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Chile: Hass-Liebe zur Avocado

Avocados schmecken den Chilenen zu jeder Tageszeit. Vorsicht: Es gibt zwei unterschiedliche Sorten! Zu Besuch auf einer Farm am Fuß des höchsten Andenberges.

Beim Mittagessen kam ihr die Idee, an einem Sonntag vor 20 Jahren. Pilar Bulnes saß mit ihren beiden Brüdern an der langen Holztafel im Landhaus des Großvaters, als Vorspeise gab es Avocadosalat und Guacamole als Beilage zur Goldbrasse. Die chilenischen Geschwister pflanzten damals Kiwis und Birnen an, auf dem Land des Großvaters im Tal des Flusses Aconcagua, der das Schmelzwasser des höchsten Berges von Südamerika hinab in den Pazifik führt. Die letzte Ernte war wieder schlecht gewesen, die zwei Brüder verdienten in anderen Berufen ihr Geld, Gonzalo als Anwalt, Juan Luis als Betriebswirt. „Wieso probieren wir es nicht mit Avocados?“, fragte Pilar Bulnes da ihre Brüder. Heute wundern sie sich, warum sie nicht viel früher auf die Idee gekommen sind.

Es ist neun Uhr morgens im Aconcagua-Tal und noch kühl. Wie jeden Tag fährt Pilar Bulnes, Mitte 50, mit ihrem Pick-up in die Avocadohaine, vorbei an endlosen Reihen der großen Bäume, von denen man vor lauter dunkelgrünen Blättern weder Stamm noch Äste sieht. Dann werden die Bäume plötzlich kleiner, vor einem Heer junger Pflanzen hält sie den Wagen an. Die Babyavocados nennt sie „meine Zöglinge“. Drei Arbeiterinnen sind schon da, kümmern sich um die Pflanzen, gießen sie, untersuchen jedes Blatt. Pilnar Bulnes geht selbst in die Reihen der Avocadobäume, bückt sich, nimmt die Blätter in die Hand. Sie liebt diesen Moment.

Es hat kaum einen Tag in Pilar Bulnes’ Leben gegeben, an dem die Avocados nicht wenigstens eine Nebenrolle spielten. Solange sie denken kann, streicht sie die Frucht morgens aufs Brot, schneidet sie mittags in Streifen als Beilage zu Fisch oder Fleisch, püriert sie abends zur Sauce für Cracker. Keine Avocados zu Hause zu haben, konnte sie sich schon wegen der Kinder nicht leisten, „die hätten sofort gequengelt“. Heute muss sie sich um Nachschub keine Sorgen machen. Zusammen mit ihren Brüdern gehört ihr die drittgrößte Avocadofarm in Chile, alle drei widmen sich nur noch den Plantagen.

Jeder Chilene isst durchschnittlich vier Kilo Avocados im Jahr, nur die Mexikaner essen mit neun Kilo noch mehr. Im Supermarkt füllen die Früchte fast das ganze Jahr mehrere Regale, es gibt keine Speisekarte ohne mindestens ein Avocadogericht. Die Früchte wachsen in Chile, seit die spanischen Kolonialherren den Baum aus Mexiko mitbrachten. Ursprünglich dominierte die Sorte Fuerte, die eine glatte grüne Haut hat. Seit den 70er Jahren ist die Hass beliebter, die kleiner ist, fast schwarz, mit schrumpeliger Haut.

Raue Schale: An dieser und der dunklen Farbe kann man die Hass-Avocado erkennen.
Raue Schale: An dieser und der dunklen Farbe kann man die Hass-Avocado erkennen.

© www.fotex.de

Die Sorte entstand in den 30er Jahren, eine zufällige genetische Mutation im Garten des Postmanns Robert Hass in Kalifornien – und ein kulinarischer Glücksfall. Denn bei der Avocado gilt: Je mehr Öl, desto besser. Und der Ölgehalt der Hass ist viel höher als der der Fuerte. Dabei gibt es Grenzen, mehr als zwölf Prozent Öl sollte auch eine Hass-Avocado nicht enthalten, als ideal gilt ein Gehalt zwischen neun und zwölf Prozent. Damit ist die Avocado zwar eine fette, aber außerordentlich gesunde Frucht, sie enthält nur ungesättigte Fettsäuren, außerdem viel Vitamin B und E.

Die Hass-Avocado schmeckt nussig, intensiv, die Fuerte bitter, ein bisschen wässrig. „Wer die Hass probiert hat, mag keine andere Sorte mehr essen“, sagt Pilar Bulnes. In Chile werden mittlerweile fast ausschließlich Hass-Avocados angebaut, auch auf den Ländereien der Geschwister. Weil sich das Land zwischen Patagonien im Süden und der Atacama-Wüste im Norden auf rund 5000 Kilometern erstreckt, werden fast rund ums Jahr irgendwo Avocados geerntet.

Die Anbaufläche in Chile stieg von 8000 Hektar im Jahr 1990 auf 22 000 heute, weitere Plantagen sind in Planung. 95 Prozent der Produktion geht ins Ausland. Noch gibt es in Deutschland vor allem grünhäutige Fuerte-Avocados, doch die dunklere Hass holt auf.

Bis vor einem Jahr fand man sie nur in Feinkostläden, mittlerweile macht sie schon 30 Prozent des Angebots aus. „Die Hass schmeckt den Kunden einfach besser“, sagt Carsten Meyer, der für die Firma Univeg seit 25 Jahren Avocados aus der ganzen Welt in hiesige Supermärkte bringt. Die Hass-Avocados werden in einer warmen Kammer vorgereift, bevor sie in den Laden kommen, so dass man sie sofort essen kann. Mit der grünen Fuerte ist das nicht möglich, sie verdirbt schnell. Die in Deutschland erhältlichen Hass-Avocados kommen zum Großteil aus Chile, aber auch aus Südspanien, Südafrika, Peru. „Sie schmeckt immer gleich, egal wo sie angebaut wird“, so Meyer. „Es gibt keine Qualitätsunterschiede.“

Die Deutschen essen durchschnittlich nur ein halbes Kilo im Jahr. Und das fast immer auf die zwei gleichen Arten: als Guacamole zu Tacos oder halbiert mit Salz und Balsamicoessig aus der Schale.

Mittagszeit in der Finca Bulnes, die Sonne wärmt das Tal. Pilar bereitet das Essen zu, es gibt Rinderfilet, dazu Avocado, in Streifen geschnitten, was sonst. Die Vorstellung, umgeben von Avocadobäumen zu leben, gefiel Pilar Bulnes sofort. Kurz nach jenem Mittagessen vor 20 Jahren zog sie mit ihren Kindern auf das Landgut des Großvaters, im Gepäck die Kerne der Avocados, die ihr in den Wochen zuvor am besten geschmeckt hatten. Sie steckte sie in Töpfe mit Erde von den Berghängen, an denen sie pflanzen würden, die sie anreicherte mit unterschiedlichem Kompost und Dünger. Sie probierte so lange, bis sie die richtige Mischung gefunden hatte. Die schönsten kleinen Bäume setzte sie in die Erde der Finca. Drei Jahre später konnten sie die ersten Avocados ernten.

Es dauerte nicht lang, da zog auch ihr Bruder Gonzalo auf das Landgut des Großvaters. Er kümmerte sich von da an darum, dass die erwachsenen Bäume genug Wasser bekamen und gut gediehen. Juan Luis blieb in Santiago und organisierte den Verkauf. Ihre Avocadobäume erstrecken sich auf mehr als 1000 Hektar. Die ersten stehen auf rund 500 Metern Höhe, die letzten auf 1100 Metern. Rund 400 000 sind es mittlerweile, jeden einzelnen Baum hat Pilar Bulnes mit ihren Arbeitern aus einem Kern gezüchtet.

Auch ihr Bruder Gonzalo Bulnes fährt täglich in die Avocadohaine, prüft, ob das Gießsystem funktioniert, wie weit die Avocados sind. „Mittlerweile sehe ich mit einem Blick, ob die Früchte erntereif sind“, sagt er. „Früher habe ich immer erst probehalber ein paar gepflückt, in Zeitungspapier eingewickelt und dann gewartet, bis sie reif waren, um zu Hause zu testen, wie gut sie schmecken.“

Wichtig ist vor allem, dass die Früchte den richtigen Ölanteil erreicht haben. Die Reife spielt eine untergeordnete Rolle, Avocados werden sowieso immer grün gepflückt. Wenn sie am Baum reifen, übersteigt der Ölgehalt der Hass schnell die idealen zwölf Prozent, schmeckt zu ölig. Werden sie aber zu früh geerntet, enthalten sie zu wenig Öl, schmecken bitter.

Als die Sonne am späten Nachmittag an Kraft verliert, steigt Gonzalo Bulnes in seinen Wagen und macht sich auf den Weg zu einem Hain an einem hoch gelegenen Hang. Der Feldweg zieht sich in endlosen Kurven den Hang hinauf, Gonzalo Bulnes fährt schnell, hinter ihm bildet sich eine dichte Staubwolke, trotzdem dauert es eine halbe Stunde, bis er am Hain angekommen ist. Er nimmt eine der birnengroßen, grasgrünen Früchte in die Hand, sie ist steinhart. Dann holt er sein Telefon aus der Tasche. „Ich bräuchte für morgen noch mal eine Gruppe Arbeiter zum Pflücken“, sagt er.

„Wie geht’s“, ruft er einem der Arbeiter auf dem Rückweg zu. „Bien“, antwortet der kurz und ist wieder mit dem leeren Sack zwischen den Bäumen verschwunden. Er will keine Zeit verlieren, die Arbeiter werden nach Kisten bezahlt. Mit langen Stäben pflücken sie die Avocados von den oberen Ästen, die übrigen per Hand.

20 Tage nach der Ernte liegen die chilenischen Avocados in den deutschen Supermärkten, innerhalb der nächsten 20 Tage muss man sie essen. Ist die Schale dunkelgrün, fast schwarz, ist die Avocado reif. Mit einem leichten Druck kann man feststellen, ob sie die richtige Konsistenz hat: Das Fruchtfleisch muss weich sein, aber nicht zu weich.

Die Geschwister Bulnes haben die Avocado in allen Variationen gegessen. In eleganten Restaurants wurden ihnen kalte Avocadosuppen serviert, Avocadosaucen mit Chili, Koriander und Ingwer, Avocadostreifen mit Meeresfrüchten. In Brasilien haben sie Avocado-Milchshakes mit Honig probiert und in Australien Avocado-Minz-Mousse als Dessert. Am meisten genießen sie aber immer noch die traditionelle chilenische Art, die Avocado zu essen: Wenn sie sie in der Früh aufs Weißbrot streichen und ein bisschen Salz darauf streuen.

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Foto: Fotex/Westend61
Foto: Fotex/Westend61

© www.fotex.de

Berliner Spitzenköche verraten ihre Tricks

Avocado-Tatar mit Garnelen von Holger Zurbrüggen

Für das Tatar (für vier Personen) brauchen Sie zwei reife Avocados, die werden geschält, in kleine Würfelchen geschnitten und sofort mit Limettensaft beträufelt, damit sie nicht grau werden. Dazu kommen ein Teelöffel frisch geriebener Ingwer, zwei Esslöffel Olivenöl, zwei Zweige frische Minzeblätter, grob gezupft, Salz und Pfeffer. In der Schüssel kurz umrühren, fertig.

Dann werden zwölf Garnelen von Kopf und Schale befreit, den Darm ziehen Sie raus und braten die Meeresfrüchte mit zwei angedrückten Knoblauchzehen und einer gewürfelten roten Zwiebel in Olivenöl kurz an – zwei Minuten reichen, sie müssen außen braun und innen glasig sein. Wieder salzen und pfeffern und etwas Limettensaft draufträufeln. Die Garnelen werden auf dem Avocado-Tatar serviert.

Wenn Sie mögen, können Sie dazu Brot rösten: Baguette in hauchdünne Scheiben schneiden, in geklärter Butter von beiden Seiten kurz braten, salzen, pfeffern und mit Knoblauch einreiben.

Holger Zurbrüggen kocht in seinem Restaurant Balthazar am Kurfürstendamm.

Früher waren die deutschen Küchen vorzugsweise weiß, sahen aus wie kleine Krankenhäuser. Und so wurde in vielen von ihnen auch gekocht: fade. Heute sind die Küchen die neuen Wohnzimmer. Da sollten die Arbeitsgerätschaften natürlich auch ein bisschen gemütlich sein. „Hyggelig“, wie die Dänen sagen, und die kennen sich aus: Die Skandinavier schaffen es nämlich, Gemütlichkeit mit modernem Design zu verbinden. So wie bei der Rührschüssel Margrethe, einer Hommage an die spätere Königin, die damals noch Prinzessin war. Auch das schaffen nur Skandinavier: eine knallorangene Gummischüssel nach einer Monarchin zu benennen. Aber in dem knallorangenen Gefäß macht sich die grüne Avocado tatsächlich besonders gut.

50 Jahre alt ist der Entwurf, der noch immer jung und frisch daherkommt. In Berlin kriegt man Jacob Jensens stapelbaren Designklassiker in verschiedenen Größen und Farben im Shop des Bauhaus-Archivs (Klingelhöferstraße 14). Der Besuch lohnt sich ohnehin, gerade zu dieser Jahreszeit. Der Laden ist eine Fundgrube für Weihnachtsgeschenke. kip

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