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Schönes Ding. Manuel Charr und sein WM-Gürtel.

© AFP

Weltmeister Manuel Charr: Gute Nacht, liebes Boxen!

Deutschland hat wieder einen Schwergewichts-Weltmeister im Boxen - den ersten seit Max Schmeling vor 85 Jahren. Doch dieser Vergleich ist ein Witz. Ein Kommentar.

Der Boxer Manuel Charr ist ein großer, kräftiger Mann. Er ist 33 Jahre alt, lebt in Köln und hat bisher ein kurviges Leben gelebt. Seit Samstagnacht ist Manuel Charr Weltmeister im Schwergewicht – der erste Deutsche seit Max Schmeling. 85 Jahre ist das her.

Große Güte, wer diesen Vergleich zieht, wer Manuel Charr als Nachfolger Schmelings sieht, wird Schmeling nicht gerecht, nicht dem eigentlich bedeutsamen Titel der wichtigsten aller Gewichtsklassen, ja nicht einmal Charr selbst.

Was der Bursche libanesisch-syrischer Abstammung geleistet hat, ist allerhand. Er stand mit zwei künstlichen Hüftgelenken im Ring von Oberhausen, die ihm vor einem halben Jahr eingesetzt wurden. Er hat einen Beinschuss im Libanon und einen Bauchschuss in einem Döner-Imbiss in Essen überlebt und nach eigenen Aussagen seine kriminelle Vergangenheit abgestreift. Er hat einen großen Willen und Mut bewiesen, er hat vielen gestrauchelten Menschen gezeigt, dass man wieder aufstehen kann. Das hat durchaus einen Titel verdient, aber nicht den eines Schwergewichtsweltmeisters.

Mildenberger kam Schmeling näher als alle anderen

Weder er, gleich gar nicht sein Gegner, der Russe Alexander Ustinow, haben das boxerische Format dazu. Alle Kämpfe gegen namhafte Gegner wie Witali Klitschko (2012), Alexander Powetkin (2014) oder Mairis Briedis (2015) hat Charr durch Knockout verloren. Ustinow wird in wenigen Tagen 41 und hat solche Gegner erst gar nicht gehabt. Er hat nicht mehr als einen zwar kolossalen, aber auch tapsigen Körper (2,02 Meter, 136 Kilo) zu bieten.

Bei allem Respekt, aber diese beiden Herrschaften um die Krone im Schwergewicht boxen zu lassen, ist so, als ließe man den WM-Titel im Fußball im kommenden Sommer ohne Europa und Südamerika austragen – eine Farce.
Drei Tage vor der Fake-WM von Oberhausen hat der Pfälzer Karl Mildenberger seinen 80. Geburtstag begangen. Vor 51 Jahren hat er in Frankfurt gegen Muhammad Ali um die WM gekämpft – und erst in der zwölften Runde ehrenhaft verloren. Damit ist er Schmeling näher gekommen als alle anderen Deutschen danach. Ja, die dauersiegenden Schwergewichts-Weltmeister Wladimir und Witali Klitschko haben ein Jahrzehnt Langeweile verbreitet, aber sie hatten Format und Klasse. Heute wird der wichtigste Titel auf dem Marktplatz verjubelt. Armes Boxen.

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