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Die zahlreichen Helfer gruben auch fünf Tage nach dem Lawinenabgang unvermindert weiter.

© AFP

Verschüttetes Hotel in Italien: Rettungskräfte graben weiter nach 23 Vermissten

Trotz großer Gefahr für die zahlreichen Helfer gehen die Bergungsarbeiten am verschütteten Hotel Rigapiano weiter. Auch fünf Tage nach dem Lawinenabgang hoffen sie weiterhin, Überlebende zu finden.

Seit der Bergung der letzten beiden Verschütteten am Samstag – eine Studentin und ein Pizzeria-Besitzer hatten 58 Stunden lang in einem engen Luftloch im Hotel überlebt – haben die Rettungsmannschaften keine Lebenszeichen mehr registriert. Doch die Bergungsarbeiten am Gran-Sasso-Massiv gehen mit unverminderter Intensität weiter. „Wir suchen weiter, Tag und Nacht, bis wir den letzten Vermissten gefunden haben“, versprach der Bergretter Alessandro Marucci den Angehörigen, die seit Tagen im Spital von Pescara auf Nachrichten von ihren vermissten Verwandten warten.

Marucci war am Sonntag nach einer anstrengenden Schicht beim verschütteten Hotel hinunter an die Adria gefahren, um die zwischen Hoffnung und Verzweiflung schwankenden Angehörigen über den Stand der Sucharbeiten im 1200 Meter höher gelegenen Hotel Rigapiano zu informieren. Trotz der fünf Tage, die seit dem Lawinenniedergang verstrichen sind, bestehe noch immer die Hoffnung, Überlebende zu finden, versicherte Marucci: „Es ist möglich, dass es im Hotel noch Räume gibt, die nicht vollständig mit Schnee gefüllt worden sind. In solchen Räumen wären die Überlebenschancen auch nach mehreren Tagen intakt.“

Durch den Iglu-Effekt seien die Temperaturen unter den Schneemassen erträglich; vielleicht hätten die Verschütteten auch etwas zu essen gefunden – wie einige der insgesamt neun Gäste und Angestellten, die bereits letzte Woche lebend aus dem zerstörten Hotel geborgen werden konnten. Dank des Schnees würden eventuelle Überlebende auch nicht verdursten.

Inzwischen sind beim verschütteten Hotel bis zu 250 Retter im Einsatz – bei misslichsten Bedingungen: Seit Tagen herrschen Sturm und Nebel im Gebiet des Gran Sasso, die Lawinengefahr ist hoch. In der Nacht auf gestern ist das Schneetreiben in Regen übergegangen, was den ohnehin schon sehr kompakten Schnee der Lawine noch schwerer machte – und hart wie Beton.

Dennoch haben die Retter bisher schon über ein Dutzend senkrechte und waagerechte Zugangtunnels zum Hotel gegraben – mit bloßen Händen, mit Schaufeln, Bohrern und Fräsen und seit gestern auch mit schwerem Räumgerät. Auch im Innern des Hotels graben und bohren sich Feuerwehrmänner durch Schnee, Trümmer, Decken und Wände.

Decken und Tunnel im Hotel können jederzeit einstürzen

Die Arbeit im Innern des Hotels ist die gefährlichste: Unter dem immensen Gewicht des Lawinenkegels können Decken und Tunnel jederzeit einstürzen. Laut Experten sind am vergangenen Mittwoch mit der Lawine 120000 Tonnen Schnee zu Tal gestürzt – das entspricht dem Gewicht von 4000 voll beladenen Lastwagen. „Doch die Arbeit muss gemacht werden“, erklärte Marucci lakonisch. Es gebe noch Bereiche im Hotel, zu denen die Helfer bisher noch nicht vorgedrungen seien. Ihre Hoffnungen setzen die Einsatzkräfte besonders auf den unterirdischen Wellness- und Saunakomplex, der dank stabiler Betonmauern eine Art „Bunker“ darstelle und intakt geblieben sein könnte. „Es wird nicht mehr lange dauern, bis wir auch in diesen Bereich gelangen“, versprach Marucci.

Angesichts der Strapazen und des großen Risikos, welche die Retter seit Tagen auf sich nehmen, werden sie in den Medien als „Helden von Rigapiano“ oder auch „Engel des Schnees“ bezeichnet. Ihre Motivation beziehen sie aus den Teilerfolgen, die sie bei ihrer Suche bisher verbuchen konnten: Am Montag sind alle vier Kinder, die letzte Woche geborgen werden konnten, aus dem Krankenhaus in Pescara entlassen worden. „Sie haben sich von der Unterkühlung erholt, medizinisch geht es allen gut“, erklärte der Chef der Kinderabteilung des Krankenhauses, Giuliano Lombardo. Die Kinder werden aber weiterhin psychologisch betreut – vor allem der neunjährige Edoardo, der möglicherweise beide Eltern beim Lawinenunglück verloren hat: Seine Mutter ist tot geborgen worden, der Vater weiterhin vermisst.

Am Sonntagabend ist ein weiteres Todesopfer aus den Trümmern geborgen worden: ein 42-jähriger afrikanischer Flüchtling, dessen Name zunächst auf keiner Vermisstenliste erschienen war. Er war im Hotel als Hilfskraft angestellt gewesen. Damit stieg die Zahl der Todesopfer auf sechs. Die Zahl der Überlebenden beträgt elf. Darunter sind die neun Verschütteten, die lebend aus dem Hotel geborgen werden konnten. Und zwei weitere Männer hatten den Lawinenniedergang im Freien überlebt.

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