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Beim Confed-Cup gab es große Diskussionen um den Videobeweis.

© Alexey Filippov/Sputnik/dpa

Nach Pannen beim Confed-Cup: Die Bundesliga ist beim Videobeweis weiter als die Fifa

Beim Confed-Cup gab es beim Einsatz des Videoschiedsrichters schon einige Pannen. In Deutschland soll das nicht passieren.

Der Videobeweis kann eine durchaus amüsante Sache sein. So wie am vergangenen Sonntag beim Confed-Cup-Spiel zwischen Deutschland und Kamerun, als Schiedsrichter Wilmar Roldan erst dem falschen Spieler Gelb zeigte, dann dem falschen Spieler Rot – ehe er am Ende doch noch den wahren Übeltäter vom Platz stellte. Mit viel Wohlwollen könnte man sagen, dass der Kolumbianer zwar einiges falsch gemacht hatte, am Ende aber immerhin die richtige Entscheidung herausgesprungen war.

Stimmt nicht, sagt Hellmut Krug, der Schiedsrichter-Manager der Deutschen Fußball-Liga (DFL). Für das Foul an Emre Can hätte man zwar auch die Rote Karte geben können, da Gelb aber kein klarer Fehler war, hätte Roldan seine Entscheidung eigentlich nicht revidieren dürfen. „Da ist einiges schiefgelaufen“, sagt der frühere Fifa-Schiedsrichter, der im deutschen Fußball als Projektleiter für das Thema Videoassistent zuständig ist.

Im Spiel zwischen Deutschland und Kamerun stand Schiedsrichter Wilmar Roldan im Mittelpunkt – weil er zunächst dem falschen Spieler Rot zeigte.
Im Spiel zwischen Deutschland und Kamerun stand Schiedsrichter Wilmar Roldan im Mittelpunkt – weil er zunächst dem falschen Spieler Rot zeigte.

© Marius Becker/dpa

Das breite Publikum in Deutschland macht beim Confed-Cup gerade die ersten Erfahrungen mit der neuen Technik, die ab der neuen Saison auch in der Bundesliga zum Einsatz kommen wird. Nach diesen Erfahrungen scheint sich eher ein gewisses Unbehagen im Land breit zu machen. Zu erratisch wirken die Auftritte der Schiedsrichter in Russland, zu intransparent ihre Entscheidungswege, oft dauert es auch viel zu lange. Das liegt laut Krug unter anderem daran, dass die Schiedsrichter beim Confed-Cup zum Teil zum ersten Mal mit dem Thema konfrontiert sind und auch nur ein paar Tage geschult wurden, während ihre deutschen Kollegen ein ganzes Jahr lang geübt haben. „So einen Fehler werden wir ganz sicher nicht machen“, sagt Krug. „Es darf keiner erwarten, dass alles von 0 auf 100 geht, aber wir sind zuversichtlich, dass wir gut in die Gänge kommen werden.“ Zu Beginn der Testphase haben die Entscheidungen 90 Sekunden in Anspruch genommen; inzwischen sind es nur noch 10 bis 40 Sekunden.

„Der Videoassistent wird viel Druck von den Schiedsrichtern nehmen“

Wenn man Krug dabei beobachtet, mit welcher Lautstärke er in sein Mikrofon spricht, mit welcher Emphase er sich zu diesem Thema äußert, wird man ihm ganz sicher nicht den Hauch eines Zweifels unterstellen können, geschweige denn grundlegende Skepsis. Er hegt die berechtigte Hoffnung, dass es im Fußball künftig „um ein Vielfaches gerechter“ zugehen wird. „Der Videoassistent wird viel Druck von den Schiedsrichtern nehmen.“ In der vergangenen Bundesliga-Saison haben die Schiedsrichter 104 spielrelevante Fehler gemacht, 77 hätten bei optimalem Verlauf vom Videoassistenten korrigiert werden können.

Trotzdem wird es auch künftig keine hundertprozentige Gerechtigkeit geben; es wird durch den Videobeweis sogar Entscheidungen geben, die dem Gerechtigkeitsempfinden der breiten Masse komplett widersprechen – die aber formal richtig sind. Auch deshalb schicken DFB und DFL ihre Schiedsrichter gerade auf eine PR-Tour durch die Republik, um in mehreren Medien-Workshops die wichtigsten Regeln und Änderungen zu erklären. In Leipzig tun das Krug und Fifa-Schiedsrichter Felix Zwayer.

Der Berliner war der erste Deutsche, der den Videoassistenten genutzt hat: im März, beim Länderspiel zwischen Frankreich und Spanien. Dass er fortan von einer Stimme aus dem Off überstimmt werden kann, stört Zwayer nicht. Zumal es so nicht stimmt. Die Entscheidungsgewalt verbleibt beim Schiedsrichter auf dem Platz – eine Intervention des Assistenten gibt es auch nur, wenn ein klarer Fehler vorliegt. „Am Ende steht die richtige Entscheidung“, sagt Zwayer, „das ist das, was wichtig ist.“

Jedes Bundesligaspiel wird künftig von einem Videoassistenten verfolgt, der in einem Studio in Köln sitzt. Ihm stehen zwei Operatoren zur Seite, die für die Technik zuständig sind, zusätzlich kann er einen Supervisor zu Rate ziehen. Auf vier Monitoren verfolgt der Videoassistent das Geschehen, sämtliche Kameraeinstellungen stehen ihm zur Verfügung, und auf seinem Kopfhörer kann er die Kommunikation des Schiedsrichters mit seinen beiden Assistenten auf dem Feld verfolgen.

Modernes Monitoring. Ein russischer Video-Referee in Aktion.
Modernes Monitoring. Ein russischer Video-Referee in Aktion.

© Russian Look/dpa

Durch den Videobeweis soll es auch weniger Schwalben geben

Im Stadion, gegenüber den Trainerbänken, gibt es für den Schiedsrichter eine sogenannte Review-Area, einen Monitor, auf dem er das Geschehen selbst noch mal begutachten kann. Davon aber sollen die Schiedsrichter eher defensiv Gebrauch machen. Spielern ist das Betreten der Area strengstens untersagt. Zuwiderhandlungen werden mit einer Gelben Karte bestraft, genauso wie die Aufforderung zum Videobeweis durch die Verwendung des Monitorsymbols.

An vieles werden sich die Spieler erst noch gewöhnen müssen. Doch Zwayer hat die Erfahrung gemacht, dass der Lernprozess schnell fortschreitet. Bei der U-20-WM im Mai wurde im ersten Spiel auf Intervention des Videoassistenten ein Elfmeter wegen Haltens verhängt; im weiteren Verlauf des Turniers gab es keine einzige vergleichbare Situation mehr. „Wir knüpfen schon die Hoffnung daran, dass sich das Verhalten der Spieler ändert“, sagt Felix Zwayer. „Im Idealfall schreckt das auch ein bisschen ab.“ Schwalben im Strafraum zum Beispiel können sich die Spieler künftig sparen – weil es ganz sicher keinen Elfmeter mehr gibt. Sondern eine Gelbe Karte.

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