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Beim Maischen kommt es darauf an, die richtige Temperatur zu halten.

© Thilo Rückeis

Selbstversuch: Daheim Bier brauen - funktioniert das?

Bier aus kleiner Produktion ist ein ganz großer Trend. Da kann man es auch gleich selbst machen - dachte ich. Jetzt riecht es Zuhause wie in einer Brauerei.

Die Phase, in der ich ungetrübte Freude habe an diesem Experiment, dauert ein paar Tage. Sie beginnt, als das eigentliche Brauen schon vorbei ist. Die Flüssigkeit, aus der bald Bier entstehen soll, lagert da gerade in einem großen, gut verschlossenen Plastikeimer im Flur meiner Wohnung. Obwohl ich mich nach Stunden der Stille langsam aufs Scheitern vorbereite, beginnt es plötzlich doch noch – zu blubbern.

Einmal, zweimal, immer wieder gerät das Wasser im Gärröhrchen, das aus dem Eimerdeckel ragt, in Bewegung. Die zugesetzte Hefe hat also mit ihrer Arbeit begonnen! Sie wandelt nun Zucker um. Im Eimer entsteht Alkohol und eben Kohlendioxid, das hörbar nach außen drängt. Zum ersten Mal kann ich mir vorstellen, dass aus all dem, was ich mit Mühe geschrotet, erhitzt, zusammengerührt und gekocht habe, ein Getränk entsteht. Eines mit ganz eigenem Charakter. Eines, das vielleicht sogar schmeckt.

In einem Anfall von Euphorie denke ich über einen Namen für mein Bier nach und über ein Logo. Ich bin kurz davor, im Internet, wo ein Hobbybrauer heute alles bekommt, auch noch bedruckbare Etiketten und Bierdeckel zu bestellen.

Heute posieren Hipster aus New York neben ihrem Selbstgebrautem

Brauen ist ein Trend. Vor allem unter männlichen Großstädtern meines Alters – Leute in ihren 20ern und 30ern – gibt es eine wachsende Bewegung. Begonnen hat es in den USA, weshalb Biere, die in kleinerem Maßstab produziert werden, als „Craft Beer“ bekannt sind; Craft bedeutet Handwerk. Die Welle hat insbesondere Länder erfasst, in denen keine ordentlichen Massenbiere auf dem Markt sind. Mittlerweile ist sie auch in Deutschland angekommen, Berlin gilt als Hochburg. Früher mag Hobbybrauen etwas für Männer mit jahrzehntelang erarbeitetem Bauch und Nerds in Mottoshirts („Save water, drink beer“) gewesen sein. Heute posieren in Hochglanz-Publikationen wie dem „Craft-Bier Buch“ aus dem Gestalten-Verlag New Yorker oder Kopenhagener Hipster neben ihrem Selbstgebrauten. Die Botschaft: Das Leben will genossen und auch der Biergenuss ständig verfeinert werden.

Tatsächlich bietet Bier eine geschmackliche Bandbreite, von der man wenig ahnt, wenn man sich nur an die großen Marken hält. In letzter Zeit habe ich Bier aus Belgien für mich entdeckt, das mangels Reinheitsgebot vielfältiger ist als das deutsche. Etwas Vergleichbares selber zu schaffen, das wär’s. Meine Vorfreude ist groß. Und wenig spricht dagegen, es selbst mal auszuprobieren. Bei kleinen Mengen für den Eigenbedarf braucht es weder viel Ausrüstung, noch ist eine Lizenz nötig oder fallen Steuern an. Anders als beim Schnapsbrennen können auch keine gefährlichen Blindmacher entstehen.

Ich werfe einen Blick in „Gutes Bier selbst brauen“ von Hubert Hanghofer. Das Buch wird auf verschiedenen Seiten im Netz empfohlen. Na ja. Fortgeschrittenen mag es helfen, mir flößt es lähmenden Respekt ein. Mit Sätzen wie diesen: „Im Gegensatz zur Gerste hat Weizen keine Spelzen. Dies führt bei einem Schüttungsanteil von über 70% zu Problemen beim Abläutern.“ Es hat, denke ich besorgt, wohl seinen Grund, warum Brauwesen ein eigener Studiengang ist.

Im Kern besteht das Brauen aus drei simplen Schritten

Beim Läutern wird die Maische durch eine Art Filter gegeben.
Beim Läutern wird die Maische durch eine Art Filter gegeben.

© Thile Rückeis

Dabei besteht Brauen im Kern aus drei simplen Schritten. Zuerst wird Malz – gekeimtes und getrocknetes Getreide – in heißem Wasser eingeweicht, um Stärke zu lösen, die dann in Zucker umgewandelt wird. Dieser Vorgang heißt „Maischen“. Beim anschließenden „Läutern“ wird die Maische durch ein Sieb gegeben, dann kommt heißes Wasser drüber. Die Flüssigkeit, die so entsteht, nennt man Würze. Sie wird gut eine Stunde gekocht. An dieser Stelle fügt der Brauer Hopfen hinzu, fürs Aroma. Ohne Reinheitsgebot dürfen es auch allerlei Blüten, Kräuter, Früchte und Gewürze sein, etwa Wacholderbeeren oder Zitronenschalen.

Mit Vorbereitung braucht man für alles um die vier Stunden. Danach wird Hefe in die abgekühlte Würze gegeben. Die dadurch ausgelöste Gärung dauert rund sieben Tage. Ganz am Ende muss das Bier noch ein paar Wochen im Kühlen reifen.

Für den ersten Versuch halte ich mich an ein Bier-Kit. Das sind Komplettpakete, mit denen man ohne Vorkenntnisse brauen kann. Meines stammt von der Firma Gozdawa und kostet zusammen mit einem 30-Liter-Gäreimer und einem Abfüllröhrchen für Flaschen und Fässer knapp 32 Euro. Auch ein Desinfektionsmittel ist dabei, Sauberkeit sei entscheidend, lese ich überall. Ich bestelle dieses „Starterset Maxi“ beim Internethändler „Hopfen und mehr“. Bereits drei Tage später ist es da.

Ein Kit verhält sich zum Brauen wie das Aufwärmen eines Fertiggerichts zum Kochen. Schritt eins und zwei – Maischen und Läutern – fallen ganz weg. Alles, was man tun muss, ist, ein sirupartiges Malzextrakt aus der Dose mit einem Kilo Zucker aufzukochen. Auf diese Mischung kommt so viel kaltes Wasser, bis in dem Plastikeimer 23 Liter erreicht sind. Schon kann die angerührte Trockenhefe hinzugegeben werden.

Das Aufwendigste ist in meinem Fall das Abfüllen nach der Gärung. Ich habe mich entschieden, dafür leergetrunkene Flaschen mit Bügelverschluss zu verwenden. Sie müssen gereinigt und mit sehr heißem Wasser ausgespült, ihre Verschlüsse abgekocht werden. Eine Heidenarbeit. Außer dem jungen Bier kommt noch etwas Zucker in die Flaschen, dann werden sie verschlossen und für mindestens 21 Tage in den Kühlschrank gelegt. Das Ergebnis soll später ein „Golden Ale“ sein.

Bevor ich mich ans echte Brauen wage, besuche ich im „Pfefferbräu“ an der Schönhauser Allee einen Kurs. Mein Lehrer ist Braumeister Thorsten Schoppe, ein Vorreiter der Craft-Beer-Szene in Berlin. Es hilft sehr, Schoppe zuzuschauen. Wirklich verstanden haben werde ich das Brauen aber erst, nachdem ich es einmal zu Hause probiert und dabei saublöde Fehler (viel zu viel Wasser!) gemacht habe.

Die durchgekochte Würze muss schnell abgekühlt werden

Beim dritten Schritt, dem Würzekochen, wird Hopfen hinzugegeben.
Beim dritten Schritt, dem Würzekochen, wird Hopfen hinzugegeben.

© Thilo Rückeis

Der zweite Durchgang gelingt dann. Thorsten Schoppe hat mir Ausrüstung geliehen, eine Malzmühle, einen großen Kessel zum Kochen und einen Läuterbottich samt Sieb. Nur ein Gerät, mit dessen Hilfe sich der Alkoholgehalt berechnen lässt, fehlt. Na und? Ein paar Prozent mehr sollen mir recht sein.

Ich entscheide mich für ein Rezept aus dem fabelhaften Buch „Bier selbst brauen“, das bei Dorling Kindersley erschienen ist. Das „Patersbier“ mit seinen 4,7 Prozent Alkohol gehe auf ein Gebräu belgischer Mönche zurück, heißt es. Es sei „einfach herzustellen, leicht und erstaunlich wohlschmeckend“. Weil es sich um ein obergäriges Bier handelt, kann der Gäreimer bei mir daheim stehen. Die Hefe für untergärige Biere, etwa Pils, würde niedrigere Temperaturen benötigen.

Im Netz bestelle ich die richtige Malz- und Hopfensorte, außerdem ein Paket von einer bestimmten Flüssighefe. Fürs Aroma sieht das Rezept zusätzlich ein paar Gramm Irish Moss vor, eine Rotalge der nordatlantischen Küsten. Zusammen kostet das knapp über 30 Euro.

Alles funktioniert. Irgendwie. Beim Maischen muss man für viele Minuten bestimmte Temperaturen halten. Doch mein Thermometer ist unzuverlässig, und die Flammenstärke des Herds lässt sich so exakt nicht einstellen. In meiner Küche riecht es bald süßlich, und die Luft hat regenwaldartige Feuchte. Knackpunkt am Ende: Die durchgekochte Würze muss schnell abgekühlt werden, damit sich in ihr keine schädlichen Bakterien breitmachen, bevor die Hefe hineinkommt. Also rein mit dem Kessel ins Eiswasser. Funktioniert. Doch gibt es gleich wieder neue Sorgen: Habe ich die sensible Flüssighefe richtig gelagert und lange genug gehen lassen? Dann aber blubbert es endlich, wie gesagt. Halleluja!

Acht Tage später fülle ich das junge „Patersbier“ in Partyfässchen ab, die ich im Keller eines Weinhändlers lasse.

Einen Monat darauf können die Kollegen meine zwei Biere verkosten. Das „Golden Ale“, das ich mit dem Kit gebraut habe, verfügt über angenehm viel Kohlensäure und hat eine schöne Schaumkrone, die jedoch sofort zusammenfällt. Es schmeckt frisch, riecht nach Apfel wie ein Cider, nur der Abgang ist flach. Kann man trinken. Das „Patersbier“ finden die Kollegen bitter, die Irish-Moss-Note wirkt zu dominant. Habe ich einen Fehler gemacht, und wenn ja welchen? Ich weiß es nicht. War ja auch nur ein Anfang.

Das Schönste an meinem Experiment ist der Erkenntnisgewinn. Wenn ich jetzt ein Bier trinke, habe ich eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wie es hergestellt wurde. Fürs Erste überlasse ich das aber wieder den Profis.

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