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Thomas Müller erzielte gegen Borussia Mönchengladbach das entscheidende Tor.

© PATRIK STOLLARZ/AFP

Vor dem Länderspiel gegen England: Thomas Müller und der perfekte Laufweg

Thomas Müller hat für den FC Bayern nach drei Monaten mal wieder ein Tor erzielt – für sein persönliches Wohl braucht er die Länderspiele nun nicht.

Thomas Müller machte keine weiteren Angaben, wie für ihn ein normaler Sonntagabend aussieht. Kann also sein, dass er sich um viertel nach acht den Tatort anschaut, anschließend noch ein paar Minuten bei Anne Will reinhört, ehe er dann zeitig zu Bett geht. Fußballspielen gehört als Profi des FC Bayern München in der Regel nicht zu Müllers üblichen Beschäftigungen am Sonntagabend, weshalb ihm die Bundesligabegegnung bei Borussia Mönchengladbach eine ungewohnte Erfahrung bescherte. „Für einen Sonntagabend bin ich ziemlich kaputt“, sagte Müller. Ziemlich glücklich dürfte er auch noch gewesen sein – was in diesen Wochen für den 27-Jährigen auch eine überraschend ungewohnte Erfahrung ist.

„Heute ist ein schöner Tag für mich“, sagte Müller. „Es fühlt sich ganz gut an.“ Und das lag weniger am 1:0-Sieg seiner Mannschaft, mit dem die Bayern ihren Vorsprung an der Tabellenspitze auf 13 Punkte vergrößerten. Es lag an Müllers persönlichen Beitrag zu diesem Erfolg. Nach etwas mehr als einer Stunde hatte er den einzigen Treffer des Spiels erzielt. Sein ausgelassener Jubel und die Freude der Kollegen belegten, dass solche Ereignisse inzwischen etwas Besonderes sind.

Müller machte es sogar noch ein bisschen spannend, als er nach dem genialen Zuspiel seines Kollegen Thiago plötzlich vor dem Gladbacher Torhüter Yann Sommer stand. „Ich wusste, dass ich frei bin“, berichtete Müller, auch die Ballannahme mit rechts gelang. „Aber die Kontrolle war nicht 100 Prozent optimal.“ Der Ball fand sich plötzlich zwischen seinen Füßen wieder, Müller tippelte zweimal, sah, dass, Sommer schon zu Boden ging, und vollendete dann mit links. Ob er nicht überlegt habe, direkt zu schießen, wurde Müller später gefragt. „So, wie ich’s gemacht habe, war’s gut“, antwortete er.

So etwas hat Müller über seinen Torabschluss in dieser Saison noch nicht oft sagen können. Das 1:0 gegen die Gladbacher war erst sein zweiter Treffer in der Bundesliga. Drei Monate hatte er darauf warten müssen, nachdem es bis zum ersten Saisontor sogar dreieinhalb gewesen waren.

Seit der EM trifft Müller nicht mehr wie zuvor

Seit der Europameisterschaft im vergangenen Sommer in Frankreich begleitet den Münchner dieses Thema. Im vorletzten Test vor dem Turnier hatte er gegen Ungarn den 2:0-Endstand erzielt – alles normal so weit. Doch bei der EM war für Müller nichts mehr normal. Was er auch anstellte, er traf das Tor nicht mehr. Immer wieder musste er das scheinbar Unerklärliche erklären; immer wieder versicherte er, dass alles gut sei, wenn die Mannschaft gewinne. „Mit Lob oder Kritik umgehen, mit Erfolg oder Misserfolg, dass kann Thomas Müller fast so gut wie niemand sonst“, hat Bundestrainer Joachim Löw vor kurzem in einem Interview mit dem „Kicker“ gesagt. „Er hat seit 2010 immer hervorragend gespielt, dass er jetzt eine etwas schwierigere Phase durchläuft, ist nichts Außergewöhnliches.“

In 43 Spielen für die Bayern und die Nationalmannschaft seit jenem Test gegen die Ungarn hat Thomas Müller gerade mal neun Tore erzielt. Das ist für seine Verhältnisse eine ziemlich bescheidene Quote. Dafür kommt der Münchner schon auf elf Assists – und ist damit gemeinsam mit dem Freiburger Vincenzo Grifo und dem Leipziger Emil Forsberg der beste Vorbereiter der Bundesliga. In den vergangenen Wochen ist bei Müller eine deutliche Formsteigerung festzustellen. Noch Mitte Februar, beim glücklichen 1:1 der Bayern gegen Hertha BSC, stolperte er so unbeholfen über den Rasen, dass man fast Mitleid mit ihm haben musste.

Gegen die Mönchengladbacher nun zeigte Thomas Müller, dass er sein Gespür für den Raum wiedergefunden hat. In der Nachbetrachtung seines Tores wurde vor allem Thiagos punktgenaue Vorarbeit gelobt; dass Müller den perfekten Laufweg fand, um den Pass des Spaniers in Empfang zu nehmen, wurde hingegen weitgehend ignoriert. „Ich habe nie an ihm gezweifelt“, sagt Joachim Löw. „Er hat einen eingebauten Torinstinkt.“

Das ist typisch für den Bundestrainer. Kriselnden Nationalspielern ist er immer mit viel Nachsicht begegnet – oft mit dem gewünschten Ergebnis. Zu Saisonbeginn, als bei ihm in der Bundesliga wenig funktionierte, hat Müller in den WM-Qualifikationsspielen gegen Norwegen und Tschechien je zwei Mal getroffen. An diesem Montag ist er wieder zur Nationalmannschaft gereist, aber für sein persönliches Wohl braucht Müller die Länderspiele gegen England am Mittwoch und in Aserbaidschan am Sonntag nach seinem Tor in Mönchengladbach diesmal nicht. Eher dürfe sich die nationale Konkurrenz über die Pause freuen: „Da kann sich die Liga von dem Schock erholen, dass ich getroffen habe.“

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