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Mit Hengst Cash Hanover verpasste Thorsten Tietz 2015 den Sieg beim Derby in Mariendorf.

© imago/Marius Schwarz

Trabrennbahn Mariendorf: Thorsten Tietz und der Derbyfluch

Thorsten Tietz will als erster Berliner seit 1988 beim Traber-Derby in Mariendorf gewinnen.

Selbst Heinz Wewering weiß, wie schwer ein Derbyerfolg zu holen ist. Der mittlerweile 67 Jahre alte Sulkyfahrer – mit bisher 16 842 Siegen der mit Abstand beste Europas – nahm schon 1972 das erste Mal am wichtigsten deutschen Trabrennen in Mariendorf teil. Bis in die letzte Kurve hinein sah es für ihn und seinen Hengst Dürer optimal aus. Aber genau in dem Moment, als Wewering angreifen wollte, baute sich plötzlich ein Hindernis wie eine Felswand vor ihm auf. Ein neben ihm laufendes Pferd war außer Kontrolle geraten und rannte seinem Hengst in die Spur. Damit war das Rennen für Wewering schlagartig beendet – er wurde aus dem Sulky geschleudert.

Für Wewering wurde das Erlebnis zwar nicht zum Trauma. Denn der Unfall konnte die einzigartige Karriere, die sich später anschloss, nicht verhindern. Aber die damalige Szene passt sinnbildlich auf die Situation der Berliner Trabrennsportler. Immer dann, wenn ein heimischer Derbysieg zum Greifen naheliegt, passiert etwas Unvorhergesehenes und es wird wieder nichts. Seit 1988 hat kein Berliner Sulkyfahrer mehr triumphiert. Der 1999 bei einem Autounfall verstorbene Gottlieb Jauß war der Letzte, der einem in der Region trainierten Pferd den Lorbeerkranz umhängen durfte.

Ob sich das nun bei der an diesem Freitag auf der Mariendorfer Bahn beginnenden Rennwoche ändert? Denn dass Wewering, der das in diesem Jahr mit insgesamt 570 000 Euro dotierte Derby bereits acht Mal gewann, nun schon seit sechs Jahren in Berlin lebt und erneut zu den Mitfavoriten zählt, ist aus hiesiger Sicht nicht wirklich ein Trost.

Tietz hofft auf das Ende der Pannenserie

Schließlich ist die Lichtgestalt des nationalen Trabersports für die Fans in Marienfelde weiter einer aus dem Ruhrpott. Die Karriere des gebürtigen Westfalen, der jahrzehntelang in Castrop-Rauxel gelebt hat, wird viel zu sehr dem Sportgeschehen des Ruhrgebiets zugeordnet.

Ganz anders sieht es in Bezug auf Thorsten Tietz aus. Der 39-Jährige stammt zwar wie Wewering aus Nordrhein-Westfalen und ist in Recklinghausen aufgewachsen. Doch er wurde vom Publikum quasi über Nacht eingebürgert und gilt als echter Mariendorfer. Nicht nur, weil er in unmittelbarer Nähe der Bahn lebt, sondern auch, weil seine Karriere anders verlief als Wewerings Erfolgsgeschichte.

In seiner alten Heimat war der Sulkyfahrer zuvor wenig aufgefallen. Das lag nicht am mangelnden Talent, sondern an der persönlichen Gewichtung: Tietz hatte anfangs kein Interesse daran, selber Rennen zu fahren. Er konzentrierte sich lieber auf die Betreuung der Pferde. Erst mit dem Wechsel nach Berlin 2012 kam der Sinneswandel – und der Erfolg stellte sich sofort ein. Seine Karriere trägt also das Siegel „Made in Berlin“.

Tietz wurde fünfmal nacheinander Mariendorfer Meister und gewinnt mit seinen am südlichen Stadtrand trainierten Trabern im Durchschnitt jedes dritte seiner Rennen – ein Spitzenwert. Die Fans halten ihn für denjenigen, der den Berliner Derbyfluch endlich besiegen kann. Doch auch er hat schon Pech und Pannen kennengelernt: 2012 fuhr Tietz im Finale als Sieger über die Ziellinie, aber sein Hengst Chapeau wurde disqualifiziert. 2015 war sein Pferd Cash Hanover das beste im Jahrgang, doch im Derby leistete sich der Traber Eskapaden. Kurz vor diesem Derby fing sich nun sein Hengst New Dawn – Tietz’ größte Hoffnung – ein Virus ein und fällt aus. Mit seinen weiteren Pferden Ganyboy und Lovers Hall will Tietz den Bann dennoch brechen und betont: „Irgendwann muss ich doch mal Glück haben!“

Heiko Lingk

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