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Deutsche Studie zur Elternschaft: Ich liebe und bereue dich

20 Prozent der Eltern in Deutschland würden sich nicht noch einmal für Kinder entscheiden. Und mehr als die Hälfte der Eltern kann das Gefühl der Reue verstehen.

„Wenn ich mich heute noch einmal entscheiden könnte, würde ich keine Kinder mehr bekommen“ –  dieser Aussage stimmten 20 Prozent der Eltern in Deutschland zu. Sieben Prozent seien sich unsicher, nur 73 Prozent verneinten. Das fand eine Online-Studie der Internet-Gemeinschaft „YouGov“ heraus, die gerade erschienen ist. Befragt wurden dafür über 1200 Eltern, insgesamt waren es über 2000 Menschen.

Im Jahr 2015 ist das Thema „Regretting Motherhood“ – die Mutterschaft bereuen – in der deutschen Öffentlichkeit angekommen. Da erschien die gleichnamige Studie der israelischen Soziologin Orna Donath. Die befragten Frauen gaben an, in ihrer Rolle als Mutter gefangen zu sein; sie sagten, sie liebten ihre Kinder, aber gleichzeitig hassten sie es, Mütter zu sein. Manche hätten die Mutterschaft bereits in der Schwangerschaft bereut, was einen Zusammenhang der Reue der Eltern mit der Persönlichkeit des Kindes ausschloss.

Mütter bereuen, Väter auch

Die deutsche Studie kommt nun zu einem ähnlichen Schluss – und sie hat auch die Väter einbezogen. Sowohl 20 Prozent der Väter als auch der Mütter bereuten ihre Elternschaft, trotzdem gaben 95 Prozent an, dass sie ihre Kinder liebten. Dazu passt, dass etwa die Hälfte der Befragten der Aussage zustimmte, dass es möglich sei, die Entscheidung für Kinder zu bereuen und seine Kinder gleichzeitig zu lieben.

Am Kinderwunsch liegt es nur zum Teil: Bloß 20 Prozent der Bereuenden gaben an, dass ihre Kinder nicht gewünscht gewesen seien. Doch die Studie hat auch andere Ursachen der Reue untersucht. Und festgestellt, wer davon besonders betroffen ist.

Persönliche Entfaltung und Karriere. Oder Kinder

Ein Grund für Reue sei, dass Kinder die persönliche Entfaltung hinderten, stellt die Studie fest. Über die Hälfte der Eltern sei davon betroffen, und ebenfalls knapp die Hälfte der Eltern berichtet, sich für Kinder und Familie aufgeopfert zu haben. Dabei unterscheiden sich diejenigen, die bereuen, von denen, die nicht bereuen: Die Bereuenden fühlen sich eingeschränkter und spüren eine stärkere Aufopferung ihrerseits.

Doch diese Gefühle stünden nicht für sich, schreiben die Studien-Autoren, sondern würden ihrerseits von der beruflichen Situation der Eltern beeinflusst: „Wer in Vollzeit arbeitet, fühlt sich in seiner persönlichen Entfaltung weniger eingeschränkt und hat seltener das Gefühl, sich für Familie und Kinder aufgeopfert zu haben.“ Der wichtigste Grund für die Reue sei demnach beruflicher Natur.

Die Studienergebnisse bestätigen das: Viele Eltern wechselten zu Teilzeit oder würden ihren Job für die Kinder komplett aufgeben. Knapp ein Drittel der Eltern glaubt, dass die Karriere unter den Kinder gelitten hat – bei den Müttern war es fast die Hälfte und bei den Eltern, die ihre Elternschaft bereuten, waren es sogar 60 Prozent. Und die Hälfte der Befragten, die angegeben hatten, ihre Kinder zu lieben, stimmte der Aussage zu, die Gesellschaft erwarte von Müttern, für ihre Kinder auf beruflichen Aufstieg zu verzichten.

Kinder ohne Kita, Eltern ohne Aufstieg

Wenig Zeit für die persönliche Entfaltung sowie die Karriere hängen der Studie zufolge also mit der Reue der Eltern zusammen. Entlastung und mehr Zeit bekommen sie vor allem durch eine zuverlässige Kinderbetreuung. Doch gibt es die in Deutschland? Von den bereuenden Eltern beurteilen nur 16 Prozent das Angebot in der Kinderbetreuung als ausreichend.

Zwei Drittel der insgesamt befragten Eltern finden, es gebe zu wenige Plätze. Und unter diesen zwei Dritteln ist die Zustimmung für folgende Aussagen besonders hoch: Kinder schränkten den beruflichen Aufstieg ein; Mütter hätten es schwerer als Väter; es sei verständlich, dass Mütter ihre Mutterschaft bereuen; und die Gesellschaft würde erwarten, dass Mütter auf ihre Karriere verzichten.

Der Teilzeit-Teufelskreis

Anlässlich des Weltfrauentags 2016 veröffentlichte auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) Statistiken zum Thema Arbeit, Geschlecht und Elternschaft: Zwar sei in keinem anderen OECD-Land die Erwerbsquote der Frauen seit dem Jahr 2000 so stark gestiegen wie in Deutschland. Doch arbeiteten hierzulande besonders viele Frauen in Teilzeitjobs – den Statistiken zufolge, sind über 50 Prozent der Mütter in Teilzeit angestellt.

Männer hätten hingegen eher Vollzeitjobs, während Frauen den Großteil der Kinderbetreuung und Hausarbeit leisteten – unbezahlte Familienarbeit, im Gegensatz zu den bezahlten Arbeitsstunden der Männer. Wie die „Welt“ berichtete, lehne eine große Mehrheit der Deutschen die Vollzeitarbeit von Müttern ab, weil sie dem Familienleben schade. Teilzeit sei indes einer der Gründe, warum Frauen nur selten an die Spitze der Unternehmen gelangen.

Eigene Bedürfnisse: Bitte hinten anstellen

Dazu passt ein Fazit der „YouGov“-Studie: Die Eltern, die ihre Kinder explizit bereuten, seien Mütter in jedem Alter und Väter zwischen 18 und 44. Sie seien in Teilzeit tätig, oder hätten ihren Job aufgegeben – sie erhielten ein geringes Nettoeinkommen. Sie seien alleinerziehend, bekämen wenig Hilfe durch Freunde oder Familienangehörige und beklagten einen Mangel an Betreuungsplätzen. Zusammengefasst: Wer alleine ist, keinen Betreuungsplatz findet und keine Hilfe bekommt, deshalb wenig arbeitet und dementsprechend wenig Geld hat, bereut die Elternschaft eher.

Aber die Autoren der Studie ziehen noch einen anderen Schluss: „Das Bewusstsein, etwas für seine Kinder aufzugeben, führt nicht dazu, dass man seinen Nachwuchs weniger liebt – vielmehr führt die Liebe zu den Kindern dazu, dass man seine eigenen Bedürfnisse hinten anstellt.“ Insofern könnte man die Aussage der Studie auch positiv auslegen. Ja, nur 73 Prozent der Eltern würden sich wieder für Kinder entscheiden und ja, 20 Prozent bereuen ihre Elternschaft. Aber: 95 Prozent der Eltern lieben ihre Kinder.

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