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Gal Gadot spielt Diana Prince alias Wonder Woman.

© Warner

Comicverfilmung "Wonder Woman": Die Amazonenprinzessin zieht in den Krieg

Frauenpower auf der Leinwand: „Wonder Woman“ von Patty Jenkins ist ein starker, humorvoller Superheldinnenfilm.

Die Dame hat nichts anzuziehen – findet der Herr. Sie selber kann nichts Falsches erkennen an dem knappen Outfit, das sie unter ihrem langen Mantel trägt. Es ist praktisch und bequem. So kleiden sich die Frauen auf ihrer ewig sonnigen Heimatinsel Themyscira schließlich.

Doch weil Diana (Gal Gadot) zum ersten Mal in diesem dreckigen, feuchten London des Jahres 1918 zu Gast ist, lässt sie sich vom ortskundigen Steve (Chris Pine) in ein Bekleidungsgeschäft schleppen. Ernüchterung bei der Anprobe: „Wie soll eine Frau in so was kämpfen?“, fragt Diana und kickt in die Luft – schon zerreißt der lange Rock.

Es dauert, bis sie etwas Passendes findet: ein schlichtes graues Kostüm aus festem Stoff, dazu ein flacher schwarzer Hut. Steht ihr gut. So könnte sie ohne aufzufallen bei den Suffragetten mitmarschieren, die sich für das Frauenwahlrecht einsetzen und in diesem Jahr endlich Erfolg haben werden. Doch Diana weiß nichts von diesem Kampf, sie ist wegen einer anderen noch größeren Schlacht hier: Sie will der Menschheit helfen, Ares, den Gott des Krieges, zu besiegen. Sie vermutet ihn auf der Seite des Deutschen Reiches, wo General Ludendorff (Danny Huston) ein neues Giftgas testet. „Bring’ mich in den Krieg“, fordert Diana immer wieder von Steve. Die richtigen Klamotten hat sie ja jetzt.

Der erste Superheldinnenfilm seit mehr als zehn Jahren

Dieses Spiel mit Kleider- und Gendermotiven gehört zu den vielen Dingen, die Patty Jenkins in ihrer Comicadaption „Wonder Woman“ auf humorvoll-elegante Weise gelingen, und die dieses Werk zu einem strahlenden Lichtblick des Genres machen. Hohe Erwartungen lagen auf dem Werk, das nach den wenig erfolgreichen „Catwoman“ (2004) und „Elektra“ (2005) der erste Superheldinnenfilm seit über einer Dekade ist. Während die Zahl der männlichen Superhelden auf den Leinwänden explodierte, wagte sich das konservative Hollywood einfach nicht an eine weibliche Heldin. Dabei ist die von William Moulton Marston 1941 erschaffene Figur eine der bekanntesten aus dem DC-Verlag, bei dem auch Superman und Batman beheimatet sind. Die beiden Capeträger haben seit den sechziger und siebziger Jahren schon unzählige Kinoinkarnationen hinter sich, die Amazonenprinzessin mit dem Lasso musste bis jetzt auf ihren ersten Soloauftritt warten.

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Vorgestellt wurde sie bereits im vergangenen Jahr, als sie beim Finale von „Batman v Superman: Dawn of Justice“ dabei half, das ekelige Riesenmonster zu besiegen. Den öden Film von Zack Snyder konnte sie gleichwohl nicht mehr retten. „Wonder Woman“ ist mit diesem nur durch einen ganz losen Faden verbunden, der in den Fortsetzungen wieder aufgenommen werden wird. Denn nun geht es erst mal um den Ursprungsmythos der Kämpferin.

Es ist eine – vom Zweiten in den Ersten Weltkrieg verlegte – stimmige Variation der in den Comics immer wieder neu erzählten Geschichte von Prinzessin Diana, die als einziges Kind auf der männerfreien Amazoneninsel aufwächst. Sie ist eine Ausnahmekämpferin, was sie erstmals an dem Tag unter Beweis stellt, als ein Flugzeug vor der Insel abstürzt. Die Amazonen bergen Steve, den Piloten, der von einer Einheit deutscher Soldaten verfolgt wird. Es kommt zu einer spektakulären Kampfsequenz am Strand, die fast wie eine verdrehte D-Day-Inszenierung wirkt: Männer in grauen Uniformen gegen Frauen in Sandalenfilm-Outfits. Gewehre gegen Pfeile. Natürlich siegen die Damen.

Frau rettet Mann - sonst ist es immer umgekehrt

Dass die Kraftverhältnisse in „Wonder Woman“ anders gelagert sind, als die Geschlechterklischees und die Erzählkonventionen es vorgeben, macht schon seit Comiczeiten das Empowerment-Potenzial der Figur aus, was ihr im letzten Jahr sogar ein Kurzzeitengagement als UN-Sonderbotschafterin einbrachte. So kann der Film durchaus als feministisch bezeichnet werden, was sich allerdings auch daraus ergibt, dass kämpferische Leinwandheldinnen im US-Mainstream weiterhin Seltenheitswert haben. Die dünne Traditionslinie reicht von Sigourney Weaver aus den „Alien“-Filmen über Angelina Jolie in der „Lara Croft“-Reihe bis hin zu Carrie-Anne Moss in der „Matrix“-Serie.

Hoffnung machen in jüngster Zeit die "Tribute von Panem" mit Jennifer Lawrence, der Neustart der „Mad Max“-Reihe – und jetzt „Wonder Woman“. Hier werden männliche Charaktere von weiblichen gerettet, was sonst immer umgekehrt ist. Auch die üblicherweise weiblich besetzte helfende Rolle wird diesmal von einem Mann ausgefüllt. Die einzige Nacktszene hat ebenfalls er. Der „Star Trek“-gestählte Schönling Chris Pine macht seine Sache als Steve Trevor gut. Und selbst als er für eine Weile bestimmen darf, in welche Richtung das Abenteuer läuft, stiehlt er der Heldin nie die Show.

Chris Pine (Steve Trevor) und Diana (Gal Gadot).
Chris Pine (Steve Trevor) und Diana (Gal Gadot).

© Warner

„Wonder Woman“ bezieht einen großen Teil seines Charmes daraus, dass Diana die ihr völlig fremde Welt der Menschen zu verstehen versucht. Auch Männer kennt sie nur aus Büchern, weshalb sie Steve mit neugierigen Fragen löchert. Das führt immer wieder zu witzigen Momenten. Als die beiden allein mit einem Boot nach England unterwegs sind und er sich nachts nicht neben sie legen will, verwickelt sie ihn in einen Dialog über voreheliche Moralvorstellungen, der auch aus einer romantischen Komödie stammen könnte.

Auf dem Schlachtfeld zeigt sie ihre immensen Kräfte

Wenn Steve Diana die Welt erklärt, geht es ihm nicht darum, seine Überlegenheit zu zelebrieren – er betreibt kein Mansplaining –, sondern darum, ihrem gemeinsamen Ziel näherzukommen. Wobei sich die beiden nie über die Strategie einig sind. Denn Diana hat keine Vorstellung vom Horror des Stellungskrieges und Steve hat keine Ahnung von ihren immensen Kräften. An einem belgischen Frontabschnitt, wo sich die feindlichen Truppen seit Jahren in Gräben gegenüberliegen, ändert sich das. Hier hat Diana ihr Coming out als Superheldin. Blitzschnell löst sie ihr Haar, legt ihr Diadem an, wirft ihren Mantel ab und springt auf das zerfurchte schwarze Schlachtfeld. Sie trägt ihr Lasso, ihren Schild, die kugelsicheren Manschetten und natürlich die rot-blaue Montur. Egal, wo sie das alles plötzlich her hat – dies ist ein irrer Moment und ein Filmbild, das in Erinnerung bleibt.

In den USA schoss der Film gleich an die Chartspitze

Die Entfesselung der Heldin nach fast eineinhalb Stunden ist der Auftakt für den comichaftesten Abschnitt von „Wonder Woman“. Auch hier überzeugt Regisseurin Patty Jenkins, die vor 14 Jahren mit der Serienkillerinnen-Studie „Monster“ bekannt wurde und nun als erste Frau einen Superheldinnen-Film inszeniert hat. Mit sicherer Hand und gelegentlichen Zeitlupen, die wie Comicseiten wirken, steuert sie auf den obligatorischen Effektgewitter-Endkampf zu. Hauptdarstellerin Gal Gadot meistert ihn bravurös. Bekannt geworden in den „Fast and Furious“-Filmen zeigt die einstige Miss Israel, dass sie das Zeug dazu hat, einen Film zu tragen. Dianas Mischung aus Naivität und Heißblütigkeit nimmt man ihr ab, wobei von ihrer großäugigen Unschuldigkeit am Ende nichts mehr übrig ist. Bei der Fortsetzung wird sie wohl deutlich härter auftreten.

In den USA startete „Wonder Woman“ bereits Anfang Juni und schoss sofort an die Spitze der Charts. Er spielte am Startwochenende über hundert Millionen Dollar ein und wird von der Kritik gefeiert. Die Zeit, in der Hollywood davor zurückscheut, Superheldinnen-Filme zu produziert, dürfte damit endlich beendet sein.

"Wonder Woman" startet an diesem Donnerstag in den deutschen Kinos.

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