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Es ist angerichtet: Köche beim Zubereiten von Speisen - für die Gäste.

© Ullstein Bild

Hinter den Kulissen von Restaurants: Was essen Köche und Kellner in der Pause?

Sie schuften Tag und Nacht, um Restaurantgäste glücklich zu machen. Aber wie ernähren sich Köche und Kellner selbst am Arbeitsplatz? Im Kollektiv und rasend schnell. Drei Lokalbesuche.

Pauly Saal, Freitag 17 Uhr: Krautwickel mit und ohne Fleisch, Zwiebeljus, Kartoffeln, Cremeschnitte mit weißer Schokolade und Mohn

„Ich bin mehr so der Löffelesser“, sagt Arne Anker. „Das geht dann relativ zügig.“ Er nimmt einen großen Löffel aus dem Besteckkasten, geht zum „Pass“: Beim Service mittags und abends übergeben hier die Köche die Teller an die Kellner. Jetzt stehen da Krautwickel und eine Schüssel Salat. „Auf dem hab ich bestanden“, sagt Anker. Der steht jeden Tag auf dem Tisch. Soll ja gesund sein, das Personalessen. Schließlich ist es oft die einzige ordentliche Mahlzeit, die die Köche essen.

Sich hinsetzen, das geht erst nach dem Essen

In anderthalb Stunden kommt eine geschlossene Gesellschaft, 110 Gäste. Während die Köche in der Bar mit dem Teller auf dem Schoß speisen, schleppen ein paar Servicekräfte die Sessel in die mondäne Halle mit den honiggelben Leuchtern aus Muranoglas.

„Eigentlich essen wir meist im Stehen – jeder auf seinem Posten in der Küche“, sagt Anker, 31 Jahre alt und einer, dem viele zutrauen, dass seine Karriere bei einem Michelin-Stern noch längst nicht zu Ende ist. „Sich hinsetzen, das tun die meisten dann erst nach dem Essen – im Hof, zum Reden und Rauchen.“

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Ist das nicht gemein: Den ganzen Tag unter Hochdruck an komplexen Gerichten arbeiten – und um selber zu essen, fehlt die Zeit? Vor der Schicht ist es zu früh, nach der Schicht zu spät und während der Schicht passt es auch nicht. Schon, findet Arne Anker. Allerdings hätte er jetzt gar keinen Kopf, einen jener filigranen Teller aus vielen kleinen Komponenten zu essen, die sie den Gästen jeden Tag servieren. Lieber gute Hausmannskost. Unkompliziert, lecker.

Dienstags macht der Bäcker oft Pizza

„Köche sind eigentlich nicht so anspruchsvolle Esser.“ Im Alltag jedenfalls. Wenn mal was schiefläuft, die Abschnitte vom Filet nicht rosa, sondern durch sind, mäkelt höchstens mal der Service. Der im Pauly Saal für das Mittagessen der Kollegen sorgen muss: Sandwiches schmieren, Wraps wickeln. Weil hier rund 25 Mitarbeiter essen, ist die Zuständigkeit auch abends klar geregelt. Dienstags macht der Bäcker oft Pizza, mittwochs übernimmt der für die kalte Küche zuständige Gardemanger, donnerstags der Entremetier, Meister der Beilagen, freitags der Metzger, am Samstag die Patisserie. Dann wird der Plan für die nächste Woche erstellt.

Alle freuen sich, wenn sich jemand was Neues ausdenkt. Ein Israeli in der Küchenmannschaft kocht oft Falafel, Shashuka, Baba Ghanush. Manchmal, bei großem Stress, werden auch nur Pommes und Cordon bleu aus dem Froster geholt. Anker sorgt dafür, dass das kein Dauerzustand wird. „Wir können nicht super kochen, wenn wir nicht selbst gut essen.“

Im Panama servieren sie Bauernfrühstück auf Resopaltischen

Arbeit oder Pause? Nach dem Essen findet im Panama meist noch eine Besprechung statt.
Arbeit oder Pause? Nach dem Essen findet im Panama meist noch eine Besprechung statt.

© Mike Wolff

Panama, Donnerstag 17 Uhr: Bauernfrühstück – vegetarisch und mit Fleisch, Sour cream, Mangoldsalat

Die Tische sind schon eingedeckt. Servietten auf den Tellern, Messer und Gabeln daneben, die Thonetstühle an die Tische aus hellem Eschenholz gerückt. Feierlich sieht die Fabriketage an der Potsdamer Straße aus, die so schön ist, dass sie schon kurz nach der Eröffnung in unzähligen Magazinen und Styleblogs gelistet wurde.

Das Personalessen allerdings findet im Besprechungszimmer statt. Kahle Wände, Bürobeleuchtung, zusammengerückte Resopaltische. In der Mitte sechs Rotweingläser, je drei Paare. Ein rundes bauchiges, ein schmaleres, ein eher hohes. Sie sind gefüllt – einmal mit 0,1 und einmal mit 0,2 Litern Rotwein. Eine Weinprobe? Nein, sagt der Sommelier. Eine Gedächtnisstütze für den Service, damit der sich merken kann, wie die Menge in den unterschiedlichen Gläsern aussieht.

Die Chefin feilt gerade an der Herbstkarte

Sophia Rudolph piekt ein bisschen im Bauernfrühstück und dem Mangoldsalat herum. Sie hat eine kleine Portion genommen. Die 30-jährige Küchenchefin, die seit der Eröffnung im Juli mit guten Kritiken überhäuft wurde, feilt gerade an der Herbstkarte. Das heißt: volle Konzentration. Gemüse soll wieder eine wichtige Rolle spielen, Kürbis, Spitzkohl, auch Rohes – Ceviche, Tartar.

„Ich hab jetzt keinen Hunger. Um die Zeit bin ich so voll mit Adrenalin. Wenn ich esse, komme ich runter, werde müde“, sagt Rudolph. Sie tut es trotzdem. Auch, weil das Ritual des Personalessens für die Truppe wichtig ist. „Man muss mal aus der Küche rauskommen. Jeder sagt immer: keine Zeit. Aber ich hab’ die gezwungen, die halbe Stunde in ihr mise en place einzubauen.“

Der Azubi kann gleich mal üben, Fisch zu filettieren

Gesund, nachhaltig, nichts Fertiges – das sind Prinzipien beim Personalessen im Panama. „Wir versuchen das auch zum Lernen zu nutzen“, erklärt Rudolph. Manchmal wird der Azubi eingebunden, dann wird Fisch bestellt, so kann er filettieren üben. „Wir versuchen das Kochen des Personalessens zu verteilen, aber weil ich als Chefin keinen festen Posten habe, bleibt es oft an mir hängen.“

Im Anschluss ist oft noch Teamsitzung. Am Donnerstag stellt die Küche neue Gerichte vor, am Freitag der Sommelier interessante Weine, am Samstag zeigt die Bar, woran sie arbeitet.

Vor zehn Jahren hätten die Leute fast für den Job gezahlt

Sophia Rudolph hat das auch schon ganz anders erlebt. Gutes Restaurant heißt nämlich noch lange nicht gutes Personalessen. „Ich hab in Drei-Sterne-Läden gearbeitet, wo man in der Kantine zwischen Pommes und verkochten Nudeln wählen konnte.“ Ein andermal bekam erst der Chefkoch, anschließend der Souschef, und dann erst der Rest der Truppe; der Lehrling konnte sich glücklich schätzen, wenn er auch noch was abbekam. „Vor zehn Jahren hätten viele Leute fast gezahlt dafür, in solchen Restaurants zu arbeiten. Heute muss man sich viel mehr um die Mitarbeiter bemühen.“

In der Cordobar gibt's frittierten Blumenkohl mit "grenzgenialer" Sauce

Fast Food de luxe. In der Cordobar in Mitte kommt Salat mit Kaiserschoten auf den Mitarbeitertisch.
Fast Food de luxe. In der Cordobar in Mitte kommt Salat mit Kaiserschoten auf den Mitarbeitertisch.

© Mike Wolff

Cordobar, Mittwoch 18 Uhr: Frittierter Blumenkohl mit Five-Spice-Gewürzmischung und „grenzgenialer“ Sauce, Salat mit Kaiserschoten, Oliven und Kapuzinerkresse

Lukas Mraz, lange Haare, voller Bart, tätowierte Unterarme, und seine Küchencrew sehen aus wie eine Rockband; zum Personalessen kommen sie pünktlich. Um genau 18 Uhr tragen sie zwei Servierschalen und einen Stapel Teller an den Tisch neben der Bar. Mraz, 26, schenkt sich Apfelschorle ein: Linke Hand Apfelsaft, rechte Hand Mineralwasser, beide Flaschen kippt er gleichzeitig fast senkrecht ins Glas. Die Pause ist kurz.

Beim Personalessen kann man viel über Köche lernen und noch mehr darüber, wie sie kochen. „Bei uns gibt’s Reste aus dem Restaurant“, sagt Mraz. Gerade steht eine Vorspeise mit Blumenkohl auf der Karte, für die sie nur das Mittelstück und etwas vom Strunk brauchen. „Deshalb essen wir die Abschnitte von gestern heute frittiert.“ „Und morgen und übermorgen“, orakelt Willi Schlögl, der Wirt, am Kopfende des Tisches.

In der Küche musst du stopfen, sagt er

„Nein. Morgen gibt’s wieder Bolognese aus den Abschnitten der Lamm- und Entenherzen. Da freut sich einer unserer Kellner immer wahnsinnig drüber, der gar keine Innereien mag. Wir sagen ihm nicht, was drin ist.“

Mraz isst irre schnell. Seine Gabel pickt wie die Nadel einer Nähmaschine die Blumenkohlröschen vom Teller. „Berufskrankheit“, sagt der gebürtige Wiener. Sein Opa war schon Koch, sein Vater hat zwei Michelin-Sterne, und als Mraz zur Ausbildung in Spitzenrestaurants in Frankreich und Holland war, erzählt er, war oft so wenig Zeit, dass man nur schnell am Posten etwas aß, um weiterzumachen. „Ich hab das so gelernt in den Küchen, da musst du stopfen.“ So paradox es klingt: Fürs Essen bleibt den Köchen kaum Zeit – sie müssen ja dauernd kochen.

Nach zehn Minuten ist die Ruhe schon wieder vorbei

Das Personalessen ist die Ruhe vor dem Sturm. Seit 13 Uhr stehen die Köche am Herd. Die meisten Vorbereitungen sind erledigt, die Gäste noch nicht da. Nach zehn Minuten ist die Ruhe schon wieder vorbei. Wollte man länger zusammensitzen, müsste man auch früher anfangen mit dem Arbeiten. Wichtig ist es trotzdem. Für Willi Schlögl, ebenfalls Wirtshauskind, ist es eine Art High-Speed-Stammtisch: Der findet immer statt, man muss nicht kommen, meistens sind aber alle da. Einmal kurz zusammensitzen, sich besprechen, danach eine rauchen, die Freundin anrufen, schon kommen die ersten Gäste.

Eine Sauce aus dem Personalessen hat es mal auf die Karte geschafft. „Wenn ein neuer Koch kommt, lass ich den erst mal für die Mannschaft kochen“, sagt Mraz. Sein ehemaliger Souschef, ein Neuseeländer, hat eine Sauce abgeliefert, mit Kapern, Limette, Fischsauce, die so „grenzgenial“ war, dass sie ein halbes Jahr lang auf der Karte stand. Und heute noch auf dem frittierten Blumenkohl.

Felix Denk

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