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Krosin und Stickoxid. „Dieser Platz ist nicht Berlin“, sagt der Stadtführer Michael Zander, „dieser Platz ist unmöglich.“

© Georg Moritz

Volksabstimmung Tegel: Kurt-Schumacher-Platz - Leben im Lärm

Der Platz am Flughafen Tegel ist ein Unort. Die Schließung des Airports würde alles ändern. Genau deshalb haben die meisten Anwohner dagegen gestimmt. Unser Blendle-Tipp.

Friedlich sieht er auch von oben nicht aus, aber aus dieser Perspektive kennen ihn die meisten. Viele von denen, die Berlin in dessen Norden angeflogen haben oder von dort aus weggeflogen sind, sind über ihn hinweggehuscht: über den urbanen Platz, den man – bei Westwind – Sekunden vor der Landung sieht, wenn man denkt, jetzt haben wir es gleich geschafft.

Den wuseligen Platz, den man – falls der Wind aus Osten weht – als Letztes noch erkennen kann, wenn sich die Maschine in die Lüfte erhebt und es raus aus dem Moloch ab in den Urlaub geht. Den Platz, über den gerade wieder gesprochen wird, nachdem die Berliner mehrheitlich ihren Willen bekundet haben, den Otto-Lilienthal-Flughafen, Flughafencode: TXL, vulgo: Tegel offen zu halten – selbst wenn der Flughafen draußen in Schönefeld namens BER irgendwann doch noch eröffnet werden sollte. Über den Kurt-Schumacher-Platz.

Zitternd und zögernd vor Angst

Im Berliner Hang zur Verniedlichung wird er Kutschi genannt, was eigentlich falsch ist, weil er ja dann „Kurtschi“ heißen müsste, benannt nach dem wackeren und unbeugsamen Sozialdemokraten Kurt Schumacher. Aber am Kutschi ist nicht nur die Abkürzung falsch. Am Kutschi, unmittelbarer Nachbar der Start- und Landebahn Tegel, ist fast alles falsch. Er ist ein Monstrum, ein Albtraum gewordenes, menschenverachtendes architektonisches und verkehrstechnisches Verbrechen.

Fast im Minutentakt donnern die Flugzeuge über ihn hinweg. Rundherum krachen die Autos über den Kurt-Schumacher-Damm, die Ollenhauerstraße und die Scharnweberstraße, und dann möchte man keinen Hörgeräte-Akustiker aufsuchen, den es tatsächlich am Platz gibt, sondern nur weg oder wenigstens in den nächsten Drogeriemarkt für eine Packung der dicksten Ohrstöpsel, die die Welt zu bieten hat.

Zitternd und zögernd steht vor der Tür des den Platz architektonisch beherrschenden Einkaufszentrums „Clou“ eine 86 Jahre alte Dame. Zitternd und zögernd vor Angst, dass die automatischen Türen sie umschubsen könnten. Hildegard Erbert ist nicht mehr gut zu Fuß. Zwei junge Männer halten die Türen fest, ein geleitender Arm bringt die Dame zum Straßenrand. Sie wohnt ein, zwei Straßen weiter, nimmt aber für den Rest des Weges lieber ein Taxi. Der Taxifahrer erkennt sie, verdreht ...

Den vollständigen Text lesen Sie für 45 Cent im Online-Kiosk Blendle.

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