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China rückt näher an Europa. Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping (Mitte) war im vergangenen Jahr im März Zeuge der Ankunft des „Yuxinou“-Zuges im Duisburger Hafen. Mit dabei waren Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link, Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und Erich Staake, Geschäftsführer des Duisburger Hafens Logport (von links nach rechts). Geladen hatte der Zug vor allem hochwertige elektronische Waren.

© Federico Gambarini/dpa

Die neue Seidenstraße: Die längste Zugreise der Welt

Chinas außenpolitisches Großprojekt der neuen Seidenstraße verbindet das Land mit Europa – und hat große geopolitische Bedeutung.

Es war kein normaler Frachtzug, der am 18. November 2014 die ostchinesische Handelsstadt Yiwu verlassen hat. Das bewiesen das rote Tuch, das an der Lokomotive vor einem Schild hing und die chinesischen Honoratioren, die Beifall klatschten, als das Tuch zur Seite gezogen wurde und die Aufschrift „Chinesisch-Europäischer Ganzzug“ enthüllte. Mit diesem Zug machten sich 82 Container auf eine Reise, die eine historische werden sollte: Nichts weniger als die längste Zugreise der Welt.

Fast 13 000 Kilometer überwand der Zug, bis er 21 Tage später in der spanischen Hauptstadt Madrid eintraf. Die Container fuhren in dieser Zeit quer durch China, Kasachstan, Russland, Weißrussland, Polen, Deutschland, Frankreich und Spanien. Jahrzehntelang hatte die Transsibirische Eisenbahn den Längen-Rekord gehalten mit der 9289 Kilometer lange Strecke von Moskau bis Wladiwostok – doch nun haben ihr die wirtschaftlichen und politischen Ambitionen Chinas diese Bestmarke zumindest für Güterzüge abgenommen.

Der „Europäisch-Chinesischen Ganzzug“ ist ein gutes Beispiel für Chinas neues geopolitisches Großprojekt der neuen Seidenstraße. Darunter versteht die chinesische Regierung den Ausbau eines Transport- und Handelskorridors entlang der historischen Seidenstraßen-Route, um die wirtschaftliche Verbindung mit Europa zu verbessern und Handelsbeschränkungen entlang des Weges abzubauen. Hinzu zählt auch die Vertiefung der Beziehungen zu seinen zentralasiatischen Nachbarn über Handel, Investitionen, Energie und die Internationalisierung der chinesischen Währung.

"Es ist kein Solo, sondern eine Symphonie"

Hauptmaßnahme aber ist eine Verbesserung der Infrastruktur. Zu diesem Projekt zählt auch ein zweiter Seidenstraßengürtel, der über den Seeweg führt. Dieses „Gürtel und Straße“-Projekt wird vom chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping energisch vorangetrieben und durch einen Infrastruktur-Fond über 40 Milliarden Dollar großzügig unterstützt. „Erst wenn es eine Straße gibt, können Menschen und Waren fließen“, sagte Xi Jinping.

Am Rande des Volkskongresses Anfang März in Peking warb auch Außenminister Wang Yi für das Vorhaben, die Märkte Europas und Zentralasiens besser mit China zu verbinden. „Es ist kein Solo Chinas, sondern eine Symphonie aller beteiligten Länder“, sagte der Außenminister.

Wie sehr auch die deutsche Wirtschaft von einer verbesserten Infrastruktur profitieren könnte, zeigen die bereits existierenden Zugverbindungen mit China. So startet seit 2011 täglich ein Zug in Leipzig, der 8000 Einzelteile in das BMW-Werk ins nordostchinesische Shenyang bringt, wo diese Teile für den chinesischen Markt zusammen gebaut werden. Allerdings muss der Zug aufgrund der Breitspur in Russland gleich zweimal – in der weißrussischen Stadt Brest und in der russisch-chinesischen Grenzstadt Manzhouli in der Inneren Mongolei – die die Spuren wechseln. Der Zug benötigt 23 Tage für diese Strecke und halbiert damit die Zeit, die der Transport auf dem Seeweg benötigen würde.

Es verwundert nicht, dass bisher alle Zugverbindungen nach Deutschland führen. Deutschland ist Chinas wichtigster Handelspartner in Europa. Nicht nur wirtschaftlich, auch politisch wird Deutschland von China als Eingangstür nach Europa wahrgenommen.

Tablets hin, Gemüse zurück

China rückt näher an Europa. Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping (Mitte) war im vergangenen Jahr im März Zeuge der Ankunft des „Yuxinou“-Zuges im Duisburger Hafen. Mit dabei waren Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link, Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und Erich Staake, Geschäftsführer des Duisburger Hafens Logport (von links nach rechts). Geladen hatte der Zug vor allem hochwertige elektronische Waren.
China rückt näher an Europa. Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping (Mitte) war im vergangenen Jahr im März Zeuge der Ankunft des „Yuxinou“-Zuges im Duisburger Hafen. Mit dabei waren Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link, Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und Erich Staake, Geschäftsführer des Duisburger Hafens Logport (von links nach rechts). Geladen hatte der Zug vor allem hochwertige elektronische Waren.

© Federico Gambarini/dpa

Deshalb existiert ebenfalls seit 2011 auch eine Bahnverbindung zwischen Chongqing und Duisburg, dem weltgrößten Binnenhafen. Ein Joint-Venture multinationaler Bahngesellschaften namens YuXinOu lässt inzwischen dreimal pro Woche einen 650 Meter langen Zug die 11 179 Kilometer lange Strecke von Zentralchina nach Duisburg und zurück fahren. An jeder der sechs Landesgrenzen werden die Lokomotivführer gegen ortskundiges Personal ausgetauscht.

Aus China kommen auf diesem Weg vor allem hochwertige elektronische Waren wie Computer, Handys, Tablets nach Europa. Wegen dieser teuren Fracht begleiten auch einige Sicherheitskräfte den Zug. „Die sind dafür da, dass genauso viel ankommt, wie eingeladen wurde“, erklärt ein Sprecher der Logistikfirma DB-Schenker. Auch Baustoffe, Bekleidung und Maschinenteile sind an Bord.

Anfangs fuhren manche Container leer nach China zurück, inzwischen aber werden sie in der Gegenrichtung mit europäischem Obst und Gemüse sowie Gütern der Automobilindustrie beladen. Wie wichtig diese Verbindung nach Europa der politischen Führung in China ist, zeigt auch der Besuch des chinesischen Staats- und Parteichefs Xi Jinping im Duisburger Hafen im März 2014.

China stärkt seinen politischen Einfluss in Zentralasien

Das außenpolitische Großprojekt der neuen Seidenstraße besitzt für China auch eine große geopolitische Bedeutung. „Viele sehen es als Gegenbewegung zur US-amerikanischen Neuausrichtung nach Asien“, schreibt Min Ye, Professor für Internationale Beziehungen an der Boston Universität. China stärkt mit dem Seidenstraßen-Konzept seinen politischen Einflussbereich in Zentralasien. Während sich die USA militärisch aus Zentralasien zurückziehen, intensiviert China seine Handelsbeziehungen mit Afghanistan und anderen zentralasiatischen Ländern.

„Das ist ein Win-Win-Vorhaben“, sagte Staatschef Xi Jinping und fügte hinzu: „Warum soll man nicht eine Freihandelszone anstoßen, die drei Milliarden Menschen umfasst, gewaltige Mineralien- und Energievorkommen und den Zugang sowohl zu Europa als auch zum Nahen Osten?“

Die neuen Energieversorgungen aus Zentralasien kann das resourcenhungrige Land weniger abhängig von möglichen Versorgungsschwierigkeiten aus dem Nahen Osten, Afrika oder Russland machen. Die chinesische Regierung bietet vielen Ländern Zentralasiens an, Investitionen in die lokalen Eisenbahnnetze mit Schürfrechten oder Rohstofflieferungen zu bezahlen.

„Die zwei Seidenstraßen zielen darauf ab, die Verbindung zwischen Europa und Asien (und sogar Afrika) zu verbessern, zudem Chinas umfassende Reformen sowie Europas Re-Industralisierungsprozess voranzutreiben“, schreibt die chinesische Zeitung „China Daily“.

Die Route lässt Russland zunächst aus

Die Landrouten Richtung Westen unterstützen auch den Umzug chinesischer Produktionsstätten und Fabriken von der Ostküste in die günstigeren westlichen Provinzen wie Sichuan, Chongqing, Shaanxi oder Xinjiang. Die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua veröffentlichte im vergangenen Jahr eine Karte, auf der die neue Seidenstraße in Xi’an, der Hauptstadt der Provinz Shaanxi beginnt. Es ist übrigens auch Xi Jinpings Heimatprovinz.

Im weiteren Verlauf führt die neue Seidenstraße über Kasachstan, Kirgisistan, Usbekistan, Tadschikistan, Iran, Irak bis nach Istanbul in der Türkei. Interessanterweise lässt diese Route Russland zunächst aus – und vermeidet eine noch tiefere Abhängigkeit vom politischen Partner im Sicherheitsrat. Alle bisherigen Routen führten stets durch Russland, ein Weg, der angesichts der sich verschlechternden politischen Beziehungen zwischen Europa und Russland Probleme aufwerfen könnte. Allerdings wirkt auch die geplante Route gegenwärtig zweifelhaft – sie führt durch den Nordirak und Nordsyrien, ein Gebiet, das von der Terrormiliz Islamischer Staat kontrolliert wird.

Das Projekt bietet China eine Vielzahl von Vorteilen. „Während die neue Seidenstraße es China erlaubt, Russland ökonomisch, politisch und geographisch zu umgehen, hat sie auch das Potenzial dem Land innenpolitisch, regional und global zu nutzen“, schreibt Camille Brugier, Analystin beim Institut der Europäischen Union für Sicherheitsstudien.

Und China beschleunigt weiter. Das Land plant einen bis zu 400 Stundenkilometer schnellen Hochgeschwindigkeitszug von Peking nach Moskau. Die 7000 Kilometer lange Strecke soll durch Kasachstan führen und die Reisezeit von sechs Tagen auf zwei verkürzen. In acht bis zehn Jahren soll die Strecke fertig sein.

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