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Kulturaustausch: In Schottland lernen Asterix und Obelix auch die Tradition des Baumstammweitwurfs kennen.

© Les Éditions Albert René

„Asterix bei den Pikten“: Befreiungsschlag für Asterix

An diesem Donnerstag erscheint das erste Gallier-Abenteuer von einem neuen Team. Die Auflage geht in die Millionen, die Erwartungen sind hoch. Ist das neue Album gelungen? Diskutieren Sie mit!

Ein Schluck Zaubertrank, und – Zack! – fliegt ein Bösewicht aus dem Bild. So werden in der Welt von Asterix und Obelix seit jeher die meisten Probleme gelöst. Und auch im heute erscheinenden neuen Band „Asterix bei den Pikten“ gibt es viele muntere Raufereien, an deren Ende die Welt der Gallier wieder in Ordnung ist. Nur ein Problem der erfolgreichsten europäischen Comicreihe ließ sich viele Jahre nicht mit einem beherzten Faustschlag lösen: Seit dem Tod ihres Co- Schöpfers, des Autors René Goscinny, hatten die Geschichten stetig an Niveau und Witz verloren. Sein Kompagnon Albert Uderzo ist zwar ein selten guter Zeichner aber kein begnadeter Autor.

Seit Wochen schon auf den Bestsellerlisten

Daher atmeten viele Comicfans auf, als im vergangenen Jahr bekannt wurde, dass der 86-Jährige sich altersbedingt – und wohl auch auf Drängen seines Verlages – bereiterklärt hatte, das Zepter an den Autor Jean-Yves Ferri und den Zeichner Didier Conrad weiterzugeben. Die beiden heute 54-Jährigen hatten in der Comicszene dank erfolgreicher eigener Erzählungen schon lange einen guten Ruf, Ferri unter anderem durch die mit dem Zeichner Manu Larcenet geschaffene Serie „Die Rückkehr aufs Land“ und Conrad durch Reihen wie „Bob Marone“ und „Helden ohne Skrupel“.

Aber würden sie auch in der Lage sein, die vor einst in ihrem Geburtsjahr 1959 eingeführte und bis heute international von Millionen Fans verehrte Marke zeitgemäß weiterzuentwickeln und zugleich der Tradition gerecht zu werden?

Ein Balanceakt, dessen Ergebnis ab diesem Donnerstag jeder lesen kann: Mit einer Startauflage von fünf Millionen Exemplaren alleine in Frankreich und Deutschland kommt „Asterix bei den Pikten“ in den Handel, zeitgleich mit der Veröffentlichung in zahlreichen anderen Ländern. Seit Wochen schon führt dieses Buch die Bestsellerlisten beim Internethändler Amazon an – allein dank der Vorbestellungen. Auch das zeigt, wie hoch die Erwartungen an diesen Comic sind.

Anklänge an „Asterix bei den Briten“ und „Asterix bei den Schweizern“

Bei der Lektüre stellt sich als erstes Erleichterung ein: Dieses Album ist weder eine wirr zusammengepappte Nummernrevue wie der vor vier Jahren erschienene Vorgängerband „Asterix und Obelix feiern Geburtstag“. Noch ist es ein verzweifelter Versuch, mit Anleihen bei Disney- oder Superhelden-Comics die Serie zu verjüngen, wie es 2005 im Album „Gallien in Gefahr“ gründlich misslang. Nein, „Asterix bei den Pikten“ liegt dank des Autors Jean-Yves Ferri erzählerisch weit über den vergangenen Bänden und kann durchaus an die Glanzzeit der Serie in den 1960er und 70er Jahren anknüpfen, ohne dabei altbacken zu wirken. Und zeichnerisch hält Didier Conrad das von Uderzo etablierte hohe Niveau, ergänzt um ein paar zusätzliche Nuancen.

Die Geschichte beginnt im strengen Winter des Jahres 50 vor unserer Zeitrechnung. Das wohlbekannte gallische Dorf ist in Schnee gehüllt, was Conrad ansprechend in Szene setzt. Beim Strandspaziergang finden Asterix und Obelix einen im Eis eingefrorenen Fremden, der offenbar übers Meer gekommen ist. Er ist muskulös, tätowiert und trägt auf der nackten Haut bloß einen karierten Kilt, zur Verzückung vor allem der Dorfbewohnerinnen. Der anfangs Sprachlose entpuppt sich als der schottische Clanchef Mac Aphon – eines der vielen Wortspiele, mit denen Ferri und der Übersetzer Klaus Jöken eine Tradition fortsetzen. Mac Aphons Widersacher vom Mac-Abberh-Clan wollten ihn loswerden, um im Norden der britischen Insel mit Hilfe der Römer die Herrschaft über die Stämme der Pikten – so genannt wegen ihrer Neigung zu Tätowierungen und Piktogrammen auf Steinen – an sich zu reißen. Kein Frage, dass Asterix und Obelix sich mit dem Verstoßenen auf eine abenteuerliche Rettungsmission begeben.

Andere Sitten. So sieht das Cover des neuen Albums aus.
Andere Sitten. So sieht das Cover des neuen Albums aus.

©  Les Éditions Albert-René

Für viele Asterix-Leser zählten einst die Fahrten in ferne Länder zu den Höhepunkten der Serie, und der Ausflug zu den Pikten knüpft elegant an Klassiker wie „Asterix bei den Briten“ oder „Asterix bei den Schweizern“ an. Autor Ferri schafft es, pointierte Dialoge und Situationskomik mit einem großen Spannungsbogen zu verbinden und gibt auch Nebenfiguren genug Raum, um die Handlung zu beleben. Ruhige und turbulente Szenen wechseln einander gelungen ab, von Conrad mit filigranem, dynamischem Strich zu Papier gebracht. Erstaunlich, wie umfassend der in den USA lebende Franzose sich den Stil von Uderzo aneignen konnte. Seine Zeichnungen sind makellos, eine gelungene Seitenaufteilung und eine Digitalschrift im Handletteringstil in den Sprechblasen runden die Optik ab.

Unter Bunt-, Grün-, Blautüpfel- und Möwenpikten

Eine kluge Entscheidung des neuen Teams war die Wahl der Pikten als Akteure. Einerseits fügen die sich mit ihren wie immer leicht karikierend dargestellten Ritualen in die humoristische Tradition der Serie ein, zum anderen bieten sie durch ihren Hang zur Körperbemalung ganz aktuelle Bezugspunkte in einer Zeit, in der das Tattoo zum selbstverständlichen Alltagsaccessoire geworden ist. Clanchef Mac Aphon erinnert zudem stark an den Indianer Umpa-Pah, Titelheld einer Anfang der 1950er von Uderzo und Goscinny geschaffenen Serie – eine dezente Verbeugung vor der vielfältigen Schaffenskraft der Asterix-Schöpfer. Die Pikten – über die historisch wenig verbürgt ist – kommen als buntes Völkchen daher, das schon optisch Spaß macht. Bestehen sie doch, wie zu lernen ist, unter anderem aus Grün- und Buntpikten, Blautüpfel- und Möwenpikten.

Dieser Band bietet Witze und Anspielungen für Leser jeden Alters, Intrigen und Liebesszenen, Entführungen und Verbrüderungen, nordische Sagen und neue lateinische Sprüche. Und natürlich zum guten Schluss ein großes Festbankett daheim im gallischen Dorf, beim Teutates! Zwar dürften die Bezugnahme auf historische Ereignisse wie den Bau des Hadrianwalls oder das eine oder andere musikalische Zitat nicht allen Lesern sofort etwas sagen, doch werden die mit vielen Szenen entschädigt, die kein großes Vorwissen voraussetzen. Außerdem gibt’s ein niedliches Seeungeheuer, das als Vorgänger der legendären Nessie eine Rolle spielt.

Manches ist allerdings gewöhnungsbedürftig. Das Gestotter des Schotten Mac Aphon, der, wenn er nicht mehr weiter weiß, Songtitel zum besten gibt, wirkt bemüht komisch. Und auch viele der Stereotypen, aus denen die Reihe ihren Witz zieht – kulturelle und regionale ebenso wie Geschlechter-Klischees – wirken heute altmodischer als in den 60er Jahren. Aber diese Dinge gehören nunmal zu dieser Reihe, ebenso wie der Zaubertrank, die Römer und die glücklosen Piraten. Und wer gelegentlich einen Band aus der Glanzzeit liest, merkt: Auch damals gab es bessere und schlichtere Szenen. So wird mit diesem Album zwar der Hinkelstein nicht neu erfunden. Aber er wird poliert und in eine neue, ansprechende Form gebracht, dass es eine Freude ist.

Jean-Yves Ferri und Didier Conrad: Asterix bei den Pikten. Egmont Ehapa, 44 Seiten, 6,50 € (Softcover), 12 € (Hardcover)

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