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JoLee, Winsstraße 65, Prenzlauer Berg, Tel.: 0176/31399431, geöffnet tägl. außer Di 18-24 Uhr,

© Kitty Kleist-Heinrich

Von TISCH zu TISCH: JoLee

Makrele mit gegrillter Ananas und schwarzem Sesam.

Koreanisch ist das neue Vietnamesisch in der Stadt. Kein Mensch kommt mehr hinterher bei all den Berliner Neueröffnungen im Sauerkraut-Fach, es ist, als hätte eine Behörde amtlich verordnet, ab sofort nur noch solche Restaurants zuzulassen. Es gibt aber in der Realität vermutlich einen großen und einen kleinen Grund. Der große: Die unzähligen Asien-Fans haben Lust auf was Neues. Und der kleine: Die koreanische Küche mit ihren vielen fermentierten Gerichten trifft einen wichtigen Trend und hat sich langsam vom Ruf befreit, ungefähr wie China-Küche zu sein, nur lascher und ohne Gewürze.

Das „JoLee“ in einer alten Eckkneipe in Prenzlauer Berg ist allerdings kein typischer Koreaner. In der Küche steht Felix Metzger, der die klassischen Aromen und Methoden eher als Basis nimmt für eigene Ausflüge, die aber meist auf ein koreanisches Original zurückzuführen sind. Das Thema Sauerkraut wird deshalb gleich mit einem Häppchen vornweg, schön scharf, geklärt, und der Weg ist frei für eine ganze Reihe origineller Gerichte, die man sich freihändig aus der Karte wählen kann und die dann auch nach und nach auf den Tisch kommen.

Schalotten mit Minzsalat

Großartig schmeckt zum Beispiel der knusprig gebratene Oktopus, schon ein Klassiker, der mit einer Rouille-Mayonnaise kommt, die allerdings mit der typischen Gochujang-Paste gewürzt ist, sowie mit einer Koriander-Limetten-Gremolata, was auf Italienisch so viel wie „kleingehackt“ bedeutet. Klingt gut? Schmeckt toll, nur die Saucenmenge ist, wohl aus optischen Gründen, so dosiert, dass man sie besser nicht aufessen sollte. Apart, vielleicht etwas spannungsarm: Auf Salz gegarte Schalotten in Rote-Beten-Jus mit Minzsalat.

Etwas kleiner dimensioniert, aber nicht weniger köstlich war die Makrele mit gegrillter Ananas, schwarzem Sesam und hübsch blauen Borretsch-Blüten. Ha, jetzt doch noch mal Kimchi: Als sanft geschärfte Beigabe zu (angenehm unglitschigen) Graupen, auf denen ein Stück gebratene Entenleber lag – da kommen so viele natürliche Glutamate zusammen, dass man unmöglich aufhören kann. Und auch die ausgelösten Schweinerippchen mit Barbecue-Lack und feingehackten Kräutern brachen unseren Widerstand gegen die wiederum recht üppige, schön cremige Sauce drunter.

Schließlich gibt es noch Desserts, die harmlos klingen, aber mit aller gebotenen Raffinesse zubereitet sind, zum Beispiel die dekonstruierte Crème brûlée. All diese Gerichte kosten zwischen 8 und 20 Euro, es gibt auch noch ein ganzes Stubenküken für 31, das wir nicht probiert haben. Kleiner Einwand zum Preis: Wenn es, angesagt, statt Aal Makrele gibt, dann sollte auch der für Aal geltende Preis auf Makrelen-Niveau gesenkt werden.

Das ist jetzt mal nur das Essen. Aber zum Wohlfühlerlebnis gehört mehr, jedenfalls bei mir, und das ist der Grund dafür, dass das hier für mich so eine Art Entdeckung des Jahres wurde. Denn erstens: Es ist mit viel Holz und gedeckt grünen Wänden anheimelnd eingerichtet, die Beleuchtung fällt tatsächlich (Wirte! Das geht!) so auf den Teller, dass man deren Inhalt gut sieht, ohne selbst angeleuchtet zu werden – mit jeder neuen Schummerbude kommt mir das wichtiger vor.

Selbstsicherer Service

Und dann ist da noch Johanna Jester, die Chefin (mit offenbar koreanischen Wurzeln), die einen verblüffend selbstsicheren und genauen Service hinlegt, das vertrauliche Prenzlberger „Ihr“ eingeschlossen. Sie trifft den richtigen Ton und ist eine tolle Gastgeberin, die die Gerichte eingehend erklären kann und sich überdies im Weinfach auskennt. Vor allem deutsche Abfüllungen stehen auf der Karte; eine Scheurebe von Wittmann, die viele Gerichte angemessen begleitet, kostet beispielsweise 36 Euro. Wer aber spezielles Interesse am Thema äußert und womöglich Kritik an einer Kombination äußert wie wir, der kann durchaus mit noch weiteren Kostproben rechnen.

Ich hoffe, dass das gut geht. Denn Prenzlauer Berg ist ja in erster Linie eine Adresse für billiges Essen, das hier nun nicht geboten wird. Dafür setzt es in seiner Nische Maßstäbe.

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