROPI

Hass auf Einwanderer: „Rom gehört den Italienern!“

In den Problemvierteln der italienischen Hauptstadt steigert sich der Hass auf Einwanderer zu einer blutigen Hatz. In der Politik wächst die Sorge, dass das zu einem Dominoeffekt im ganzen Land führen könnte.

Sie stehen auf der Straße mit suchendem Blick, sie haben nur, was sie am Leib tragen, der Rest passt in einen Müllsack oder einen Minikoffer. Vor ein paar Wochen noch schwankten sie auf dem Mittelmeer zwischen Leben und Tod, diese 30, 40 Jungs aus Afrika, allein unterwegs, noch keine 18 Jahre alt. Jetzt sind sie im ersehnten Europa, und jetzt wissen sie wieder nicht wohin. Denn um sie herum ist ein Krieg entbrannt: „Neger raus aus der Stadt!“, schrie der Mob, der ihre Unterkunft überfallen hat und seit einigen Nächten die Polizei in Atem hält: „Rom gehört den Italienern!“ Mancher Beobachter will auch ein „Es lebe der Duce!“ gehört haben. Dann flogen Steine und Flaschen, Scheiben wurden eingeschlagen, Autos und Müllcontainer angezündet. Bis die Stadtverwaltung kapitulierte: Sie evakuierte die Minderjährigen am Donnerstag, brachte sie „aus Sicherheitsgründen“ in ruhigere Viertel. Nun, einen Tag später, stehen die Jungs wieder da. Wo sie hin sollten, war auch kein Bleiben. Sie wollen zurück.

Die Via Giorgio Morandi im Viertel Tor Sapienza ist ein breiter Boulevard zwischen gewaltigen Riegeln an Mietskasernen. Sozialer Wohnungsbau auch aus den siebziger, achtziger Jahren, als Rom sich einen solchen noch leisten konnte. Viel Geld haben sie dort alle nicht, viele Jobs auch nicht. Das Viertel an der östlichen Peripherie ist heruntergekommen, der Müll bleibt liegen, die Schlaglöcher offen; finster ist die Nacht, weil viele Straßenlampen fehlen – gerade hell genug für Drogenhandel und Prostitution.

In Tor Sapienza, nominell 12 000 Einwohner, haben viele Geschäfte aufgegeben; in den Räumen haben sich, einfach so, Roma eingenistet; andere kampieren in slumartigen Verschlägen auf öffentlichen Plätzen; dabei wäre ein großes, offizielles Roma-Lager nur ein paar Ecken weiter. „Dann haben sich auch noch Rumänen und Slawen breitgemacht”, sagen die Anwohner, „und jetzt, seit sie uns auch noch die da ins Quartier gesetzt haben, hören Diebstähle und Gewalt nicht mehr auf. Basta!“

„Die da“, das sind die insgesamt 70 Afrikaner, die von der Stadt in Tor Sapienza untergebracht sind. Schon mehr als 138 000 Leute sind ja übers Mittelmeer gekommen dieses Jahr, so viel wie nie zuvor. Der Staat verteilt sie erstmals übers Land, so gut es geht wenigstens, und Rom muss seinen Beitrag leisten – obwohl hier aus den vergangenen Jahren ohnehin schon ein paar tausend Schwarze hängen geblieben sind, mehr oder weniger legal und selbst als anerkannte Asylanten ihrem Schicksal überlassen in irgendwelchen gekaperten Hotelbauten, wo nicht nur Strom und Wasser Mangelware sind.

In Tor Sapienza jedenfalls hat die Stadt einen ganzen, siebenstöckigen Block angemietet; „Il sorriso, das Lächeln“ heißt die Kooperative, die die Afrikaner betreut und mitunter an deren Temperament verzweifelt. Platz wäre locker für zweihundert. Daran will jetzt aber keiner mehr denken.

Die Unruhen sind zu Wochenbeginn entflammt, als eine junge Frau behauptete, beim Spaziergang mit ihrem Pitbull von einem Roma sexuell belästigt worden zu sein. Einer fand sich, wurde verprügelt; 150 Anwohner zogen aber auch gleich vors Haus der Afrikaner, und eine offenbar gezielt bereitstehende Gruppe aus 50 Vermummten setzte die Gewalt in Gang: „Typ Faschisten, Ultras aus dem Fußballstadion“, sagt die Polizei.

„Wir klauen nicht, wir belästigen niemanden, wir wollen nur unseren Frieden“, sagen Flüchtlinge leise. Doch in den Bars wird ihnen gelegentlich der Kaffee verweigert, dann gibt’s Streit, Schubsereien, mitunter sind Messer im Spiel. „So viel Neid“, sagen Flüchtlinge: „Sie werfen uns vor, der Staat gebe uns 80 Euro am Tag, dabei sind’s nur 80 Euro im Monat, und die Hälfte geht für die Fahrten zur Schule oder zum Sprachunterricht drauf.“

In der „Lory-Bar“, die in Tor Sapienza so etwas wie der Quartiersstammtisch geworden ist, schwören sich die „echten“ Römer, so lange nicht zu ruhen, „bis die da weg sind“. Viele fügen hinzu: „Wir sind zwar keine Rassisten, aber...“

„Wir können nicht weg“, entgegnet die Leiterin von „Il sorriso“, Gabriella Errico: „Wenn wir hier nachgeben, dann zieht die Menge vors nächste Wohnheim, dann vors übernächste...“

Ohnehin befürchtet man in Rom, die Unruhen in Tor Sapienza könnten nur die ersten größeren Erscheinungen eines Domino-Effekts sein. Die östliche Peripherie, wo sich wegen der Banden- und Drogenkriminalität angeblich selbst die Polizei in einige Viertel nicht mehr vorwagt, ist berüchtigt. Im September hat ein 17-jähriger Italiener dort einen Pakistani zu Tode geprügelt: „Der hat mir ins Gesicht gespuckt“, rechtfertigte er sich und bekam Unterstützung in den diversen Internet-Foren. Als wenig später irgendwelche „Einwanderer“ – sagt man jedenfalls – zwei Linienbusse überfielen und auf die Fahrerinnen losgingen, zogen Römer aus, die nächstbesten Schwarzen zusammenzuschlagen. „Nehmt die Flüchtlinge weg“, fleht selbst der sozialdemokratische Bezirksbürgermeister, „wir können nicht mehr. Es sind einfach zu viele.“

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