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Auch im Straßenbild von Toronto sind deutsche Klassiker nicht zu übersehen.

© Lars von Törne

Gastronomie in Toronto: Man trinkt deutsch

Bier, Bratwurst und Berlin sind in Kanada populär. In Toronto zeigt sich das auch im Stadtbild.

Ausgerechnet Heino. Im Fenster der Szene-Bar „The Shameful Tiki Room“ in Toronto preist ein Schild einen „Evening of Songs and Spaß“ an, darüber in Großbuchstaben „HEINO!“ und ein Foto des wasserstoffblonden Entertainers aus dem fernen Germany. Oder zumindest eines ziemlich überzeugenden Doubles. Das Programm in der eigentlich eher polynesisch geprägten Bar zeigt: Deutsche Ausgehkultur steht in Kanada gerade hoch im Kurs. Das zeigt sich auch daran, dass in den vergangenen Jahren in den Kneipenvierteln der westlichen Innenstadt Torontos mehrere Läden eröffnet haben, die mit deutschen Zitaten spielen: Restaurants und Bars mit Namen wie „Ottos Berlin Döner“, „Wvrst“ oder „Biermarkt“.

Manches davon lässt sich mit Erlebnissen erklären, von denen drei junge Männer erzählen, die in einem kürzlich eröffneten Restaurant namens „Ottos Bierhalle“ am Tisch neben der Bar von ihren letzten Besuchen in Deutschland schwärmen. „Wir haben uns in Berlin verliebt“, erzählt Thomas Mosmejean (28), einer der Gründer und Geschäftsführer des neuen Lokals. Tische und Bänke im Bierhallenstil sind gut besetzt, wie fast jeden Abend, ein Geruch von Bier und frisch gebratenem Fleisch liegt in der Luft.

„Wir sind in den vergangenen fünf Jahren immer wieder drüben gewesen, um Freunde zu besuchen und zu feiern“, sagt Mosmejean, der zusammen mit seinen Freunden einige Jahre als Partyveranstalter sein Geld verdient hat. „Und da wir neidisch auf das Berliner Nachtleben waren, haben wir beschlossen, hier einen Laden zu eröffnen, der etwas davon nach Toronto holt.“ Da die Regeln in Kanada strenger als in Deutschland sind, wurde es dann doch kein Techno-Club, in dem man bis zum Morgengrauen tanzen und trinken kann. Stattdessen eröffneten Mosmejean und seine drei Geschäftspartner erst einen Imbiss mit kleinem Biergarten namens „Ottos Berlin Döner“ und dann die Bierhalle, an deren Außenwand das Wort „Bier“ als Leuchtschild den Weg weist.

Berlin-Fans. Das Team von "Ottos Bierhalle" in Toronto: Thomas Masmejan, Matt Eckensweiler und Konrad Droeske (von links).
Berlin-Fans. Das Team von "Ottos Bierhalle" in Toronto: Thomas Masmejan, Matt Eckensweiler und Konrad Droeske (von links).

© Lars von Törne

„Der Berliner Lifestyle ist einfach cool“, sagt Ko-Gründer Konrad Droeske (30). Der Ingenieur zählt zu seinen Vorfahren auch Deutsche, wenngleich er die Sprache nie gelernt hat und ihn erst seine Leidenschaft für Disco, House und elektronischer Musik erstmals über den Atlantik lockte: „Wir lieben die Stadt für Clubs wie das Berghain und das Stattbad Wedding, für die Kunstszene, die lockeren Gesetze und die bezahlbaren Mieten.“ Die Wände des „Bier“ sind kaum verputzt, unter der bröckelnden Farbe sind einzelne Ziegelsteine zu sehen, daneben schwarz-weiße Poster im Street-Art- Look – ein Hauch von Neukölln in Kanada. Und ein bewusster Kontrast zu dem schicken, gepflegten Look, der viele der angesagten Ausgeh-Orte Torontos normalerweise auszeichnet. Dank Direktimport gibt’s hier neben Jever, Krombacher und Paulaner vom Fass inzwischen sogar Club Mate. Und auf der Speisekarte steht neben Schnitzel und Rouladen natürlich auch Currywurst – in Kanada ein Exotikum.

Wie populär Deutschland und gerade Berlin in Kanada derzeit sind, merkt auch Ulrike Kugler, Leiterin der Abteilung für Spracharbeit beim Goethe-Institut Toronto. Während früher vor allem Kanadier mit deutschen Eltern oder Großeltern die Deutschkurse in Schulen, beim Goethe-Institut und anderen Einrichtungen besuchten, wächst seit einigen Jahren die Zahl von Deutsch-Schülern, die keinerlei familiäre Verbindungen in die Bundesrepublik haben, erzählt sie bei einem Gespräch im Klassenzimmer „Berlin“. An den Wänden hängen Fotos von den Hackeschen Höfen und dem Potsdamer Platz, daneben eine schwarze Silhouette samt Fernsehturm, Gedächtniskirche und Brandenburger Tor. „Deutsch gilt als Sprache, die einem berufliche Perspektiven bietet“, sagt die aus Wien stammende Sprachlehrerin, die seit 13 Jahren in Kanada lebt.

Viele der rund 36 000 Kanadier, die derzeit nach der jüngsten vom Auswärtigen Amt veröffentlichten Statistik Deutsch lernen, stammen aus bildungsbeflissenen Familien, die ihren Kindern zusätzliche berufliche Perspektiven eröffnen wollen: Deutsch macht sich gut im Lebenslauf, die kostengünstigen Studienmöglichkeiten in Deutschland gelten als attraktiv, und viele internationale Konzerne wie Siemens und BMW, die in Kanada sehr präsent sind, haben deutsche Wurzeln. Wenn das Gespräch darauf kommt, was die Schüler an Deutschland reizt, fällt besonders oft der Name Berlin, sagt Kugler: „Die Stadt gilt als trendy und sexy.“ Zwar gehören auch traditionelle Klassiker wie das Oktoberfest noch zu den Wunschzielen vieler Kanadier. Aber als wichtigster Anziehungspunkt werde in den vergangenen Jahren vor allem die deutsche Hauptstadt genannt.

Na dann Prost. Bei jüngeren Leuten stehen Speisen und Getränke aus Deutschland gerade hoch im Kurs.
Na dann Prost. Bei jüngeren Leuten stehen Speisen und Getränke aus Deutschland gerade hoch im Kurs.

© imago/ZUMA Press

Für Aldo Lanzillotta (38) ist die Bundesrepublik vor allem das Land, von dem ihm sein Vater immer vorgeschwärmt hat. Der stammt eigentlich aus Italien und lebt nun schon seit Jahrzehnten in Kanada, hat aber als junger Mann einige Zeit in Deutschland verbracht. Vor allem von den dortigen Bierhallen und den vielen Wurst-Spezialitäten hat er seinem Sohn offenbar viel Gutes erzählt. Als Lanzilotta junior vor ein paar Jahren beschloss, sich als Gastronom selbstständig zu machen, gaben des Vaters Erinnerungen die Richtung vor: „Wvrst“ nannte er seine Bierbar im Ausgehviertel entlang der zentralen King Street, die die europäische Tradition würdigt, zugleich aber etwas Modernes ausstrahlt. Da die Speisekarte von 30 größtenteils europäischen Wurstsorten – darunter auch Oktoberfestwurst und klassische Bratwurst – dominiert wird, lag der Name nahe. Um dem Ganzen aber einen ungewöhnlichen Dreh zu geben, ersetzten Lanzillotta und sein Geschäftspartner das „u“ durch ein „v“. Manche Begriffe der deutschen Sprache haben es in Kanada allerdings schwer, Verbreitung zu finden. So hatten die Gründer von „Ottos Bierhalle“ von Anfang an auch Käsespätzle auf der Karte. Nach einigen Verständigungsschwierigkeiten mit den Kunden wurde das Angebot auf einen leichter auszusprechenden Begriff reduziert: Jetzt gibt’s hier zu Bier und Bratwurst einfach „Spätz“.

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