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In Amsterdam soll dieses 21 Stockwerke hohe Holzhaus entstehen – eine Herausforderung für Planung und Design. An dem Projekt mit dem Namen „Haut“ sind auch Wissenschaftler der TU Berlin beteiligt.

© Team V Architecture

Bauen aus Holz und Leichtbeton: Nachhaltige Sturm- und Drangzeit

Hochhäuser aus Holz gibt es bereits. Bauingenieur Volker Schmid von der TU Berlin drückt nun ihre Kosten.

„Der Holzbau erlebt gerade seine Sturm- und Drangzeit“, berichtet Volker Schmid, Bauingenieur der TU Berlin. Ein Studentenwohnheim mit sechs Stockwerken in Berlin und ein Hochhaus mit 21 Etagen in Amsterdam sind nur die ersten beiden in einer langen Liste von Gebäuden, die er als Beispiele für diesen Boom aufzählt.

In jedem dieser Bauwerke ist Holz aus guten Gründen der zentrale Rohstoff: Es besteht aus extrem festen Fasern und ähnelt damit Faserwerkstoffen, die Ingenieure sonst zum Beispiel im Flugzeugbau einsetzen. Zusätzlich macht die eingeschlossene Luft Holz zu einem erstklassigen Dämmstoff, während Beton Kälte und Wärme wenig entgegensetzt. Vor allem aber fischt ein Baum für jeden Kubikmeter seines Holzes 900 Kilogramm Kohlendioxid aus der Luft, die jetzt im Gebäude festgehalten werden und das Weltklima nicht mehr aufheizen. Beton dagegen setzt bei seiner Herstellung jede Menge des Treibhausgases Kohlendioxid frei. Weltweit steigen aus der Zementindustrie jedes Jahr mindestens zwei Milliarden Tonnen Kohlendioxid in die Luft und liefern so wenigstens sechs Prozent des Ausstoßes dieses Treibhausgases.

Der Boom im Holzbau steht also auf einem soliden Fundament. Bauingenieure und Architekten bieten ihren Kunden entsprechend gern Häuser aus Holz an. Oft aber zucken die Bauherren zurück, wenn sie nach den Kosten fragen: Gebäude aus Holz oder Verbundstoffen mit Holz kommen etwa fünf bis zehn Prozent teurer als Häuser aus herkömmlichen Materialien. Zu Buche schlagen dabei zum Beispiel die Geschossdecken, die sich in mehrstöckigen Häusern zwar durchaus aus Holz herstellen lassen. Nur würden die Bewohner jeden Schritt der Leute hören, die eine Etage höher durchs Zimmer laufen, weil Holz gerade solchen „Trittschall“ miserabel dämmt.

Eine dünne Betondecke bietet Schutz bei Bränden und Wasserschäden

Ein Verbund aus dicken Holzbalken unter einer Betondecke, die nur ein Drittel der Dicke einer einfachen Betondecke hat, löst dieses Problem nicht nur elegant, sondern liefert eine Reihe weiterer Vorteile: Die dünne Betondecke bietet einen erstklassigen Brandschutz, und auch wenn Waschmaschine oder Badewanne ein Leck haben, verhindert der dünne Beton Wasserschäden in den tiefer liegenden Etagen. Allerdings lassen sich die Holzbalken mit der Betondecke nur mit recht großem Aufwand verbinden – und machen die Geschossdecken so zu einem Kostentreiber. Genau für dieses Verbinden verschiedener Werkstoffe interessieren sich Volker Schmid und seine Mitarbeiter. Für die Verbunddecke schlagen die Forscher ein ungewöhnlich klingendes Verfahren vor. Sie streichen feuchtes Epoxidharz auf das Holz und gießen darauf den frischen Beton. Erste Versuche zeigen bereits einen großen Vorteil der Methode: Der Leichtbeton kann sich der Oberfläche des Holzes gut anpassen und beide Werkstoffe können sich sehr gut miteinander verbinden. Erste Ergebnisse zeigen, dass solche geklebten Verbundstoffe erheblich besser aneinander haften als zum Beispiel verschraubte Bauteile. Auch wenn noch einiger Forscherschweiß in das Verfahren fließen dürfte, klingt es recht vielversprechend.

Die Balken für solche Häuser bestehen normalerweise nicht aus gewachsenem Holz, sondern werden aus zwanzig Zentimeter breiten Brettern zu beliebig hohen Balken zusammen geleimt. Um ein Haus mit sieben oder acht Stockwerken zu bauen, ist dieses Holz allerdings zu schwach. Also werden zwei 40 Zentimeter hohe Zwanzig-Zentimeter-Balken miteinander zu einer quadratischen Stütze verleimt, die dann auch das Gewicht von sechs oder sieben darüber liegenden Etagen ohne Probleme verkraftet. Reicht das immer noch nicht, können für höhere Gebäude auch drei Zwanzig-Zentimeter-Balken mit 60 Zentimeter Höhe zu quadratischen Sechzig-Zentimeter-Stützen verbunden werden, die dann noch viel mehr Last tragen können.

Die dünnen Wände halten weniger aus

Das klappt aber nur für senkrecht stehende Balken hervorragend. Quer zur Richtung, in die der Baum einst gewachsen war, ist Holz viel schwächer belastbar; es verhält sich ähnlich wie ein Bündel Strohhalme. Dieses verträgt von oben ebenfalls relativ viel Druck. Kommt die Kraft aber von der Seite, wird das Bündel rasch eingedrückt, weil die dünnen Wände viel weniger aushalten. Ganz ähnlich schwächen auch die Leitungsbahnen, in denen der Baum Nährstoffe von den Wurzeln bis in den Wipfel transportiert, das Holz für Kräfte von der Seite. „Bei höheren Gebäuden können Querbalken in den unteren Stockwerken das Gewicht der darüber liegenden Etagen nicht mehr tragen“, erklärt Schmid.

Solche Balken werden bisher mit Stahlkreuzen verbunden, die diese Kräfte aufnehmen. Dazu werden Bleche aufwändig und teuer in das Holz eingeschoben und mit Stahldübeln befestigt. Volker Schmid will stattdessen die waagrechten und die senkrechten Balken über Knoten aus Beton miteinander verbinden. Dazu kleben die Forscher Stahlstangen in die Balken, die ein Stück aus dem Holz in den noch hohlen Knoten-Bereich zwischen den Balken ragen. Anschließend wird der Knoten mit Beton ausgegossen, der die Stahlstangen fest umschließt, sobald er fest wird. Jetzt übertragen Beton und Stahlstangen die im Knoten wirkenden Kräfte und die waagerechten Holzbalken werden entlastet.

In diesen Betonknoten kann Volker Schmid dann gleich noch die Stahlstangen aus den Balken verankern, die er diagonal durch die Fassade von Holzbauten mit vielen Geschossen ziehen will. Ähnlich wie ein Stabilisierungskreuz an einem Regal versteifen solche Diagonalen die Konstruktion und verhindern, dass ein schwerer Sturm das Hochhaus stark schwanken lässt. Bisher übernimmt oft ein Stahlbetonkern diese Aufgabe, dessen Herstellung viel Kohlendioxid freisetzt. Einmal mehr unterstützen die TU-Forschungsingenieure so die Sturm- und Drangzeit des Holzbaus nach Kräften.

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