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Schön bunt und ganz schön hoch. Die Tour de France ist größer als ihre Protagonisten. Das gilt nach den Dopingskandalen der Vergangenheit erst recht. Trotzdem lauert nicht gleich hinter jeder Serpentine ein neuer Skandal.

© David Stockman/dpa

Was von der Tour de France bleibt: Neue Helden, alte Zöpfe

Echte Begeisterung für die Radsportler bei der Tour de France? Geht nicht? Geht doch! Ein Essay.

Das Misstrauen bleibt ein stetiger Begleiter der Radprofis. Das war auch in den vergangenen drei Wochen bei der Tour de France wieder so. Unter die Zweifel hat sich allerdings auch wieder echte Begeisterung gemischt. Zu sehen bei 500 000 Menschen allein in Düsseldorf beim Start der 104. Ausgabe des härtesten Radrennens der Welt. Und doch kämpft die heutige Generation der Profis auch gegen den Schatten der Vergangenheit. „Apothekerrundfahrt“ und „völlig durchseuchter Sport“ – das stand beispielsweise in Leserkommentaren zur Tour auf der Internetseite des Tagesspiegels. Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht mehr?

Tatsächlich hat der Profiradsport mit dem normalen Fahrradfahren wenig gemein. 3500 Kilometer in drei Wochen zurücklegen und das im Schnitt mit über 40 Kilometern pro Stunde – das schafft nicht mal der schnellste Kampfradler im Berliner Großstadtdschungel. Auch das macht es so schwer, sich vorzustellen, hier könnte wirklich alles mit rechten Dingen zugehen.

Dennoch hat es in den vergangenen Jahren einen Mentalitätswandel bei vielen Radprofis gegeben. Da sind Fahrer, die Doping aufs Schärfste verurteilen, die transparent ihre Leistungsdaten zur Verfügung stellen – die sogar schriftlich versichern, sauber zu sein. Diese und alle anderen Fahrer stehen gerade in Deutschland dennoch bei einer nicht kleinen Zahl von Menschen unter Generalverdacht, weil der Radsport in der Vergangenheit Fehler gemacht, weil er viele enttäuscht hat.

Dabei sind die Profis im Jahr 2017 wahrscheinlich so sauber wie seit langem nicht mehr. Schwarze Schafe gibt es immer, flächendeckendes Doping ganzer Teams wie in der Hochzeit der Armstrongs und Ullrichs wohl eher nicht mehr. Damit ist der Radsport genauso verdächtig wie jeder andere Profisport auch – nur sollte er eben nicht für noch verdächtiger gehalten werden, nur weil es sich um Radprofis handelt.

Verbände, Sportler und Teams sind weiterhin erst einmal selbst gefordert

Verbände, Sportler und Teams haben in der Vergangenheit manche Anstrengung unternommen, um glaubwürdiger zu erscheinen. Es könnten aber durchaus auch noch ein paar mehr sein. Sky, das Team von Toursieger Christopher Froome, muss sich an den eigenen Aussagen in Sachen Transparenz messen lassen. Der Radsportweltverband UCI sollte die Kriterien zur Vergabe seiner WorldTour-Lizenzen durchaus strenger fassen. Auch bei der aktuellen Frankreich-Rundfahrt waren wieder Mannschaften am Start, bei denen selbst dem unbefangenen Betrachter ein ungutes Gefühl beschleicht.

Die Teams sind gefordert, sich bei der Auswahl gerade ihres leitenden Personals etwas mehr Gedanken zu machen. Nicht alle Sportlichen Leiter sind in der Vergangenheit als leuchtende Vorbilder im Kampf gegen Doping in Erscheinung getreten. Die Teambesitzer müssen lernen, dass sie sich letztlich nur selbst und ihrem Sport schaden, wenn sie alte Zöpfe nicht abschneiden. Und natürlich ist auch Tour-Veranstalter Amaury Sports gefragt. Dass es nicht immer Endlosanstiege im Hochgebirge sein müssen, um Spannung zu erzeugen, hat gerade die abgelaufene 104. Tour-Auflage deutlich gemacht. Und nur weil es die Tradition so will und es noch immer so war, muss eine Königsetappe bei der Frankreich-Runde nicht 200 oder mehr Kilometer umfassen. Kurze, knackige Teilstücke haben mindestens genauso ihren Reiz.

Die steigenden Zuschauerzahlen bei den Fernsehübertragungen sowohl in der ARD als auch bei Eurosport zeigen, dass das Interesse an der Tour wieder zunimmt. Dabei weckt Gesamtsieger Froome kaum Emotionen – weder in positiver noch in negativer Hinsicht. Das Gesamtpaket des Rennens macht es so attraktiv, und die Tour de France war selbst in ihren schwärzesten Stunden immer größer als ihre Protagonisten.

Wer den Radsport mag, hat ihm längst eine zweite Chance gegeben. Wer weiter skeptisch ist, schaut vielleicht nicht unbedingt auf die Ergebnislisten ganz oben, sondern etwas weiter dahinter. Auf Fahrer wie Emanuel Buchmann, die sich in der zweiten Reihe langsam entwickeln. Ein 15. Platz für einen deutschen Fahrer im Gesamtklassement verdient gerade deshalb Respekt, weil er sehr wahrscheinlich völlig sauber herausgefahren wurde.

Und diejenigen, für die Radrennen nur Apothekerrundfahrten sind, sollte der Sport als Ansporn nehmen. Als Ansporn, es immer noch besser zu machen. Damit sich künftig noch mehr Menschen an einer Tour de France begeistern können.

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