zum Hauptinhalt
Gustav-Adolf Schur (80) gilt als einer der erfolgreichsten Sportler der DDR-Geschichte

© picture alliance / dpa

Täve Schur verklärt DDR-Sport: "Ein Musterland an sportlicher Gesundheit"

Das ehemalige Rad-Idol der DDR, Täve Schur, bestreitet bei der Präsentation seines neuen Buches unter Applaus systematisches Doping von Jugendlichen in der DDR.

Berlin - Gustav-Adolf Schur, von allen nur Täve genannt, sitzt auf dem Podium, vor sich das Mikrofon, und sagt: „In der DDR galt: Ein Sportler darf bei hoher Belastung keinen Schaden nehmen.“ Dann sagt er noch: „Die DDR war ein Musterland an sportlicher Gesundheit.“ Mit jedem Satz verwischen gefühlt historische Konturen, immer stärker dürfen sich die Zuhörer am Eindruck berauschen, hier lebe die DDR wieder auf. Sie sitzen in einem nüchternen Saal des „Neuen Deutschland“, früher das Zentralorgan der SED, das passt ins ideologische Bild. Schur, das Rad-Idol der DDR, ist jetzt 80 Jahre alt, damit senkt er eher den Altersschnitt seiner Zuhörer.

Offiziell stellt hier Schur sein Buch „Der Ruhm und ich“ vor, eine Antwort auf jene Jury, die ihn nicht in der „Hall of Fame“ des Sports aufgenommen hat. In Wirklichkeit aber wird der DDR-Sport gezeichnet, wie ihn die Besucher und ihr Star auf dem Podium verklären: menschenfreundlich, erfolgreich, sozial. „Es gibt Leute, die bezeichnen den DDR-Sport als kriminelle Vereinigung“, ruft Schur. „Pfui“, ruft einer zurück.

Natürlich war der DDR-Sport als Ganzes keine kriminelle Vereinigung. Das Dopingsystem der Funktionäre und Ärzte aber, ein System, in dem schon Zwölfjährige heimlich Dopingpillen unwissentlich schluckten, in dem Dopingopfer schwere Schäden erlitten, das war kriminell. Doch solche Differenzierungen zählen hier nicht. Für Schur sind Angriffe auf das Dopingsystem eben Angriffe aufs ganze System und damit ungerecht. Und weil er selber in den 50er Jahren „nicht gedopt war“, gab’s auch später kein flächendeckendes Doping. So einfach ist das.

Dopingopfer? Die sollen doch erst mal ihre Schäden beweisen. Dass schon in Stasi-Unterlagen solche Schäden dokumentiert sind, ist für ihn kein Thema. Und dass der Dopingopfer-Hilfeverein verbreite, 10 000 Sportler könnten sich als „gedopt bezeichnen“, ist für Schur „eine Mär“. Eine Mär? Rund 10 000 Athleten, wurde vor Gericht bekannt, waren im Dopingsystem eingebunden.

Egal, Schurs Weltbild geht abstrus weiter. Sport und Berufsausbildung gleichzeitig – dieser Weg sei in der Bundesrepublik unmöglich, und abtrainieren müsse man nun „auf eigene Kosten“ und in Eigenregie. Wie schön war doch die DDR, da war alles ganz anders. Sagt Schur.

Irgendwann an diesem Abend steht ein ehemaliger Radrennfahrer auf, offenbart sich als Dopingopfer und schildert hochemotional, wie er vom damaligen Verbandsarzt mit beidseitigem Nierenversagen „einfach liegen gelassen wurde“. Für einen Zuschauer waren das „provokante Äußerungen“. Immerhin, Schur sagt: „Sie haben mein persönliches Beileid.“ Er sagt sogar: „Doping muss bekämpft werden.“ Aber bitte, „deswegen muss man doch das System nicht als kriminell darstellen“.

Da klatschen sie, die Zuhörer. Schur hat ein „paar von ihnen erkannt, ehemalige Funktionäre des Sports und frühere Trainer“. Leute, die vielleicht sogar verantwortlich dafür waren, dass Kinder bei Dopingversuchen missbraucht wurden. Ihnen erzählt Schur mit einfühlsamer Stimme: „Wir haben in der DDR gelernt mitzufühlen, wenn ein Mensch Schmerzen hat.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false