zum Hauptinhalt
Höhenflug ohne Ende? Die virtuelle Währung Bitcoin ist auch ein lohnendes Forschungsprojekt. Doch wie funktioniert das Netzwerk dahinter?

© Getty Images/iStockphoto

Einstein Center Digital Future: Was wir von Bitcoins lernen können

Florian Tschorsch erforscht als erster ernannter Professor des Einstein Center Digital Future die Krypto-Währung Bitcoin und das Anonymisierungsnetzwerk „Tor“.

Auch wenn das Internet für die meisten längst kein „Neuland“ mehr ist – komplett verstanden und erforscht ist es noch lange nicht. Die Digitalisierung berührt mittlerweile fast alle Bereiche des Lebens, der Wirtschaft und der Politik, die Auswirkungen und Wechselwirkungen dieser komplexen Entwicklung sind langfristig schwer absehbar.

Da ist es eigentlich überfällig, dass mit dem Einstein Center Digital Future (EDFC) im April dieses Jahres ein großes Forschungsinstitut in Berlin gegründet wurde, das sich mit genau diesen Fragen auseinandersetzen soll: Ins Leben gerufen wurde es von den Berliner Universitäten und mit Hilfe der Einstein Stiftung als interdisziplinäre Einrichtung unter dem Dach des Robert-Koch-Forums. Ausgestattet mit 38,5 Millionen Euro sollen sich hier Wissenschaftler aus aller Welt mit den Themen „Digitale Industrie“, „Digitale Gesundheit“ und „Digitale Gesellschaft und Geisteswissenschaften“ beschäftigen.

„Wir erforschen das Internet, wie andere die Natur erforschen“, fasst Florian Tschorsch kurz zusammen. Der 32-jährige Informatiker ist der erste ernannte Professor des ECDF, das perspektivisch 50 Professuren aufbauen wird. Berufen wurde er von der Technischen Universität Berlin, sechs Jahre wird seine Juniorprofessur währen. In dieser Zeit will er sich vor allem mit verteilten Sicherheitsinfrastrukturen beschäftigen, genauer, mit dem Anonymisierungsnetzwerk „Tor“, das unter anderem von Whistleblowern wie Edward Snowden genutzt wird, und mit der digitalen Krypto-Währung Bitcoin. Letzteres Thema ist derzeit in aller Munde: Die Währung hatte ihren Wert seit Jahresbeginn mehr als verzehnfacht und war auf ein Rekordhoch von über 10 000 Euro pro Bitcoin geklettert. Verschiedene Finanzexperten warnen jedoch auch vor dem Kauf von Bitcoins und sprechen von einer Blase.

"Man muss keiner Bank vertrauen, nur der harten Mathematik"

Für Tschorsch ist die Währung vor allem ein lohnendes Forschungsobjekt: „Für mich als Wissenschaftler ist Bitcoin ein spannender Schauplatz, aus dem man vieles lernen kann. Mich interessiert vor allem, wie das Netzwerk dahinter arbeitet.“

Anders als gewöhnliche Währungen, die von Banken verwaltet werden und deren Wert von einer Zentralbank garantiert wird, werden Bitcoins durch Computerrechenleistung erzeugt und durch eine dezentrale Datenbank, die sogenannte Blockchain, verwaltet. Diese ist das Herzstück der Bitcoin-Technologie, in ihr werden alle jemals getätigten Transaktionen verzeichnet und mögliche Betrügereien durch aufwändige kryptografische Verfahren verhindert. Die Blockchain wird von allen Teilnehmern des Peer-to-peer-Netzwerks verwaltet, das heißt, es gibt keinerlei Banken als Zwischenhändler, Bitcoins unterliegen keiner geografischen Beschränkung. Zudem genießen die Teilnehmer sehr viel mehr Anonymität als Kunden im normalen Bankenwesen.

Ein wichtiger Aspekt in Zeiten von Massenüberwachung: „Man muss sich nicht authentifizieren, um das System zu nutzen“, sagt Tschorsch. „Man hat die Kontrolle über seine Privatsphäre, man muss keiner Bank vertrauen, sondern nur der harten Mathematik der Kryptographie.“ Diese Dezentralität mache die Grundkonzeption von Bitcoin zu einem „hochdemokratischen System“, so Tschorsch: „Es gibt keinen zentralen Vertrauensanker, es funktioniert quasi basisdemokratisch.“

Genau diese Funktionsweise der Blockchain könne man sich in anderen Bereichen der Gesellschaft zunutze machen: „Wir könnten in Zukunft dezentrale Systeme bauen, die genauso demokratisch und transparent sind. Man könnte zum Beispiel den Strommartkt über Blockchains regeln: Statt mit einzelnen Stromanbietern Verträge zu schließen, könnten auch private Stromerzeuger über einen dezentralen Handelsplatz Strom ins Netzwerk verkaufen. Auch für die Logistik wären solche Lösungen denkbar.“

Auch das „Tor“-Netzwerk sollte schneller werden

Ein Nachteil von Bitcoin sei allerdings die niedrige Performanz: Während man zum Beispiel mit Kreditkarten durchschnittlich 2000 Transaktionen pro Sekunde durchführen kann, schafft Bitcoin maximal zehn. Wenn man Bitcoins leistungsfähiger macht, könnte das aber die Sicherheit des Systems aufweichen. Genau diesen Aspekt möchte Tschorsch untersuchen: „Wenn Bitcoin eine Alternative zum Bankensystem sein soll, muss es mehr leisten als jetzt, aber wie verhält sich das dann zum Sicherheitsversprechen der Währung?“

Die gleiche Fragestellung verfolgt Tschorsch im Falle von „Tor“: „Auch hier haben wir das Spannungsfeld, dass wir einerseits ein sicheres System haben wollen, das unsere Privatsphäre schützt, das aber andererseits auch effizient funktionieren soll.“ Denn auch „Tor“ ist relativ langsam, was mit der Systemarchitektur zusammenhängt: Eine Nachricht, die über Tor verschickt wurde, lässt sich in der Regel nicht zurückverfolgen. „Das muss man sich vorstellen wie einen Brief, der in mehrere Umschläge gesteckt wird, so dass von außen weder Absender noch Empfänger zu sehen sind“, sagt Tschorsch. „Eine E-Mail hingegen ist wie eine Postkarte ohne Umschlag.“

In seiner Promotion an der HU Berlin hat Tschorsch sich aktiv damit beschäftigt, wie man das „Tor“-Netzwerk schneller machen könnte. Er entwickelte nicht nur ein neues Protokoll für „Tor“, sondern entdeckte auch eine kritische Sicherheitslücke, die Tschorsch zusammen mit den „Tor“-Entwicklern reparierte. „Tor ist ein unglaublich wichtiges Werkzeug, um wieder die Kontrolle über die eigene Privatsphäre zu bekommen, vor allem in Ländern mit starker Zensur“, begründet Tschorsch sein Engagement. „Private Kommunikation im Internet wird derzeit aus wirtschaftlichen und politischen Gründen überwacht, aber die Entscheidung darüber, ob man anonym bleiben will oder nicht, sollte immer dem Nutzer überlassen bleiben.“

Die Experten des ECDF wollen die digitale Zukunft nicht nur erforschen, sondern sie aktiv mitgestalten. Man darf gespannt sein, welche Projekte das ECDF in den kommenden Jahren durchführen wird. „Die Internetforschung ist bislang sehr isoliert gewesen“, sagt Tschorsch. „Es ist eine große Stärke und ein Alleinstellungsmerkmal, das hier im ECDF so viele Wissenschaftler aus unterschiedlichen Bereichen zusammen kommen.“

Zur Startseite