zum Hauptinhalt
Delfin

© dpa

Delfine: Die Qual der Delfine

Tiere als Rohstoff. Ric O’Barry war Trainer des berühmten TV-Delfins "Flipper" – sein Film prangert die Qual dieser Tiere an.

Die Gegensätze könnten nicht größer sein. Überall auf der Welt strahlen die Menschen überglücklich, wenn sie scheinbar fröhlich springende Delfine bei ihren Kunststücken im Tiershowbecken beklatschen. Und dann sieht man die Bilder des oscarverdächtigen Kinofilms „The Cove“, der in den USA gerade als Kassenschlager für Furore sorgt und im Herbst in die deutschen Kinos kommt. Die Filmemacher haben ihre Kameras in Japan am Meer unter künstlichen präparierten Steinen und unter Wasser versteckt und das ganze grausame Abschlachten heimlich dokumentiert. Das blutrote Meer in der Taiji-Bucht ist nicht nachkoloriert, die Farbe ist echt. Jedes Jahr malträtieren Fischer in Taiji, rund 700 Kilometer südlich von Tokio, mit Delfintrainern in gemeinsamer Sache Tausende der hochintelligenten und sensiblen Tiere. Sie verwirren die Delfine, indem sie Lärm produzieren. Sie treiben sie zusammen, Weibchen kalben in Panik, andere springen immer wieder verzweifelt in die Luft, um den Stichen der Fischerhaken und Lanzen zu entgehen, verheddern sich schwerverletzt im Treibnetz.

Bei dieser grausamen Jagd werden die fürs menschliche Auge am putzigsten und potentesten erscheinenden Delfine eingefangen und für bis zu 150 000 Euro an Vergnügungsparks überall in der Welt verkauft. Das Fleisch der anderen kommt in Japan in die Lebensmittelläden – obwohl es wegen der Meeresverschmutzung hoch kontaminiert ist. Die Grenzwerte bei der Belastung mit Quecksilber und PCB, belegen Analysen, sind teils sogar ums 48-fache überschritten: Sondermüll.

Der Mann, der diese Tierquälerei jetzt an die Öffentlichkeit bringt, hat selber Delfine gefangen und sie in ihren Betonbecken als Publikumsbelustigung trainiert. Es ist der Amerikaner Richard O’Barry, 69, aus Miami, der sich in den 60er Jahren einen Namen als Trainer des Fernsehdelfins „Flipper“ in der gleichnamigen Kinderserie einen Namen gemacht hat. „Eigentlich war ,Flipper’ nacheinander sechs Tiere“, sagt Ric O’Barry. Gedreht wurde in einem kleinen Salzwassersee, als Zuschauer dachte man, die Tiere leben im Meer. Kathy, sein Lieblingsdelfin, stellte in seinen Armen bewusst die Atmung ein, erzählt O’Barry. Delfine können das vereinzelt, wenn sie nicht mehr wollen. Dieses Erlebnis brachte den Trainer letztlich dazu, sein Leben und die Lager zu wechseln.

Inzwischen kämpft der 69-Jährige schon lange leidenschaftlich für die Freiheit und das Überleben der Meeressäuger. Er befreite viele Tiere illegal, verhalf auch Erkundungsdelfinen der US-Navy wieder zum Leben im offenen Meer. Dafür musste Richard O’Barry schon oft vor Gericht, demnächst wird er auf Millionen Schadensersatz verklagt. Sein neues Projekt konnte er finanzieren, weil der Gründer des „Netscape“-Internetunternehmens ihn unterstützte.

Mit seinem Film feiert er riesige Erfolge. Der Dokumentarfilm „The Cove“ wurde bei mehreren Filmfestivals ausgezeichnet, etwa dem Sundance-Festival von Robert Redford. Von der Dramatik her bringt „The Cove“ Erwachsene zum weinen, Kindern ist der Streifen gar nicht zuzumuten, weiß Gordan Vanbrink vom Filmverleih in New York. „Die Leute sollen einfach die Wahrheit erfahren“, sagt Richard O’Barry, der schon viele anonyme Drohungen erhielt.

Delfinarien boomen auf der ganzen Welt, in Russland, in China, kritisiert Jürgen Ortmüller vom deutschen Wal- und Delfinschutzforum, der mit Ric O’Barry kooperiert. In Europa habe etwa das beengte Delfinarium in Antalya in der Türkei bereits in der Freiheit gefangene Tiere aus Taiji gekauft. „Deshalb appellieren wir an die großen deutschen Reiseunternehmen, die Abstecher zu den Delfinarien aus dem Programm zu nehmen.“ Die TUI habe jetzt die Fahrt Show im türkischen Belek schon gestrichen.

Das Leben in Betonbecken ist für die Tiere eine Qual. Delfine haben das Bedürfnis, in Sozialverbänden zu schwimmen – im Becken leben sie mit wenigen Artgenossen auf kleinsten Raum. Manche Tiere bekommen Verhaltensstörungen, werden autoaggressiv, schwimmen mit dem Kopf immer gegen die Wand. Ihre Echolot-Klicklaute, mit denen sie Beute lokalisieren, werden so oft reflektiert, dass sie völlig verrückt werden. Viele Tiere bekommen auch Pilzkrankheiten.

In Deutschland lebe derzeit kein Delfin aus Taiji in Gefangenschaft, sagt Ortmüller. 18 Delfine werden noch in deutschen Tierparks und Zoos gehalten, und zwar in Nürnberg, Münster und Duisburg. Delfinfreunde wie Richard O’ Barry kritisiert Delfintherapien, wie sie Nürnberg anbietet, als höchst zweifelhaft. Der Heidepark Soltau hat im September 2008 sein Delfinarium auch aus Tierschutzgründen geschlossen. Acht der Meeressäuger in deutschen Becken wurden in Freiheit gefangen, in Mexiko, in Kuba.

„Wir fordern ein generelles Importverbot für walartige Meeressäuger“, sagt Ortmüller. Seit 1974 sind 35 Delfine in Deutschland verendet, das sind mehr, als geboren wurden. Auch der Bundestag hat sich mit dem Thema beschäftigt, bislang aus Sicht der Tierschützer ohne Erfolg.

Annette Kögel

Zur Startseite