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Kochduell. Carbonara – oder etwa pochiertes Ei mit Nudeln? Im Test können die One-Pot-Gerichte nicht immer mithalten.

© Mike Wolff

One-Pot-Pasta: Quatsch mit Sauce

Alle Zutaten zusammen mit Nudeln in einen Topf werfen, kochen, al dente, auf den Tisch! Das verspricht die One-Pot-Pasta-Methode. Funktioniert sie auch? Ein Experiment an Carbonara.

Giuseppe Perna gibt den Gekränkten. Ob wir seine Großmutter erzürnen wollten? Die braunen Augen unter dem grauen Scheitel blitzen. Sein Vater hätte sich scheiden lassen, wenn seine Frau sowas in der Küche veranstaltet hätte. „Das ist eine Beleidigung einer Kultur!“

Was den gebürtigen Sizilianer und Betreiber des renommierten italienischen Restaurants „Il Punto“ in Mitte so aufregt? Eine Kochmethode, die seit einiger Zeit die Runde durch Foodblogs und Zeitschriften macht und nun auch auf dem Kochbuchmarkt angekommen ist: One Pot Pasta.

Die Idee ist simpel. Statt Nudeln und Sauce separat zuzubereiten und erst kurz vor dem Servieren zu mischen, werden alle Zutaten gemeinsam in einen Topf gekocht. Bücher wie „1 Pot Pasta ... basta“ (Edition Michael Fischer) und „One Pot Pasta“ (Gräfe und Unzer) versprechen unfehlbare Rezepte, schnelle Zubereitung, weniger Abwasch.

Während manche Foodblogger sich in Lobeshymnen wie „Himmlisch sag ich euch, absolut himmlisch“ versteigen, beklagen Traditionalisten den Verfall einer Kultur. Was Nudeln angeht, versteht der Italiener keinen Spaß, wussten wir schon aus der „Gebrauchsanweisung für Sizilien“ von Constanze Neumann. „Experimentierfreude oder Kreativität im Umgang mit der Nudel sind nicht gefragt“, schrieb sie darin. Oder in Giuseppe Pernas Worten: „Pasta ist für die Italiener, was Brot und Bier für die Deutschen ist. Damit macht man keinen Quatsch.“

Die Idee ist nicht neu

Nun ist die Küche jedoch schon immer ein Experimentierfeld gewesen. Und den meisten Leuten dürfte wichtiger sein, wie etwas schmeckt, als wie es zubereitet wurde. Da hilft also nur ausprobieren – und vergleichen.

Enrico Catapano, 36, Chefkoch im „Il Punto“ steht in einer weinroten Schürze an seinem Arbeitsplatz aus Edelstahl und blättert durch die mitgebrachten Kochbücher. „Nee!“, sagt er immer wieder und „Warum?“. Dann lacht er und rollt die Augen Richtung Dunstabzugshaube. „Die Leute kommen auf Ideen ...“

Tatsächlich ist die Idee so neu nicht. Auch bei der Minestrone kommen die Nudeln mitunter in die Suppe, und für eine Pasta risottata werden die getrockneten Teigwaren wie Risotto angeschwitzt und abgelöscht. „Allerdings“, wendet Catapano ein, „wirft man auch da nicht alles einfach in einen Topf.“

Enrico Catapano ist Chefkoch im „Il Punto“.
Enrico Catapano ist Chefkoch im „Il Punto“.

© Mike Wolff

Den aktuellen Boom ausgelöst hat die amerikanische Fernsehköchin Martha Stewart, als sie 2013 ein One-Pot-Pasta-Rezept veröffentlichte. Allerdings entwickelte der Sternekoch Alain Ducasse schon 2007 einen Topf, mit dem man genau so Nudeln kochen sollte. Er argumentierte, mit dieser Methode, die dem Einkochen ähnele, binde die Stärke der Pasta die Sauce besser zusammen.

Nun könnte man sagen: Ja, gut, der Mann ist Franzose, was weiß der schon von Nudeln? Aber vertrieben wird der Topf, der mehr als 200 Euro kostet, von der italienischen Firma Alessi. Ist also doch was dran?

Ducasse berief sich nicht nur auf seine Erfahrung – in seinem dreibesternten „Le Louis XV“ in Monaco koche er die Pasta nur noch so – sondern behauptet auch, die Nudeln auf diese Art zuzubereiten, sei eine uralte, bereits von Olivenpflückern auf dem Feld zelebrierte Methode.

"Was? Ganze Eier??"

„Ja, ja“, sagt Perna, als er die Geschichte hört. Das glaube er gerne. Aber damals sei doch wohl eher Wassermangel ausschlaggebend gewesen, nicht Geschmack oder Genuss. Und das sei auch das Problem mit der One-Pot-Methode. Da gehe es nicht um Lebensfreude, sondern um falsch verstandene Effizienz.

Catapano hat inzwischen die Zutaten für das erste Duell zusammengetragen: „Carbonara“ aus dem Buch „One-Pot-Pasta“ (Thorbecke) gegen seine traditionelle Zubereitungsart. Normalerweise kocht er mit frischer Pasta, für den Vergleich hat er jetzt Nudeln von De Cecco genommen. „Die verkochen nicht so schnell“, sagt er mit Blick auf die recht langen Garzeiten der One-Pot-Gerichte.

Streng nach Anleitung gibt er 250 Gramm Linguine, 200 Gramm Räucherspeck, eine in Ringe geschnittene Zwiebel („Zwiebel? Gehört da doch gar nicht rein!“), zwei Eier („Was? Ganze Eier??“), ein halbes Bund gehackten Schnittlauch („Schnittlauch???“), vier Esslöffel Parmesan, ein Teelöffel grobes Salz, vier Esslöffel Olivenöl, Pfeffer und 750 Milliliter Wasser in den Topf und stellt ihn auf den Herd. 15 Minuten sollen die Nudeln jetzt köcheln und dabei immer gut umgerührt werden. Nach wenigen Minuten guckt keine Nudel mehr aus dem Topf heraus.

Der Sous-Chef, der gerade zum Dienst antritt, lacht sich kaputt, als er sieht, was da ausgetestet wird.

Wer das will, bitteschön

Männer am Herd. Enrico Catapano und Tagesspiegel Redakteur Moritz Honert testen im "Il Punto" One-Pot-Gerichte aus.
Männer am Herd. Enrico Catapano und Tagesspiegel Redakteur Moritz Honert testen im "Il Punto" One-Pot-Gerichte aus.

© Mike Wolff

Während die One-Pot-Pasta leise vor sich hinblubbert und das Eiweiß statt zu Sauce zu pochiertem Ei mutiert, während der Parmesan unappetitliche Krümel in der Kochflüssigkeit bildet, gibt Catapano Olivenöl in einen Edelstahltopf und brät Pancetta an. In einem zweiten Topf kocht er Wasser für seine Nudeln auf.

In einer Rührschüssel mixt er zwei Eigelb („immer zwei pro Portion“) mit Parmesan und einem Schuss Sahne. Sahne? Ist das nicht verboten? „Im Norden Italiens macht man das, im Süden nimmt man keine Sahne“, erklärt er.

Die One-Pot-Pasta braucht noch fünf Minuten, als Catapano seine sehr bissfesten Nudeln in den Topf mit dem Speck gibt und durchschwenkt. Ein bisschen von dem Kochwasser dazu, dann die Ei-Käse-Sahne-Mischung und weiterschwenken. „Wichtig ist, die Eier jetzt nicht mehr zu heiß werden zu lassen, sonst macht man Rührei“, warnt er.

Während er seine Carbonara serviert, muss die One-Pot-Pasta noch ein paar Minuten ziehen. Schneller ist die alternative Methode also schon mal nicht.

Optisch hat Catapano fraglos gewonnen. Seine Pasta ist dank des Eigelbs golden und cremig, die One-Pot-Pasta ist deutlich blasser und überall hängen Fetzen von gekochtem Ei.

Auch beim Verkosten schneidet die One-Pot-Pasta schlechter ab. Die Nudeln sind gerade noch okay, aber weit weg von al dente, und schmecken wässriger als Catapanos Carbonara, die deutlich würziger daherkommt. Giuseppe Perna lächelt triumphierend.

Wieder zu weich

Nächster Versuch. „Pasta nach Puttanesca-Art“ aus dem Buch „Pasta und Sauce aus 1 Topf“ (Bassermann). Catapano legt eine gehackte Zwiebel und drei gehackte Knoblauchzehen in einen Topf. Was die Pastasorte angeht, schlägt das Buch Cappelini vor, aber da interveniert der 36-Jährige Küchenchef aus Neapel doch mal. „Die sind viel zu dünn. Die sind Matsch, wenn wir die zwölf Minuten kochen sollen.“ Also wieder Linguine.

Dann 400 Gramm geschälte Tomaten, einen Esslöffel Kapern, zwei Esslöffel entsteinte schwarze Oliven, sechs halbierte Sardellenfilets, 600 Milliliter Wasser und ab auf den Herd. Regelmäßiges Umrühren nicht vergessen.

„Pasta nach Puttanesca-Art“ mit Tomaten, Kapern, schwarzen Oliven und Sardellenfilets.
„Pasta nach Puttanesca-Art“ mit Tomaten, Kapern, schwarzen Oliven und Sardellenfilets.

© Mike Wolff

Währenddessen gibt Catapano Öl in eine kleine Pfanne und hackt eine Knoblauchzehe, eine halbe rote Pepperoni, Sardellenfilets, Kapern und Oliven, gibt alles ins heiße Fett. Er brät mit Olivenöl? „Klar. Immer. Wenn es nicht zu heiß wird, ist das kein Problem.“

Catapano löscht seine Sauce mit Weißwein ab, gießt dann die Tomaten dazu, schließlich Salz. Als die Nudeln wieder minimal härter als al dente sind, gibt er sie nass in die Sauce und schwenkt durch. Etwas gehackte Petersilie dazu. Fertig. Zeitgleich mit der One-Pot-Pasta.

Optisch kann die Alternative diesmal mithalten, geschmacklich aber sind die Nudeln wieder zu weich und die Sauce ist deutlich weniger tomatig.

Das Ergebnis: ein klares 2:0. Catapano zuckt die Schultern. Er wirkt nicht überrascht. Dass es nach weniger schmeckt, liege auch an der Zubereitung. „Das Anschwitzen von Speck oder Zwiebeln sorgt für Röstaromen. Wenn man die Zutaten einfach kocht, schmecken die nach nichts mehr.“ Wer das will, bitteschön. Er könne niemanden davon abhalten.

Aber all die Opfer, um genau einen Topf weniger zu spülen? Den Preis findet er dann doch etwas zu hoch.

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