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Klingt gut. Die Nashvilles Musikszene bringt der Wirtschaft zehn Milliarden pro Jahr.

© Harrison McClary/Reuters

US-Musikindustrie: Country-Stars unter Trump: Zurück zum Widerspruch

Wer in der Country-Branche etwas werden will, muss hier sein. Nirgendwo ist die Beziehung zwischen Musik und Geld enger als in Nashville. Donald Trump hat die Szene verändert. Es sind auch wieder politische Töne zu hören.

Irgendwo in einem Hinterzimmer klimpert ein Klavier. Vorn, im Raum vor dem großen Aufnahmestudio, hocken ein paar Techniker und Musiker mit Fast Food und Pappbechern beim Mittagessen. Und nebenan schiebt sich Bill McDermott die blaue Baseball-Kappe aus der Stirn und lässt sich auf einen Stuhl vor einem riesigen Mischpult fallen. Im Omnisound-Studio von Nashville, wo die Wände mit gerahmten, goldenen Schallplatten vollgehängt sind, wartet McDermott auf eine Sängerin, die davon träumt, die nächste Taylor Swift zu werden. „Die Dinge laufen so gut wie noch nie“, sagt er.

Das Geschäft gedeiht in Nashville, dem Herz der US-Country-Musik.

Auch weltanschaulich scheint die Szene wieder bei sich zu sein. McDermott jedenfalls sagt, bei Gesprächen mit seinen Kollegen hört er viel Zustimmung zur neuen Regierung des Landes, zur Politik des Präsidenten. „Ich kann jetzt schon spüren, dass alles wieder in die Spur kommt“, sagt er. Barack Obama habe die USA schwach aussehen lassen in der Welt, das sei mit Donald Trump nun anders. „Die Leute, mit denen ich den ganzen Tag zusammen bin, fanden den Raketenangriff in Syrien große Klasse“, sagt er.

Doch das ist nur eine Seite der Medaille. Der Präsident sorgt in Nashville auch dafür, dass sich einige Country-Musiker auf den Widerspruchsgeist ihrer Musik besinnen. Besonders harmonisch geht es nicht zu.

Country – war das nicht immer die Musik der konservativen Hinterwäldler, die Trump im November ins Weiße Haus brachten? Im Radio und in der Gegend rund um Nashville ist die Welt dieser Musik tatsächlich noch in Ordnung. Lieder über kaltes Bier, Frauen, Autos und lange, einsame Stunden am Steuer bestimmen das Rundfunkprogramm, riesige Schilder an der Autobahn werben für Waffenläden und Schießstände. Hier und da weht die Südstaaten-Fahne an einem Mast. Musikproduzent McDermott trägt Cowboystiefel bei der Arbeit.

„Künstler sind auch dazu da, die Leute ein wenig aufzurütteln“

Als Trump im Januar in Washington seine Amtseinführung feierte, sang Country-Sänger Lee Greenwood vor dem Lincoln-Denkmal einen Hit, den Trump begeistert mitsang.

Ich bin stolz, Amerikaner zu sein/

Zumindest kann ich frei sein/

Nie werde ich die Männer vergessen/

Die starben und mir dieses Recht gaben

Außer Greenwood waren nicht viele Country-Stars bereit, für Trump zu singen. Greenwoods Kollegen winkten genauso ab wie die großen Namen aus der Welt des Pop.

Zur anderen Seite gehört auch eine Musikerin, die auf Twitter schreibt, als Amerikanerin unter Trump fühle sie sich wie ein Kind gewalttätiger Eltern: „Kein Ausweg, in ständiger Angst und Verwirrung, auf die nächste Katastrophe wartend.“

Eine andere sang ein Schmählied auf den Präsidenten.

Ein dritter kann mit republikanischen Staatsoberhäuptern ganz grundsätzlich wenig anfangen.

Gretchen Peters lebt seit mehr als 30 Jahren in Nashville, sie ist eine angesehene Künstlerin und Mitglied in der „Nashville Songwriters Hall of Fame“. „Künstler sind auch dazu da, die Leute ein wenig aufzurütteln“, sagt sie.

„,Halt den Mund und sing, sagen die“

Der Mann im Weißen Haus hat eine alte, vielleicht lange übersehene Tradition des Country wiedererweckt, Peters sieht ihre eigene, öffentliche Trump-Kritik als Zeichen dafür. An Obama konnten sich Leute wie sie nicht reiben - an Trump schon. Trump hat sie elektrisiert.

Mit ihren offenen blonden Haaren und ihrem Lächeln wirkt Peters jünger, als sie ist. Wenn sie über ihre Musik in der Ära Trump redet, über die in ihrem Tweet beschriebene Hilflosigkeit, die „Angst und Verwirrung“, vergisst man leicht, dass hier eine Frau, die bereits Großmutter sein könnte, spricht. Auf der Bühne trägt sie häufig Schwarz, ihre Stimme erinnert an die der Fleetwood-Mac-Sängerin Stevie Nicks.

Fans hätten ihr wegen der Trump-Kritik die Gefolgschaft aufgekündigt. „,Halt den Mund und sing, sagen die.“

Sie seufzt. Peters will sich nicht damit abfinden, dass ihre Musik als brave Dudelei trinkfreudiger und erzkonservativer Burschen vom Land abgeschrieben wird. „Es stimmt einfach nicht, dass Country immer nur rechts ist.“ Country, sagt sie, sei immer „Musik für Erwachsene“ gewesen, bei der es um ernste Themen wie den Vietnamkrieg, das Verlassenwerden oder den Tod gegangen sei.

Peters hat selbst erfahren, wie leicht ihre Musik als rechtslastig missverstanden wird, nur weil sie das Etikett Country trägt. Ihr Lied „Independence Day“ beschreibt, wie die Ehefrau eines gewalttätigen Alkoholikers eines Tages genug hat und das gemeinsame Heim in Brand setzt.

Statt zu klagen, spendete sie die Tantiemen

Vor etwa zehn Jahren übernahm die rechtspopulistische Politikerin Sarah Palin den nach Patriotismus klingenden Refrain des Songs - „Lass die Freiheit erklingen, lass die weiße Taube singen“ - für ihren Wahlkampf. Palin ignorierte, dass es in dem Lied um die Befreiung einer misshandelten Frau geht, um Rache an den Mächtigen und um Gewalt:

Ich sage nicht, es ist richtig oder falsch/

Aber vielleicht ist es der einzige Weg/

Erzähl von deiner Revolution/

Es ist Unabhängigkeitstag

Statt zu klagen, spendete Peters alle Tantiemen, die ihr von Palin zuflossen, an die bei den Konservativen verhasste Organisation Planned Parenthood, die Verhütungsmittel und Schwangerschaftsabbrüche anbietet. Außerdem rief sie zu Spenden auf. Die Aktion bescherte Planned Parenthood eine Million Dollar, doch die Künstlerin erhielt Morddrohungen.

Peters sieht ihre Musik in einer langen, politischen Tradition von Country. Johnny Cash setzte sich für die Rechte der indianischen Ureinwohner ein, spielte vor Sträflingen und sprach vor dem Kongress über eine Strafrechtsreform. Helden der Szene wie Willie Nelson wurden die „Outlaws“ genannt.

Er ist 84 und eine Ikone. Wütend ist er immer noch

Es ist eine Tradition, in der Nelson im Lied „Troublemaker“ in den 70er Jahren den Hass vieler Amerikaner auf Vietnamkriegs-Gegner bloßstellte. Strophe um Strophe schimpfte Nelson über einen langhaarigen Mann, der keine Arbeit hat und mit seinen Hippie-Kumpels von Stadt zu Stadt zieht und die Leute auf dumme Gedanken bringt. Erst in den letzten Zeilen ließ Nelson die Bombe platzen:

Letzte Woche haben sie ihn geschnappt und schuldig gesprochen/

Zum Tode verurteilt haben sie ihn, aber ein großer Verlust ist das nicht/

Freitag bringen sie ihn nach Golgatha /

Und nageln den Troublemaker ans Kreuz

Heute ist Nelson 84 Jahre alt und eine Ikone der Country-Musik, wütend ist er immer noch. Gerade hat er ein Album veröffentlicht, auf dem sich ein Lied über Trump findet: „Delete and Fast Forward“ - „Löschen und vorspulen“.

„Es wäre schlimm, jetzt nicht Position zu beziehen“, sagt Peters. Am Abend des 8. November 2016 ging sie zur Wahlparty einer befreundeten Songschreiberin in Nashville. „Nach dem ersten schwarzen Präsidenten warteten wir auf die erste Präsidentin.“ Die Gastgeberin hatte eine Torte in Form des Weißen Hauses backen lassen, mit dem Schriftzug „Hillary Clinton“ darüber. Viele Frauen erschienen im Clinton-Look in Hosenanzügen zur Feier.

Rasch fällt ein Name: Dixie Chicks

Als dann klar wurde, dass Trump gewinnen würde, sei es still geworden und Peters deprimiert nach Hause gegangen. „Es war eine der schwärzesten Nächte meines Lebens“, sagt sie.

Für den Produzenten McDermott im Omnisound-Studio sind solche Erzählungen nur Belege dafür, dass die Linken in Amerika schlechte Verlierer sind. „Sagen wir, wir haben 20 Country-Stars vor uns“, sagt er und schaut an die Decke, als ob er die Musiker dort oben sehen könnte. „Sagen wir, fünf von ihnen schimpfen laut über Trump, aber dann kannst du Gift darauf nehmen, dass zwölf gegen Obama waren und es nur nicht gesagt haben.“

Wenn man mit Leuten wie McDermott oder Peters über politische Kontroversen in Nashville redet, dann fällt rasch ein Name: Dixie Chicks. Das weibliche Country-Trio provozierte im Jahr 2003 einen Skandal, als Sängerin Natalie Maines gegen den Irak-Krieg des damaligen Präsidenten George W. Bush wetterte und verkündete, die Bandmitglieder schämten sich, dass Bush wie sie aus Texas stamme.

Damit trat Maines eine Boykottlawine los, die Musikmanagern in Nashville noch heute Angstschauer über den Rücken jagt. Country-Fans revoltierten, die Musik des Trios wurde aus Radioprogrammen gestrichen. In der Stadt Bossier City in Louisiana zermalmten Ex-Fans Dixie-Chicks-CDs mit einem Traktor. Das wolle niemand mit der eigenen Musik erleben, sagt McDermott. Dann bleibe man textmäßig doch lieber bei Bier und Frauen. „Keiner will Geld verlieren.“

Wer in der Country-Musik etwas werden will, muss hier sein

Anheimelnd-harmlose Lieder wie „I love this bar“ von Toby Keith, ein Millionen-Hit und so etwas wie eine Country-Version von Peter Alexanders „Kleiner Kneipe“ bestimmen deshalb die Charts:

Ich mag mein Auto/

Ich mag meine Freundin/

Ich führ sie auch zum Essen aus/

Oder ins Kino, dann und wann/

Aber ich liebe diese Bar

Nirgendwo ist die Beziehung zwischen Musik, Geld und einer einzigen Stadt enger als in Nashville. Wer in der Country-Musik etwas werden will, muss hier sein, wo ein Album nach dem anderen produziert wird. In der sogenannten Music Row in der Innenstadt reihen sich Studios, Management-Firmen und Musikverlage aneinander, mit Schildern an der Straße feiern sie ihre jüngsten Erfolge: „Herzlichen Glückwunsch zum Nummer-eins-Hit.“ So übermächtig ist Country in der Stadt, dass frustrierte Rockfans einen Blog namens „No Country for New Nashville“ betreiben.

Aus jeder Kneipe der Stadt dringt Live-Musik, an den Wänden der Restaurants hängen Bilder von Country-Größen, mancherorts treten am Tag vier Künstler hintereinander auf. Die Stadtverwaltung schätzt den Beitrag der Musik-Szene zur lokalen Wirtschaft auf zehn Milliarden Dollar im Jahr.

Warum einen Riesenkrach riskieren?

Wenn so viel Geld im Spiel ist, wird Kritik zum Risiko. Und doch steht Gretchen Peters mit ihren Warnungen vor Trump nicht allein. Ihre Kollegin Margo Price sang kurz nach der Wahl im Sender NPR im schwungvollen und scheinbar harmlosen Country-Rhythmus:

Lern lieber, wo deine Grenzen sind/

Es gibt vieles, was du noch nicht weißt/

Wie es ist, zurechtgewiesen zu werden/

Ich schätze, das findest du jetzt raus

Nach dem Auftritt hielt Price grinsend ihr T-Shirt mit der Aufschrift „Icky Trump“ - „Ekliger Trump“ - in eine Kamera. In Nashville hätten vermutlich so einige ihrer Kollegen applaudiert. Bei der Wahl im November bekam Clinton in der Stadt fast 60 Prozent der Stimmen, wenn auch die Wähler im Umland dafür sorgten, dass der Bundesstaat Tennessee insgesamt an Trump ging.

Einige der größten Stars der Country-Musik zeigen unterdessen, dass man politische Ansichten, die den konservativen Fans nicht gefallen, offen aussprechen und trotzdem höchst erfolgreich sein kann. Superstar Tim McGraw etwa verärgerte viele Country-Liebhaber mit seiner öffentlichen Unterstützung für die demokratischen Präsidenten Bill Clinton und Obama - und steigerte seine jährlichen Einkünfte während der Obama-Ära laut Medienberichten auf mehr als 38 Millionen Dollar.

Musiker wie Peters, Price oder McGraw gehen einen Weg, der einigen Profis in Nashville zu unbequem ist. Warum einen Riesenkrach riskieren? Produzent McDermott fragt sich manchmal, was die ganze Aufregung um Trump soll. Die Fans wollten nun einmal keine kritischen Botschaften in der Country-Musik. „Country ist Unterhaltung“, sagt er. „Hier will man die Leute ein wenig aus der Realität wegführen - und nicht mittenrein.“

Der Text erschien am 10. Mai zuerst in einer gekürzten Version und im Online-Kiosk Blendle.

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