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Panorama: Falsche Schminke

Der Hollywood-Film „Die Geisha“ löst in Japan Empörung aus – kaum etwas daran ist authentisch

Stunden dauert die Prozedur. Immer fester schlingt man den Kimono um Hüften und Beine des jungen Mädchens. Dass es sich dabei „um reine Tatsumura-Seide“ handelt, macht es nicht besser – die Jung-Geisha Chiyo kann kaum noch atmen. Endlich darf sie aufstehen, aber nur noch mit Trippelschritten kann sie sich fortbewegen, auf edelste Weise gefesselt. Dicke weiße Schminke verbirgt ihr Gesicht. Bald wird Chiyo im Kyoto der 20er Jahre ihre Jungfräulichkeit meistbietend versteigern – so sind sie, die Japaner. Oder etwa nicht?

Japan war empört, als Rob Marshalls Film „Die Geisha“ Anfang Dezember in Tokio seine Weltpremiere feierte. Von „Skandal“ schrieb die Presse, und seitdem reißt die Kritik an dem Film, der gestern in Deutschland startete, nicht mehr ab. Warum? Schon die Buchvorlage, der Roman „Memoires of a Geisha“ des Amerikaners Arthur Golden, wurde bei ihrem Erscheinen 1997 nicht nur zum Bestseller, sie erntete auch viel Kritik: Golden behauptet zwar, seine Geschichte von der kleinen Chiyo, die ihr Vater 1929 in die große böse Stadt verkauft, wo sie allmählich zur schönsten, berühmtesten und überhaupt besten Geisha Japans aufsteigt, basiere auf „wahrem Geschehen“, in diesem Fall den Memoiren der legendären Geisha Mineko Iwasaki. Goldens Amerikanisierung brachte ihm aber eine Klage ein und das Verbot, sich auf Iwasaki zu berufen.

Es gehört wohl zu den größeren Geheimnissen der westlichen Kultur, warum aller weiblichen Emanzipation zum Trotz gerade Bücher wie dieses die Seelen vieler rühren – klischeetriefende Blicke auf exotische Kulturen, verbunden mit Kleinmädchenfantasien und der Mär, dass sich hinter jeder noch so selbstbewussten Frau letztlich ein schwaches Weib verbirgt, das nichts mehr ersehnt, als vom Mann ihrer Träume erobert zu werden. Wer erwartete von Regisseur Rob Marschall ernsthaft, irgendetwas über japanische Kultur zu erfahren oder gar den Geisha-Mythos näher erkunden zu können? Die Dialoge des Films sind so wenig authentisch wie das Bild, das Puccinis „Madame Butterfly“ von der Kultur Japans liefert, und diese, wenn man so will, fürs 19. Jahrhundert disneyfiziert. Und wieder einmal bedient Hollywood das Vorurteil, bei Geishas handele es sich allemal nur um verkappte Prostituierte: Dass sie das nicht seien, wird zwar in den Dialogen mehrfach betont, was man sieht, spricht eine andere Sprache: Einer der Haupthandlungsstränge rankt sich sogar darum, wie Chiyo ihre Jungfräulichkeit meistbietend verkauft.

Marschalls schlimmste Sünde ist aber die Besetzung der weiblichen Hauptrollen. Bei Gong Li, Michelle Yeoh und Zhang Ziyi, die die Hauptrolle der Chiyo spielt, handelt es zwar um drei der besten Darstellerinnen Asiens, nur stammen sie alle drei aus China. Und das ist nun ungefähr so, als würde man in einem europäischen Film drei kühle Schwedinnen von sizilianischen Darstellerinnen spielen lassen – es funktioniert nicht, und wer ein wenig hinschaut, sieht das auch. Und weil sie auf Englisch sprechen müssen, haben sie auch noch einen chinesischen Akzent. Erschwerend kommt hinzu, dass die Beziehungen zwischen China und seinem einstigen Besatzer Japan auch nicht gerade zum Besten stehen. Alle paar Monate besucht der japanische Premier den umstrittenen Yasukuni-Schrein, was vielerorts als Verteidigung des japanischen Militarismus und der imperialistischen Politik der 30er Jahre verstanden wird – weshalb jetzt auch manche in China den chinesischen Darstellern Landesverrat vorwerfen, weil sie diese Rollen überhaupt angenommen haben.

Doch klingen die Töne aus Japan und China etwas übertrieben. Denn genau genommen verhält sich Hollywood in „Die Geisha“ kaum anders als vorher schon. Man benutzt wieder einmal Stereotypen und Versatzstücke einer fremden Kultur, um etwas Uramerikanisches zu erzählen. Andererseits ist Hollywood spätestens seit „Lost in Translation“, „Kill Bill“ und „Last Samurai“ derzeit Japan und China gegenüber so offen wie noch nie. Die Ergebnisse sind nur sehr verschieden.

Rüdiger Suchsland

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