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Bei Banken im italienischen Emilia Romagna liegen nicht nur Goldbarren in den Tresoren, sondern auch Parmesan.

©  Reuters/Alessandro Bianchi

Parmesan ist Italiens Gold: Die Laibwächter

Ein Laib Parmesan: 500 Liter Milch, 36 Monate Reifezeit, 40 Kilogramm schwer – und über 400 Euro wert. Italienische Käsemacher lagern ihr essbares Gold gegen Kredit bei Banken ein.

Im Jahr 2003 wurde die Bank ausgeraubt. „Wir haben daraus gelernt und die Sicherheit verbessert“, sagt William Bizzarri. Eigentlich ist das Gebäude im kleinen Montecavolo di Quattro Castella, zwischen Parma und Modena, günstig gelegen. Ein Fluss und ein Hang bilden natürliche Hindernisse. „Nur auf einer Seite ist die Anlage relativ ungeschützt, mehr sollte ich dazu besser nicht sagen.“ Bizzarri – ein distinguierter Herr mit grauem Bart, einer Brille mit blauem Rand und einem Pullover im gleichen Farbton – lacht. Längst ist eine 24-Stunden-Videoüberwachung in Betrieb. „Noch wichtiger: Dank Barrieren können LKWs nicht ohne Weiteres ans Haus heranfahren.“ Denn das würde den Räubern den Abtransport des Diebesguts erleichtern.

Damals ließen sie eine Million Euro mitgehen. Genauer gesagt: 2500 Laib Käse, jeder über 40 Kilogramm schwer. Der geschätzte Wert pro Stück liegt bei mehr als 400 Euro.

Das Gebäude in Montecavolo gehört einer Tochtergesellschaft der Credito Emiliano. Die italienische Bank, abgekürzt Credem, ist an der Börse notiert und überhaupt ein ganz normales Kreditinstitut. Aber eben eines, das nicht nur Goldbarren in seinen Tresoren hat, sondern auch Parmesan. Ein paar andere Banken in Norditalien halten es genauso. Denn die regionale Hartkäsespezialität, die weltweit über Pasta gerieben und in Italien auch gern mit Balsamico als separater Gang serviert wird, ist eine krisenfeste Sicherheit. Was macht echten Parmesan aus – und warum ist er so begehrt?

Das Geschäftsmodell gibt es seit den 1950er Jahren

William Bizzarri hat sich 18 Jahre lang als Generaldirektor ums Parmesangeschäft von Credem gekümmert, danach blieb er der Bank als Berater verbunden. Er führt in eine der Lagerhallen. Zwölf Meter hoch ist sie, die Temperatur liegt konstant bei knapp unter 20 Grad. Es duftet intensiv. Auf Regalbrettern stapelt sich der Käse bis unter die Decke. Insgesamt 300 000 Laibe lagern in Montecavolo, sie haben einen Wert von 130 Millionen Euro. Die Anlage ist die größte ihrer Art. „Credem hat noch ein zweites Parmesan-Lager an einem anderen Ort, dort gibt es weitere 200 000 Laibe.“

Der Parmesan wird in den Hallen nicht einfach nur aufbewahrt, er reift hier unter optimalen Bedingungen. Meist 24 oder 36 Monate, manchmal sogar noch länger. Es ist die letzte Phase in der Herstellung des Käses. „Unser Geschäftsmodell gibt es seit den 1950er Jahren“, sagt Banker Bizzarri. Und so funktioniert es: Die Produzenten bringen ihre frischen Laibe zur Bank, die den Wert des Käses schätzt und in einem Dokument festhält. Mit dieser Bescheinigung bekommen die Kunden später am Schalter einen Kredit, er entspricht rund drei Viertel des Käsewerts. Mit dem Geld können die Bauern einen neuen Traktor kaufen oder die laufende Parmesanproduktion finanzieren.

Nach der Reifung zahlen die Käsehersteller den Kredit zurück und bekommen die Laibe wieder – und wenn sie das nicht tun, hat die Bank immer noch den Parmesan als Sicherheit und kann ihn verkaufen. Es ist ein Geschäft, von dem beide Seiten profitieren und das manchem deshalb als vorbildlich gilt. Die Parmesanhersteller hält es liquide, und die Banken erwirtschaften dank Zinsen einen kleinen Gewinn, beinahe risikolos. „Während andere italienische Banken im Moment leiden, haben wir keine Probleme.“

Parmesan herzustellen, ist harte Arbeit

Sagenhafte 1000 Liter Kuhmilch oder sogar ein wenig mehr braucht es für zwei Laibe.
Sagenhafte 1000 Liter Kuhmilch oder sogar ein wenig mehr braucht es für zwei Laibe.

© CARLO GUTTADAURO

Die Geschichte des Parmesans reicht zurück bis ins Jahr 1200. Seit Mönche ihn erfanden, hat sich wenig an der Herstellung geändert. Heute ist „Parmigiano Reggiano“ eine geschützte Herkunftsbezeichnung für den Original-Parmesan. Diesen Titel darf nur Käse tragen, der nach strengen Regeln – angefangen bei der Fütterung der Kühe – in den Provinzen Parma, Reggio Emilia, Modena, Bologna und Teilen der Mantua produziert wird. Großen Wert legt man in der Gegend auf den Unterschied zum populären und im Durchschnitt günstigeren „Grana Padano“. Der ist ebenfalls körnig-bröcklig, darf aber aus der gesamten Po-Ebene stammen und hat meist eine kürzere Reifezeit.

Parmesan herzustellen, ist harte Arbeit. Zum Beispiel in der „Caseificio Nuova Martignana“ südlich von Modena. In dieser landwirtschaftlichen Genossenschaft ist das Käsemachen Familiensache: An der Seite von Meister Mauro Baschieri arbeiten dessen Frau und der erwachsene Sohn. Nach der Hochzeit hatte das Paar mal zehn Tage Urlaub, und in den vergangenen Jahren durfte es immerhin je eine Woche in die Ferien gehen. Freie Tage kennen die Baschieris sonst nicht. „Sonntags ist es aber relativ entspannt“, erzählt der Meister, „da sind wir um neun Uhr mit allem durch.“ 5000 Laibe stellt Baschieri im Jahr her, „und ich mache den Job seit drei Jahrzehnten, Sie können sich ausrechnen, was da schon zusammengekommen ist.“

Für die Parmesanherstellung werden die Kühe zwei Mal am Tag gemolken. Am frühen Morgen vereint der Käser die Milch vom Vorabend – der Rahm, der sich gebildet hat, wird abgeschöpft – mit ganz frischer. Sagenhafte 1000 Liter oder sogar ein wenig mehr braucht es für zwei Laibe. So viel Milch passt in den großen Kupferkessel, über den sich Baschieri jetzt beugt. Sie wird erwärmt, hinein kommen eine Starterkultur von der Produktion des Vortags und Lab, ein Enzymgemisch aus dem Kälbermagen (Parmesan ist deshalb nicht vegetarisch!), das die Gerinnung einleitet.

Je länger der Reifeprozesses, desto würziger wird der Parmesan

Man kann dabei zuschauen, wie die Milch unter dem Einfluss der Enzyme dickflüssiger wird. Nach wenigen Minuten folgt die wichtigste Phase. Der Meister zeigt nun sein ganzes Können. Er rührt die gerinnende Milch um mit einer Art Sieb, „Käseharfe“ genannt, und zerteilt sie. Ein Granulat entsteht. Es handelt sich um die Trennung von Molke und Kasein, dem Proteinanteil der Milch. Während der Käser die Temperatur erhöht, sie liegt jetzt bei über 30 Grad Celsius, schreitet dieser Prozess fort.

Nach dem Beenden der Erwärmung sinkt das Käsegranulat auf den Boden des Kessels. Eine Stunde später heben es Baschieri und seine Helfer mit einem Tuch aus der Molke heraus. Der 100 Kilo schwere Klops wird in der Hälfte geteilt, ecco: zwei Laibe Parmesan.

Die Molke wird abgesaugt und an die Tiere verfüttert. Der junge Käse selbst muss ein wenig abtropfen, kommt mehrere Stunden in ein rundes Plastikkorsett, das ihm Form verleiht und ihn weiter Flüssigkeit verlieren lässt, und schließlich in eine stark mit Salz gesättigte Lake. Das Salz konserviert und gibt Geschmack.

Richtig durchdringen kann es den Laib während des Reifeprozesses. Je länger dieser dauert, desto härter und würziger wird der Parmesan. Zwölf Monate sind das Minimum. Dann erinnert der Geschmack des Käses noch an Milch und Joghurt, ein wenig auch an Kohl. Nach 24 Monaten ist er bröckliger, trockener und pikanter, mit leichter Fruchtnote. Mit 36 Monaten erreicht er schließlich seinen geschmacklichen Höhepunkt, das Aroma erinnert an Nüsse und Bouillon.

Das Erdbeben

Zur Parmesanbank bringen ihre Laibe nicht nur Hersteller, die einen Kredit brauchen, sondern auch solche, die selbst keine Lagerstätten haben oder ihren Käse besonders geschützt wissen wollen. „Neulich sind in einer kleinen Käsefabrik ein paar Kilometer von hier Diebe mit ihrem LKW durch die Wand gekracht und haben eingepackt, so viel sie konnten“, erzählt Banker Bizzarri. „Dort war das ganz leicht für die.“ Auch Naturkatastrophen sind eine Gefahr. Als 2012 ein schweres Erdbeben die Emilia-Romagna erschütterte, stürzten reihenweise Käsemagazine ein. Der Schaden lag bei vielen Millionen Euro.

In der Parmesanbank wird der Käse gehegt und gepflegt. Maschinen heben den Laib heraus, putzen und wenden ihn, letzteres ist vor allem am Anfang wichtig. Und dann sind da noch die Kontrolleure. Sie schauen immer wieder vorbei, um zu überprüfen, ob der Käse wirklich das Siegel „Parmigiano Reggiano“ verdient hat. Mit einem Hämmerchen klopfen sie den Laib ab und lauschen aufs Geräusch. So können sie herausfinden, ob im Innern alles stimmt. So viel Aufmerksamkeit erfahren nicht mal Goldbarren.

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