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Selbst vor dem Fernseher ist es nicht so einfach. DFL-Projektleiter Hellmut Krug erläutert die Aufgaben des Video-Schiedsrichters in der Bundesliga.

© dpa/Rumpenhorst

Videobeweis im Fußball: Einfach mehr sehen

DFB und DFL testen seit dieser Saison den Video-Schiedsrichter – das Modell verspricht deutlich weniger Fehlentscheidungen.

Von Johannes Nedo

Berlin - Ronny Zimmermann hat sich am Montag klar positioniert. Er sei ein Fußball-Romantiker, sagte der Vizepräsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Der 55-Jährige ist beim DFB für die Schiedsrichter zuständig. Und gerade in diesem Bereich stehen große Neuerungen an. Neuerungen wie der Video- Schiedsrichter, die Fußball-Romantiker eigentlich wenig begeistern. Doch bei Zimmermann ist das anders. Vom Video- Schiedsrichter etwa ist er vollkommen überzeugt. Das liegt vor allem an den ersten Erfahrungen, die der DFB und die Deutsche Fußball-Liga (DFL) mit diesem Projekt gesammelt haben.

Seit Beginn dieser Bundesliga-Saison wird der Video-Schiedsrichter getestet. Über die bisherigen Erkenntnisse informierten DFB und DFL am Montag in Frankfurt am Main. So betonte Zimmermann, dass die Statistiken wirklich vielversprechend seien. „Es gab 44 klare Fehleinschätzungen bis zur Winterpause, von denen die Video-Schiedsrichter 33 hätten aufklären können“, sagte er.

Das für das weltweite Fußball-Regelwerk zuständige International Football Association Board (Ifab) will im März 2018 über die Einführung des Videobeweises entscheiden. Seit dem Frühjahr des Vorjahres wird die neue Technologie in verschiedenen Ländern getestet. Sie kam schon beim Länderspiel zwischen Deutschland und Italien im November zum Einsatz sowie bei der Klub-WM in Japan. „Wir sind überzeugt, dass der Video-Assistent kommen wird – in welcher Form auch immer“, sagte DFL-Projektleiter Hellmut Krug. „Und wir sind überzeugt, dass es einen Teil des Drucks vom Schiedsrichter nimmt.“ Dies bestätigte auch Schiedsrichter Felix Zwayer. „Es ist eine große Hilfe. Denn es ermöglicht andere Perspektiven“, betonte der 35 Jahre alte Berliner, der auch damit rechnet, dass der Videobeweis bei der Weltmeisterschaft 2018 in Russland getestet wird.

„Das Spiel soll gerechter werden“, sagte Zimmermann. Dagegen könne auch kein Fußball-Romantiker sein. Weil zugleich aber das Spiel nichts von seinem Charakter verlieren soll, „wird nicht jede kleine Entscheidung überprüft“, betonte der DFB-Vizepräsident. Der Video-Schiedsrichter darf nur in vier Situationen eingreifen, und auch dann nur, wenn der Schiedsrichter auf dem Feld eine klare Fehlentscheidung getroffen hat. Erstens bei der Frage: Zählt das Tor oder nicht? Zweitens: War es im Strafraum ein Foul oder nicht? Drittens: War es eine Rote Karte? Und viertens: Hat der Schiedsrichter einen Spieler verwechselt?

Krug und Zwayer zeigten schließlich einige strittige Szenen, bei denen oft auch Hertha BSC vorkam. Etwa das Tor von Genki Haraguchi im Heimspiel gegen Ingolstadt in der vergangenen Saison. Zuvor hatte Per Skjelbred einen Gegenspieler gefoult und so den Ball erobert. Der Schiedsrichter hatte nicht gepfiffen. In diesem Fall hätte sich der Video-Schiedsrichter aber eingeschaltet – und das Tor hätte nicht gezählt, sagte Krug. Bei Marvin Plattenhardts Aktion gegen Leverkusen am vergangenen Sonntag, die dann zum Elfmeter für Bayer führte, hätte sich der Video-Schiedsrichter laut Krug aber nicht eingemischt. „Wir hätten die Entscheidung des Schiedsrichters vor Ort akzeptiert, weil es so schwer zu entscheiden war und kein klarer Fehler“, sagte er.

Es wird also noch weiterhin Stoff für Diskussionen geben, beruhigte Fußball- Romantiker Zimmermann. Vor allem sehen DFB und DFL aber eine „klare Fehlerminimierung“, die es mit der neuen Technologie geben würde. Seit einem halben Jahr werden die Schiedsrichter in Köln geschult, von dort verfolgen sie auch die Spiele. Zehn bis 40 Sekunden braucht der Video-Assistent dabei für seine Entscheidung, für die er auf bis zu acht Kameraeinstellungen zurückgreifen kann, sagte Krug. Bisher haben die Video-Schiedsrichter aber keinen Kontakt zum Schiedsrichter vor Ort.

Die nächste wichtige Testphase beginnt in der kommenden Saison bei allen Bundesliga-Spielen. Dann können sich die Video-Schiedsrichter erstmals direkt bei strittigen Situationen einschalten. Ein weiterer Aspekt bleibt laut Zimmermann aber auch beim alten: „Der Chef auf dem Platz wird nach wie vor der Schiedsrichter vor Ort sein.“ Johannes Nedo

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