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Mit kritischem Blick. Herthas Trainer Pal Dardai ist von seinem Team aktuell nur bedingt begeistert.

© AFP

Vor dem Spiel beim SC Freiburg: Jetzt wird's ernst für Hertha BSC

Die Berliner müssen aufpassen, dass sich die Krise aus der Europa League nicht in die Bundesliga verlängert. In Freiburg treffen sie jedoch auf eine Mannschaft, die noch etwas gutzumachen hat.

Irgendwie passte das natürlich zu diesem freudlosen Abend. Anstatt wie geplant direkt nach dem Europa-League-Spiel gegen Sorja Luhansk in die Heimat zurückzufliegen, mussten die Spieler von Hertha BSC die Nacht in Lemberg verbringen. Wegen Nebels hätte das Charterflugzeug nicht in Schönhagen landen können. So waren die Fußballer erst am Freitag wieder in Berlin. Was wiederum den Vorteil hatte, dass das Auslaufen um anderthalb Stunden vorgezogen wurde und sie entsprechend früher Feierabend hatten.

Der Alltagsphilosoph Johan Cruyff hat einmal gesagt, dass jeder Nachteil seinen eigenen Vorteil habe. Was am Freitag im Kleinen für Herthas Spieler galt, gilt möglicherweise im Großen für die Mannschaft, die am Donnerstag auch gegen den zweiten No-Name ihrer Gruppe verloren hatte. Nach dem 1:2 gegen Luhansk sind die Berliner mit nur einem Punkt aus drei Spielen Gruppenletzter; aller Voraussicht nach wird die Europa League für sie schon nach der Vorrunde beendet sein. Aber wer weiß, wozu das gut ist?

Statistisch liegt die Chance auf ein Weiterkommen bei sechs Prozent, wenn man die Ergebnisse der Vergangenheit als Bemessungsgrundlage heranzieht. Fünfzig Teams hat es in der Geschichte der Europa League gegeben, die wie Hertha nach drei Spieltagen lediglich einen Punkt erbeutet hatten; nur drei von ihnen schafften es anschließend in die nächste Runde. Eins von ihnen war: Hertha BSC. In der Saison 2009/10 qualifizierten sich die Berliner durch drei Siege in den letzten drei Gruppenspielen noch für die Zwischenrunde.

Am Ende der Saison stieg die Mannschaft dann aus der Bundesliga ab.

Pal Dardai hält solche Rechnungen für Quatsch. Nach dem 1:2 in Lemberg sagte Herthas Trainer: „Wenn du Letzter bist, hast du es auch verdient.“ Statt sich irrigen Hoffnungen auf ein Weiterkommen in der Europa League hinzugeben, wird es für die Mannschaft darum gehen, möglichst flott den aktuellen Trend zu durchbrechen und nicht auch in der heimischen Liga in einen Negativstrudel zu geraten. Hertha hat vier der jüngsten fünf Pflichtspiele verloren (unter anderem gegen Mainz, Östersund und Luhansk) und aus den letzten zehn Begegnungen nur einen Sieg geholt. „Nach so einer Serie muss man ein bisschen aufpassen“, sagte Dardai. „Wir sind froh, dass wir schon ein paar Punkte in der Liga haben.“

Davie Selke wird mehr und mehr zu einer echten Alternative

Am Sonntag tritt seine Mannschaft bei ausgeruhten Freiburgern an, die nach der deutlichen Niederlage in München noch etwas gutzumachen haben und die mit nur zwei Punkten Rückstand auf Hertha aktuell den Relegationsplatz belegen. Bei einem Sieg würde der Sportclub an den Berlinern vorbeiziehen, die aus den ersten acht Bundesligaspielen neun Punkte geholt haben. Zehn habe er eingeplant, sagte Dardai am Freitag. Insofern: Alles gut. Aber stimmt das? Oder dient eine solche Aussage vor allem der Selbstberuhigung. „Eine Krise spüre ich nicht“, sagt Dardai. „Das kommt immer von außen.“

Seitdem der Ungar als Cheftrainer für Herthas Profis verantwortlich ist, hat die Mannschaft die öffentlichen Erwartungen immer und zum Teil deutlich übertroffen. Die Berliner haben die vergangenen beiden Spielzeiten als Siebter und Sechster abgeschlossen – und in beiden Fällen von einer starken Hinrunde profitiert, in der sie viele Punkte ansammelten. Von diesem Polster hat die Mannschaft dann in den eher schlechten Rückrunden gezehrt. Dass es in dieser Saison angesichts der ungewohnten Mehrfachbelastung anders kommen könnte, hatten Spieler und Trainer in ihre Planungen eingespeist. „Wir haben keine große Klappe gehabt“, sagte Dardai, „wir haben nicht erzählt, dass wir in die Europa League oder in die Champions League wollen.“ Hertha hat einen Platz in den Top Ten als Saisonziel ausgegeben, und davon sei man nicht weit entfernt, findet Dardai.

Der Ungar hat in den vergangenen Wochen häufiger gesagt, dass man sich in der Sammelphase befinde. Demnach hat seine Mannschaft bisher eine Menge tauber Nüsse gefunden. Vor einem Jahr hatte Hertha zum gleichen Zeitpunkt bereits 17 Punkte und war Dritter; vor zwei Jahren lag sie mit 14 Punkten auf Platz vier. Und selbst in der Abstiegssaison 2011/12 hatte das Team nach acht Spieltagen als Tabellenzehnter mehr Zähler (12) als jetzt.

„Wir haben uns selbst in ein Karussell gesetzt, aus dem es schwer wird, wieder rauszukommen“, sagt Dardai. Die Mannschaft hetzt von Spiel zu Spiel: Drei Tage nach Freiburg geht es im Pokal gegen Köln, und wiederum nur drei Tage darauf kommt der HSV. Eine geordnete Vorbereitung auf den nächsten Gegner, von der die Spieler in der Vergangenheit erkennbar profitiert haben, findet nicht statt. „Du hast die Zeit nicht“, sagt Dardai. „Dadurch gibt es diesen Trainingseffekt nicht.“

Für das Spiel in Freiburg kehren die Spieler zurück, die er in der Europa League geschont hat; dazu wird Davie Selke, der gegen Luhansk sein erstes Tor für Hertha erzielt hat, mehr und mehr zu einer echten Alternative. Und anders als bei der Niederlage gegen Schalke, als die vollen 90 Minuten schlecht gewesen seien, hat Dardai in Lemberg zumindest in den ersten 20 Minuten „einiges von meinem Plan gesehen“. Alles in allem klang er am Freitag sogar schon recht zuversichtlich. „Wir werden eine gute Partie anbieten“, sagte er. Es hörte sich an wie: eine gute Party.

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