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Im Bergwerk „Hilfe Gottes“ half kein Segen. Es bleibt geschlossen.

© Frank Rumpenhorst/dpa

Betrugsfall im Harz: Der große Bergbau-Bluff

Ein nordamerikanisches Unternehmen will Bodenschätze im Harz fördern. Doch die Firma gibt es gar nicht mehr, ihr Ex-Vorstand ist ein Betrüger. 

Wer durch den niedersächsischen Teil des Harzes fährt, begibt sich auf eine Zeitreise in die alte Bundesrepublik. Die Lokale geschmückt mit Rehbockgeweihen und Zinntellern, Jägerschnitzel auf den Speisekarten, in den Schaufenstern steht kitschiger Nippes. Doch seit der Wiedervereinigung hat die Region mehr als ein Drittel ihrer Besucher und auch viele junge Einheimische verloren. Die Gemeinden suchen nach einem Ausweg aus dieser Abwärtsspirale.

Vor ein paar Monaten schien sich eine Lösung abzuzeichnen. Ein kanadischer Investor, hieß es, habe Großes vor: Im Bereich des vor 25 Jahren stillgelegten Bergwerks „Hilfe Gottes“ zwischen Bad Grund und Clausthal-Zellerfeld wollte die „Samarium Tennessine Corporation“ (STC) wieder nach Bodenschätzen suchen. Dort werden noch Rohstoffe im Wert von mehr als zwei Milliarden Euro vermutet. Die Kanadier sparten nicht mit großen Versprechen. 100 Millionen Euro wolle man investieren, und mehrere Hundert Arbeitsplätze schaffen. In den umliegenden Städtchen, in denen sich ein Leerstand an den anderen reiht, träumte mancher schon vom wirtschaftlichen Glanz vergangener Tage, als der Harz noch eine bedeutende Bergbauregion war.

Die Aufsuchungserlaubnis gab es für nur 2800 Euro

Im September erteilte das niedersächsische Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) dem Unternehmen die „Aufsuchungserlaubnis“: In einem 153 Quadratkilometer großen Gebiet durfte die STC Gesteinsproben sammeln. „Man könnte das auch mit dem Abstecken eines Claims vergleichen“, sagte Behördensprecher Björn Völlmar. Weitere Schritte, etwa ein Antrag für einen Betriebsplan, Bohrungen oder Eingriffe ins Gestein, hätten gesondert beantragt werden müssen. Für die Aufsuchungserlaubnis musste das Unternehmen nur eine Verwaltungsgebühr von 2800 Euro bezahlen. Darüber hinaus hat der Antragsteller Völlmar zufolge seine „finanzielle Leistungsfähigkeit und technische Kompetenz“ durch Geschäftsberichte und Referenzen glaubhaft gemacht.

Drei Monate später steht der Verdacht im Raum, dass sich die Behörde täuschen ließ. Im Oktober benennt sich die „Samarium Tennessine Corporation“ in „Rhenium Technology Corporation“ um – sie wird damit Inhaber der Aufsuchungserlaubnis. Lokaljournalisten vermuten schon damals, es könnte sich um Scheinfirmen handeln.

In Kanada hat Hable Berufsverbot

Der Verdacht erhärtet sich Ende November, als Betrugsvorwürfe gegen den damaligen Vorstand der STC bekannt werden. Volkmar Guido Hable soll nach Angaben der Finanzaufsicht der kanadischen Provinz British Columbia schon vor Jahren Börsenkurse manipuliert haben. Er habe ein falsches Übernahmeangebot für ein Unternehmen veröffentlicht, an dem er selbst Anteile hielt. Danach stiegen seine Aktien und der gebürtige Österreicher veräußerte seine Anteile mit sattem Gewinn. Wegen der Kursmanipulationen wurde Hable dauerhaft vom Börsenhandel ausgeschlossen, in Kanada erhielt er Berufsverbot. Außerdem musste er knapp 270 000 Euro Strafe zahlen und 105 000 Euro Gewinn rückerstatten, den er durch die Manipulation erwirtschaftet hat.

Hat Hable auch im Harz getrickst? Wollte er von der für ein Taschengeld erworbenen Aufsuchungserlaubnis gar nicht Gebrauch machen, sondern diese mittels Briefkastenfirmen nur gewinnbringend weiterverkaufen? Beim LBEG schließt man das zumindest nicht aus. Aktuell gehe die Behörde „Hinweisen in verschiedene Richtungen“ nach, sagt Sprecher Völlmar.

In Österreich gab es den gleichen Trick

Ein Bergbauexperte aus dem Harz, der anonym bleiben möchte, glaubt, das Drehbuch des inszenierten Bergbau-Coups zu kennen: Durch Präsenz in den Medien habe er zunächst Aufmerksamkeit für sein vermeintliches Vorhaben geschaffen. Mit Erfolg. Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil besucht das Bergwerk, um sich über das Projekt zu informieren. Hable habe seine STC dabei als finanzstarkes Unternehmen angepriesen. Mit millionenschweren Investitionsversprechen, gleichzeitig aber minimalem eigenen Kapitalaufwand sei er an die Aufsuchungserlaubnis gelangt, um diese dann mit bereits vorhandenen Daten über frühere Fördermengen und angebliche Resterzmengen „aufzuhübschen“ und schließlich mit viel Gewinn weiterzuverkaufen.

Ein Vorgehen, das an das gescheiterte Bergbauprojekt im österreichischen Bad Bleiberg im Jahr 2015 erinnert. Dort hatte eine Hable-Firma ebenfalls die erworbenen Schürfrechte weiterverkauft. Das zwischenzeitlich aufgelöste Unternehmen hatte angekündigt, in die Wiedereröffnung des Bergwerks 150 Millionen Euro zu investieren und 150 Arbeitsplätze zu schaffen. Geschehen ist nichts.

Um Hable ist es ruhig geworden. Sein letzter Tweet ist auf den 6. Mai datiert: „I am a seasoned expert in my field“, schreibt er darin: „Ich bin ein erfahrener Experte in meinem Bereich.“

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