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Tinnitus: Klingeln im Ohr

Es ist ein Fiepen oder Brummen im Ohr, das sonst keiner hört und das nicht mehr verschwindet. Was es mit Tinnitus auf sich hat, erklärt HNO-Ärztin Birgit Mazurek.

Man sagt, Tinnitus ist ein Symptom, keine Krankheit. Was heißt das genau?
Tinnitus meint erst mal nur ein Ohrgeräusch. Dieses kann aber ganz unterschiedliche Ursachen haben, also das Symptom unterschiedlicher Erkrankungen sein.

Was ist der Auslöser für einen Tinnitus?
Die Krankheit ist noch nicht vollständig erforscht. Fest steht, dass der Tinnitus in den allermeisten Fällen im Zusammenhang mit einer Hörstörung auftritt, die zum Beispiel durch ein Knalltrauma verursacht wurde oder durch eine Krankheit der Hörorgane. Der zweite wichtige Punkt ist Stress. Interessant ist, das Tinnitus in jedem Alter auftreten kann. Bei Kindern spielt dabei oft der Lernstress eine Rolle. Bei Erwachsenen taucht er oft entweder um den 30. oder um den 50. Geburtstag herum auf, was beides ja sehr intensive Lebensphasen sind. Es gibt auch einen ganz kleinen Prozentsatz an Fällen, wo wir von einem objektiven Tinnitus sprechen. Das bedeutet, dass das Geräusch auch von einer anderen Person wahrgenommen werden kann. Als Ursache kann zum Beispiel eine Dauerkontraktion der Mittelohrmuskeln oder ein Gefäßtumor in Frage kommen.

Wie wird Tinnitus diagnostiziert?
Um zu sehen, ob das Hörvermögen beeinträchtig wurde, machen wir verschiedene Hörtests. Ab welcher Lautstärke kann der Patient den Ton wahrnehmen? Hört er auf beiden Ohren gleich gut? Dann versuchen wir, die Art des Ohrgeräuschs zu bestimmen. Tinnitus kann ganz unterschiedlich klingen. Von Pfeifen, Klingeln über Surren, Fiepen bis zu einem Brummen kann es alles Mögliche sein. Aus der Tonhöhe und der Möglichkeit, den Tinnitus mit anderen Geräuschen zu überdecken, kann der Arzt Rückschlüsse auf die Schäden im Ohr ziehen. Essenziell ist dabei die Beschreibung des Patienten. Gemeinsam versucht man dann, das Geräusch so gut wie möglich künstlich zu reproduzieren. Erst geht es darum, die Frequenz herauszufinden. Man spielt also Geräusche in unterschiedlichen Frequenzen ab. Dann probieren wir, die Lautstärke zu definieren.

Wie werden Patienten behandelt, bei denen es keine objektive Ursache für das Geräusch gibt?
Wenn das Geräusch gerade erst aufgetaucht ist, wird Ihnen der Arzt wahrscheinlich durchblutungsfördernde Medikamente, oft mit Kortisonanteil, verschreiben. Dadurch möchte man erreichen, dass sich das Ohr wieder regeneriert. Außerdem sollten Sie komplett geräuscharme Räume meiden. In der Stille ist der Tinnitus stärker wahrnehmbar und viele steigern sich dann regelrecht in das Geräusch hinein. Für die Patienten ist es aber besser, sich ein wenig abzulenken und zu entspannen. In 60 bis 70 Prozent der Fälle verschwindet der Tinnitus nach einiger Zeit wieder.
Hält das Ohrgeräusch allerdings länger als drei Monate an, sprechen wir von einem chronischen Tinnitus. In diesem Stadium ist es sehr unwahrscheinlich, dass er abklingt. Es gibt zurzeit auch keine Therapie, die den chronischen Tinnitus heilen kann.

Wie wird ein Tinnitus empfunden?
Bei den Patienten gibt es grundsätzlich zwei verschiedenen Gruppen. Die einen hören den Tinnitus zwar, aber sie kommen damit zurecht. Solange sich der Belastungszustand nicht verändert, muss keine weitere Therapie erfolgen. Die andere Patientengruppe kann mit dem Tinnitus nicht umgehen und nimmt ihn als eine ungeheure Belastung wahr. Diese Patienten entwickeln dann zusätzlich oft noch psychosomatische Beschwerden, dabei sind Schlaflosigkeit, Depressionen und Angststörungen die häufigsten. Ihnen kann eine verhaltenstherapeutische Behandlung helfen. Die Therapie besteht aus verschiedenen Bausteinen und ist individuell auf den Patienten abgestimmt. Neben Entspannungstechniken enthält sie unter anderem ein Hörtraining, bei dem man lernt, sich auf bestimmte Töne zu fokussieren und damit den Tinnitus zu überhören. Durch diese Behandlung kann man lernen, besser mit dem Tinnitus umzugehen und die meisten können ihn dann auch tatsächlich akzeptieren und damit leben.

Manche Patienten stellen sich einen sogenannten Noiser auf den Nachtisch, um besser einschlafen zu können. Diese elektrischen Geräte erzeugen ein Grundgeräusch, zum Beispiel ein weißes Rauschen, um den Tinnitus sozusagen zu überdecken. Hilft das?
Aus meiner Sicht braucht es weitere medizinische Studien, um die Wirksamkeit von Noisern zu untermauern.

Kann man Tinnitus vorbeugen?
Die Ursachen für Tinnitus sind nicht abschließend geklärt, allerdings gibt es zwei wichtige Faktoren, die man beachten sollte. Zum einen ist es wichtig, ein gutes Stressmanagement zu entwickeln. Das sollte man auch, gerade wenn man älter wird, immer wieder überprüfen, denn mit 50 sind Sie vielleicht nicht mehr so leistungsfähig wie mit 20. Der andere Rat ist, eine übermäßig laute Umgebung zu meiden. Man sagt zum Beispiel, dass es bei einer Lautstärke von 85 Dezibel nach acht Stunden kritisch wird, bei 93 Dezibel allerdings schon nach vier Stunden. Jungen Leuten, die gern in Clubs und auf Festivals gehen, rate ich daher dringend einen Gehörschutz mitzunehmen und zu tragen.

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Anna Ilin

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