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Umkreist die Erde. „Rosat“ in einer alten Computersimulation. Foto: EADS Astrium/dapd

© dapd

Panorama: Deutscher Satellit stürzt ab

„Rosat“ könnte Berlin treffen, das ist aber unwahrscheinlich / Ihm verdanken wir die Gleitsichtbrille

Der Röntgensatellit „Rosat“ kehrt zur Erde zurück. Seit zwölf Jahren dreht der Blechkamerad ohne Steuerung seine Runden im All. Das ist zunächst kein Grund zur Besorgnis, Rosat ist beileibe nicht der einzige Schrotthaufen im Orbit. Doch er verliert zunehmend an Höhe, voraussichtlich zwischen dem nächsten Donnerstag und dem übernächsten Dienstag wird er auf der Erde einschlagen. Wo genau, das lässt sich nicht vorhersagen – nicht einmal wenige Minuten vor dem Aufprall. Theoretisch könnte er sogar Deutschland, gar Berlin treffen. Aber das ist wenig wahrscheinlich.

Schaut man sich die Erdoberfläche genauer an, wird rasch klar: Es ist viel wahrscheinlicher, dass Rosat irgendwo in der Landschaft oder im Meer einschlägt als in bewohntem Gebiet. Das Risiko, dass ein Trümmer einen Menschen trifft, beträgt 1 zu 2500, haben Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) ausgerechnet. Die Gefahr ist sehr klein, aber eben doch vorhanden.

Dabei war die Geschichte von Rosat zunächst eine echte Erfolgsstory. Im Juni 1990 wurde das deutsch-britisch-amerikanische Gemeinschaftswerk ins All geschossen, um dort systematisch nach Quellen für Röntgenstrahlung zu suchen. 18 Monate sollte die Mission dauern, doch die Teleskoptechnik hielt fast acht Jahre durch und zeigte mehr als 100 000 bislang unbekannte Röntgenquellen im Kosmos. Rosat hat aber auch das Leben vieler Brillenträger vereinfacht. „Die Gleitsichtbrille ist ein Abfallprodukt der Entwicklung des Satelliten“, sagt Johann-Dietrich Wörner, Chef des DLR. Das Schleifverfahren für den Spiegel wurde in der Augenoptik übernommen.

Genau dieser Spiegel wird nun zum Problem. Er besteht aus Zerodur, einer extrem robusten Glaskeramik. Sie ist hitzebeständig, so dass ihr der Wiedereintritt in die Erdatmosphäre nur wenig anhaben kann. Im schlimmsten Fall könnte ein 1,6 Tonnen schweres Einzelteil auf der Erde einschlagen, zeigen Simulationen. Vielleicht verglüht aber auch mehr von dem insgesamt 2,5 Tonnen schweren Satelliten. Die Forscher wissen es nicht genau. „Während heute beim Satellitenbau auch schon an das Ende der Mission gedacht wird und umfangreiche Tests dazu gemacht werden, war das früher kaum üblich“, sagt Manuel Metz, Fachmann für Wiedereintritte beim DLR.

Die Simulationen für Rosat sind mit großen Unsicherheiten behaftet, weil eben viele Tests nicht gemacht wurden, das aerodynamische Verhalten unklar ist. Keiner weiß, ob und in wie viele Teile der Satellit zerrissen wird. Bis zu 30 könnten es sein. Ebenso bleibt unklar, wie stark die Trümmer von der Atmosphäre gebremst werden, das heißt: zu welchem Zeitpunkt und wo sie aufschlagen. Selbst einen Tag vor dem Wiedereintritt beträgt die Unsicherheit der Einschlagsprognose noch rund zehn Stunden. Bedenkt man, dass Rosat für eine Erdumrundung 90 Minuten braucht, kann man sich ausrechnen, wie groß der potenzielle Absturzkorridor ist. Da sich die Erde unter dem Satelliten hinwegdreht, beschreibt er bei jedem Umlauf eine andere Route auf dem Globus. Die Gefahrenzone gleicht damit einem zehntausende Kilometer langen Band, das sich schleifenförmig mehrfach um die Erde wickelt. Evakuierungen am Boden stehen in keinem Verhältnis zu dem Risiko eines Einschlags.

Praktisch ausgeschlossen ist es für alle, die nördlich von Hamburg oder von Neubrandenburg leben. Berlin liegt südlich davon und ist daher potenziell gefährdet. Die Umlaufbahn des Satelliten ist um 53 Grad gegenüber dem Äquator geneigt. Er überfliegt also ein Gebiet, das sich zwischen dem 53. Breitengrad Nord beziehungsweise Süd befindet. Das Äquatorgebiet wird dabei rasch gequert, im Norden und Süden bleibt Rosat relativ lange Zeit. Deshalb ist die Wahrscheinlichkeit, dass deutsches Territorium getroffen wird, relativ groß mit 1 zu 600.

Dass die harte Landung ernste Folgen hat, hierzulande oder anderswo, ist dennoch unwahrscheinlich. „Im vergangenen Jahr gab es fast 400 Wiedereintritte von registrierten Objekten mit einer Gesamtmasse von 60 Tonnen“, berichtet Metz. Nur dass davon kaum jemand Notiz nimmt. „Oder wussten Sie, dass am 28. September und am 10. Oktober zwei Raketenoberstufen zurückgekommen sind?“ Insofern war der medienwirksame Wiedereintritt des amerikanischen Forschungssatelliten UARS im September eher eine Ausnahme als die Regel.

Bis heute gibt es keinen belegten Fall, dass jemand von einem herabfallenden Raumfahrttrümmer getroffen wurde.

Sollte Rosat dennoch Schaden anrichten, würden gemäß Weltraumrecht die Startstaaten dafür haften, erläutert Bernhard Schmidt-Tedd, Jurist beim DLR. „Die USA, Deutschland und Großbritannien müssten sich dann untereinander einigen, wer welchen Anteil aufbringt.“

Aktuelle Informationen zu Rosat und zum Wiedereintritt unter:

www.dlr.de/rosat

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