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Irmela Mensah-Schramm steht bald wieder vor Gericht. Ihr Kampf gegen Nazi-Schmierereien gilt als Sachbeschädigung.

© DAVIDS/David Darmer

Antifa-Seniorin steht vor Gericht: Ein Schmerz für Nazis

Ein stählerner Schaber, eine Spraydose: Irmela Mensah-Schramm ist ausgerüstet. Die 70-jährige Berlinerin sucht rechte Propaganda, kratzt Hakenkreuze ab, übersprüht rassistische Parolen. Dafür bekam sie Lob – und Anzeigen. Jetzt kommt ihr Fall vors Landgericht.

Sie hat diesen Blick. Wo andere bloß etwas Buntes wahrnehmen, das an einem Verkehrsschild klebt, entdeckt sie einen Nazi- Aufkleber. Während andere einen beschmierten Stromkasten am Gehwegrand sehen, hat sie das Hakenkreuz erblickt. Leute gehen geradeaus ihrer Wege – sie biegt plötzlich ab und untersucht einen Altkleidercontainer: Irmela Mensah-Schramm ist immer auf der Suche nach einer rechtsradikalen oder ausländerfeindlichen Parole, die sie wegmachen kann. Sie macht weg, was sie als rechte Propaganda identifiziert hat. Sie ist Reinigungskraft im politischen Raum.

Ihr Feldzug gegen Hassparolen hat ihr Auszeichnungen eingebracht, einen Friedenspreis zum Beispiel, aber auch Anzeigen und nun sogar ein Strafverfahren vor dem Berliner Amtsgericht. Irmela Mensah-Schramm, 70 Jahre alt, wurde der Sachbeschädigung beschuldigt.

In einem Fußgängertunnel in Zehlendorf hatte sie die Parole „Merkel muss weg“ entdeckt und pinkfarben übermalt. „Merke! Hass weg!“ stand da nun auf einer Fläche von 210 mal 120 Zentimetern. Die neue Farbe überdeckte die alte Farbe. Damit war aus der Sachbeschädigung sozusagen eine doppelte Sachbeschädigung geworden. Jedenfalls sehen Juristen das so. Sie sprechen davon, dass eine „Vertiefung der Verunstaltung“ festzustellen sei, weil nach Mensah- Schramms Aktion noch mehr Wandfläche von Farbe bedeckt sei als zuvor. Die Kosten für die Reinigung schätzte das Gericht auf 300 Euro. Der Prozess am 5. Oktober endete mit einer Verwarnung. Außerdem behielt sich der Richter vor, eine Geldstrafe von 1800 Euro zu verhängen.

Die Kombination von Verwarnung und Geldstrafe unter Vorbehalt gilt unter Juristen als das mildeste Mittel, das einem Richter zur Verfügung steht. Es ist ein erhobener Zeigefinger, der Einsicht erreichen und Wiederholung ausschließen soll. Doch Irmela Mensah-Schramm wollte keine Milde, sie wollte einen Freispruch. Deshalb nahm sie sich einen Anwalt und legte Widerspruch gegen das Urteil ein. Wer ein bisschen über die Grenze gehe, „wird kriminalisiert!“, grollt sie, und „ich zahle nicht für meine Zivilcourage!“ Auch die Staatsanwältin wollte keine Milde. Sie wollte einen Schuldspruch. Auch sie legte Widerspruch gegen das Urteil ein.

Nun liegt die Sache beim Landgericht, und Irmela Mensah-Schramm ist mal wieder auf einem Streifzug durch Rudow. Ein kalter Wind weht durch die Straßen um die Rudower „Spinne“. Da treffen sich, wie Mensah-Schramm weiß, abends manchmal die Neonazis aus der Gegend, um ein paar Biere zu trinken und ein bisschen herumzugrölen. Jetzt, mitten am Tag, fühlt sie sich einigermaßen sicher.

In der Umhängetasche hat sie ihr Werkzeug, unter anderem einen stählernen Schaber, um missliebige Aufkleber zu entfernen. Knallrote Sprühfarbe hat sie ebenfalls dabei, in einem Stoffbeutel mit der von ihr verfassten Aufschrift: „Wer von Asylflut redet, hat Ebbe im Gehirn.“ Sie beugt sich beim Gehen leicht nach vorn, manchmal verschnauft sie kurz – ihr Engagement ist kein Spaziergang. Zwei Stunden ist sie in der Regel unterwegs, im Anorak, mit zwei Paar Socken, wie sie sagt, aber ohne Handschuhe. Die würde sie ja doch dauernd an und ausziehen müssen.

„Aktivistin“ wird sie genannt, Menschenrechtlerin oder, wenig charmant, „Polit-Putze“. Sie sagt über sich mit fester Stimme und in entschiedenem Ton: „Ich bin Mitglied der Zivilgesellschaft.“ Wenn Irmela Mensah-Schramm erklärt, wie sie dazu kam, Propaganda der Rechten zu entfernen, guckt sie einen an, ganz offen und direkt, und erzählt von einen Morgen im Jahr 1986, als sie an einer Bushaltestelle ...

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