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DOSB-Präsident Alfons Hörmann (links) und Gerhard Böhm, Abteilungsleiter Sport im Innenministerium, ringen um die Spitzensportreform.

© imago/Camera 4

Streit um die Spitzensportreform: Gemeinsames Ziel, viele Differenzen

Bei der Spitzensportreform rumort es gewaltig zwischen dem Deutschen Olympischen Sportbund und dem Bundesinnenministerium.

Von Johannes Nedo

Eigentlich sind sich alle Beteiligten vollkommen einig. Wenn es um die Spitzensportreform geht, betont Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB), bei jeder Gelegenheit: „Wir dürfen das große gemeinsame Ziel der Verbesserungen für unsere Athleten und Trainer nie aus den Augen verlieren.“ Ähnlich eindeutig positioniert sich auch das für den Sport zuständige Bundesinnenministerium als Geldgeber stets. „Wir wollen den Sport bestmöglich unterstützen. Wir wollen kein Sparprogramm“, sagt Gerhard Böhm, Abteilungsleiter Sport.

Der deutsche Leistungssport soll wieder fit gemacht werden, auf dass er bei Olympischen Spielen erfolgreicher wird. Er soll effizienter werden, transparenter und innovativer. Große Ziele sind das. Doch so einig sich DOSB und Innenministerium in den Grundzügen der Reform sind, es gibt derzeit viel Redebedarf zwischen beiden. Denn in der Zusammenarbeit knirschte es zuletzt gewaltig.

„Was beim DOSB auf dem Papier nach Konsens klingt, ist in der Umsetzung manchmal schwieriger“, sagt Böhm. Hörmann sieht im gemeinsamen Ringen um die Reform vor allem bei einem anderen Aspekt Nachholbedarf: „Wir müssen ergebnisoffen in die Diskussionen und Arbeitsgruppen gehen – also ohne zu viel vorab vorgeben zu wollen. Es darf nicht nur ums eigene Rechthaben gehen.“

Konflikte sind vorprogrammiert

Es prallt also einiges aufeinander. Weil bei der Reform obendrein noch die Bundesländer und Sportfachverbände mitmischen, sind Verzögerungen und Konflikte programmiert. Aus dem Innenministerium ist zu hören, die Zusammenarbeit mit dem DOSB sei teilweise zermürbend und ermüdend. Beim DOSB heißt es dazu: „Bei vielen Beteiligten mit durchaus verständlichen Eigeninteressen ist das wie in jeder guten Familie“, sagt Hörmann. „Da kommt es natürlich auch vor, dass die Schwachpunkte übersehen und Handlungsbedarf eher auf der anderen Seite gesucht werden. Wir müssen uns eben zusammenraufen.“

Das Zusammenraufen ist in vielen Punkten gefragt, etwa beim System der Bundesstützpunkte. „In der Stützpunktfrage hat der Sport konkrete Vorschläge und Konzepte unterbreitet“, sagt Hörmann. „Bei einigen Verbänden gibt es aber noch Diskussionsbedarf.“ Beim Innenministerium klingt das etwas anders. Dort hatte man vom DOSB bis Ende Juli eine Liste mit Vorschlägen gefordert, welche Bundesstützpunkte erhalten bleiben und welche gestrichen werden sollen. „Diese übermittelte Liste entsprach – auch aus Sicht der Länder – leider nicht dem Vereinbarten. Da muss nachgebessert werden“, sagt Böhm. In diesen Tagen soll eine neue Liste das Innenministerium erreichen.

„Die Bundesländer wollen wissen, wie die Kosten bei den Bundesstützpunkten verteilt sind, warum das System zum Beispiel im Basketball anders gehandhabt wird als im Volleyball“, sagt Böhm. Außerdem will das Innenministerium die Kriterien für die einzelnen Finanzierungen genau kennen. „Das darf nicht nach Gutdünken passieren“, betont Böhm. „So gibt es etwa Bundesstützpunkte ohne Bundeskader. Das kann nicht sein.“

Das größte Fragezeichen ist noch die Finanzierung der Reform

Aus Sicht des DOSB ist die Situation beim Thema Bundesstützpunktsystem naturgemäß etwas anders. „Wir haben dabei gute und wichtige Schritte eingeleitet“, sagt Hörmann. „Es hat nicht so viel Reduzierung gegeben, wie es sich die Abteilung Sport im Innenministerium erhofft und die Sportverbände befürchtet hatten.“ Nun soll das Innenministerium die Liste mit einer Übersicht erhalten, an welchem Bundesstützpunkt wie viele Athleten und Trainer sind, und wird dann auf Grundlage dessen eine Vorschlagsliste erstellen, welche Bundesstützpunkte auch zukünftig erhalten bleiben. Geplant ist eine Reduzierung von derzeit 204 auf etwa 165.

Ein weiterer Punkt, bei dem es zwischen Innenministerium und DOSB rumpelte, ist die sogenannte Potas-Kommission, die sich mit den Potenzialen der Sportarten befasst. Sie soll eruieren, welche Sportarten wie gefördert werden sollen und bewertet dafür die Arbeit der Verbände. Anfang August trat der Vorsitzende der Kommission, der Münsteraner Professor Bernd Strauß, jedoch nach drei Monaten zurück, aus gesundheitlichen Gründen. Aber es soll auch Streit zwischen Strauß und den anderen Kommissionsmitgliedern gegeben haben.

Für Böhm steht trotzdem fest: „Das Potas-System funktioniert. Allen Beteiligten, auch dem DOSB, muss klar sein, dass die Potas-Kommission unabhängig ist. Und das Arbeitsklima in der Kommission stimmt.“ Hörmann sagt dagegen: „Bei der Potas-Kommission war die Startphase zweifelsohne holprig.“ Mit dem neuen Vorsitzenden, Professor Urs Granacher von der Universität Potsdam, habe sich das deutlich verbessert. „Jetzt haben wir das dringend notwendige Teamwork.“ Zuvor gab es laut Insidern Streit darüber, wie sinnvoll das Potas-System überhaupt sei und warum der DOSB nicht die Führung über die Kommission erhalten habe. Ganz gewichen ist eine gewisse Skepsis bei Hörmann noch nicht: „Bei Potas ist eben die Frage: Kann man die Verbände nach allgemeinen Kriterien bündeln?“

Anfang November stehen die nächsten wichtigen Entscheidungen an

Das größte Fragezeichen ist nun noch die Finanzierung der Reform. „Es war von Beginn an klar, dass nennenswert mehr Geld ins System muss“, sagt Hörmann. Mehr als die rund 160 Millionen Euro derzeit. Und der 57-Jährige ist überzeugt, dass der Sport seine Hausaufgaben dafür gemacht hat. „Mehr konnten wir nicht tun. Jetzt muss ein klares Signal seitens der Politik kommen.“ Böhm knüpft mehr finanzielle Mittel allerdings an Bedingungen. „Wenn der Bedarf nach mehr Geld gut begründet ist, dann treten wir auch mit Vehemenz für diese Mehrbedarfe ein“, sagt der 55-Jährige. „Wir wollen nicht mit aller Gewalt Medaillen produzieren. Wir wollen nur, dass das Geld sinnvoll, transparent verteilt wird und damit der bestmögliche Output erreicht wird.“

Es gibt also noch einiges zu klären zwischen DOSB und Innenministerium – sowie den Ländern und Fachverbänden. Immerhin ist allen klar: „Wir können den Weg nur gemeinsam gehen“, sagt Hörmann. „Alle wollen die Reform.“ Die nächsten großen Schritte stehen aber erst nach der Bundestagswahl an, zunächst bei der Sportministerkonferenz der Länder Anfang November. So bleibt zu hoffen, dass DOSB und Innenministerium bis dahin wieder besser zueinanderfinden.

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